RLV-Jahresmoratorium rechtens: BSG bremst stark wachsende Radiologenpraxis aus

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei­-am-aerztehaus.de

Das Bundessozialgericht (BSG) hat das sogenannte „Jahresmoratorium“, wonach Praxen im RLV-System regelhaft auf Basis der Fallzahlen des Vorjahresquartals bemessen werden und Fallzahlzuwächse sich somit erst zeitversetzt auswirken, bestätigt. Dies entspreche den Vorgaben des § 87b SGB V in Verbindung mit den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen habe daher einer radiologischen Praxis zu Recht nur ein RLV auf Basis von 90 Fällen für das Quartal 3/2009 zugewiesen (Az. B 6 KA 44/12). 

Der Fall

Die betroffene radiologische Gemeinschaftspraxis bestand seit 2001, übte dann aber über einige Zeit keine Tätigkeiten aus und wurde sodann 2004 erneut genehmigt. 2008 kam es zu einem erneuten Umbruch, als eine neue Partnerin in die Praxis eintrat und die Praxis räumlich verlegt wurde. 

Die Praxis hatte für diesen neuerlichen Umbruch und die Etablierung von CT und MRT insgesamt etwa 6,5 Millionen Euro in neue Praxisräume investiert. Erst im Quartal 3/2009 konnte – nach Erhalt der notwendigen Abrechnungsgenehmigungen für die Geräte im September – die Praxis ihren Betrieb in vollem Umfang aufnehmen. 

Aufgrund dieser und weiterer Umstände waren die drei Ärzte im Referenzquartal 3/2008 nur in sehr eingeschränktem Umfang vertragsärztlich tätig, sodass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) der Gemeinschaftspraxis lediglich ein RLV auf Basis von 90 Fällen in Höhe von etwa 3.700 Euro zuwies. Tatsächlich wurden in 3/2009 aber 371 Fälle behandelt. 

Die Gemeinschaftspraxis wandte sich auf dem Rechtsweg gegen die RLV-Zuweisung und erreichte sowohl vor dem Sozial- als auch vor dem Landessozialgericht eine Sonderregelung. Auf die Revision der KV hin kassierte das BSG nunmehr die Urteile der Vorinstanzen. 

Entscheidungsgründe des BSG

Nach Auffassung der BSG-Richter kann sich die Praxis nicht – wie das LSG meinte – auf den allgemeinen Wachstumsanspruch für Praxen in der Aufbauphase berufen. Danach müssten Praxen zwar jederzeit, also auch quartalsgerecht, die Möglichkeit haben, ihren Umsatz durch Fallzahlerhöhungen auf den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu steigern. Diese Privilegierung greife aber nur für Aufbaupraxen, wobei der dafür anzusetzende Zeitraum auf drei bis fünf Jahre begrenzt sei. 

Praxis erfüllte nicht das Kriterium „Aufbaupraxis“

Die hier betroffene Radiologenpraxis bestehe aber schon seit 2001 und wurde nach einer Zeit der Nichtausübung Ende Juni 2004 neu gegründet. Der neuerliche Umbruch im Jahr 2008 führe nicht dazu, dass der Praxis erneut der Status einer „Aufbaupraxis“ zu­gestanden werden könne. 

Anspruch auf Durchschnittsumsatz nur innerhalb von fünf Jahren

Als eine sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxis habe die Praxis nach der ständigen BSG-Rechtsprechung nur einen Anspruch darauf, ihren Umsatz innerhalb von fünf Jahren durch Fallzahlerhöhungen auf den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe steigern zu können. Diesen Vorgaben sei im Fall der klagenden Radiologenpraxis genügt, obgleich sich die Fallzahlzuwächse erst jahresversetzt auswirkten. 

Das Jahresmoratorium sei weder generell unverhältnismäßig noch – bezogen auf die Radiologenpraxis – einschränkend auszulegen. Die atypisch geringe Fallzahl der Praxis im Referenzquartal 3/2008 beruhte auf der eigenen unternehmerischen Entscheidung, nur in geringem Umfang vertragsärztlich tätig zu werden. 

„Härtefallregelung“ greift bei der Praxis nicht

Etwaigen unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen in Einzelfällen sei durch Anwendung der Härtefallregelung, die jede Honorarverteilungsregelung ausdrücklich oder stillschweigend enthalte, zu begegnen. Umstände für eine Härtefall­regelung seien im Fall der klagenden Radiologiepraxis jedoch nicht erkennbar. 

Fazit und Urteilskritik

Das BSG bestätigt seine zuletzt strenge Linie in der Rechtsprechung zur vertragsärztlichen Honorierung. Gerade im Geltungsbereich der RLV gibt es jedoch Praxen, die aufgrund verschiedener Umstände nicht in das „vorgegebene Raster“ passen, wie der entschiedene Sachverhalt beispielhaft belegt. 

In solchen Fällen sollte es im Sinne der Beteiligten und der Versicherten möglich sein, auf regionaler Ebene mit der jeweiligen KV eine sachgerechte Regelung herbeizuführen. Leider lehnen viele KVen ein solches Vorgehen ab und zwingen die betroffenen Praxen damit, den Rechtsweg zu beschreiten. 

Vor diesem Hintergrund ist die strenge Linie des BSG kritisch zu betrachten. Gleichwohl wird man mit ihr leben müssen.