RLV – Liquiditätsfalle für Vertragsärzte

von Dr. Rolf Michels und Thomas Ketteler-Eising, Kanzlei Laufenberg – Dr. Michels und Partner, Köln, www.laufmich.de

Erste Einschätzungen über die Entwicklung der Vergütung niedergelassener Ärzte nach der Honorarreform 2009 führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Zum Teil gibt es – vorwiegend in den östlichen Bundesländern – gegenüber dem Vorjahr erhebliche Verbesserungen. Viele Ärzte erwarten aber auch ein geringeres Honorarvolumen, manche rechnen sogar mit massiven Einbußen. Auf dem Bankkonto des Radiologen wird sich dies jedoch vorerst noch nicht bemerkbar machen, nachdem die KBV zugesagt hat, die Abschlagszahlungen für das Budget solange unverändert zu lassen, bis die erste Abrechnung des neuen Jahres vorliegen wird. Und genau dies kann dazu führen, dass man in eine Liquiditätsfalle tappt. 

Die Liquiditätsfalle

Die Abrechnung für das erste Quartal 2009 kommt turnusgemäß erst im Juli dieses Jahres. Alle Vertragsärzte erhalten somit noch sechs Monate unveränderte Abschlagszahlungen. Wird mit der Schlussabrechnung des Quartals I/2009 dann eine Überzahlung festgestellt, kommt es zu einer Rückzahlung, die gegebenenfalls mit den restlichen Abschlagszahlungen des Jahres zu verrechnen wäre. 

Die Folgen können für die Liquidität der Vertragsärzte fatal sein, insbesondere dann, wenn sich Praxisinhaber nicht rechtzeitig auf die neue Vergütungssituation einstellen. Die Bankkonten zeigen noch das gesamte erste Halbjahr 2009 Einnahmen auf der Basis des alten, bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Systems. Keine Buchhaltungs-Standardauswertung zeigt die auf die radiologische Praxis zukommenden Folgen auf, da dort ja zunächst nur die tatsächlichen, häufig viel zu hohen KV-Einnahmen erfasst sind. 

  

Das folgende Beispiel soll verdeutlichen, wie die Realität dagegen aussehen könnte: Daraus wird erkennbar, dass ein Einnahmenrückgang von zehn Prozent sich gravierend auf den Gewinn (minus 36 Prozent) und auf das verfügbare Einkommen (minus 100 Prozent im zweiten Halbjahr 2009) auswirken kann. Dies gefährdet das finanzielle Gleichgewicht der Praxis und des Arztes insbesondere dann, wenn die erhöhten Zahlungen des ersten Halbjahres schon verplant und ausgegeben worden sind. 

Beispiel: Mögliche Liquiditätsentwicklung in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis mit fünf Gesellschaftern

 

2008

1. Hj. 2009

2. Hj. 2009

2010

Honorar gesamt 

2.500.000 €

1.250.000 €

1.000.000 €

2.250.000 €

Praxiskosten 

1.800.000 €

900.000 €

900.000 €

1.800.000 €

Gewinn 

700.000 €

350.000 €

100.000 €

450.000 €

Gewinnanteil je Gesellschafter 

140.000 €

70.000 €

20.000 €

90.000 €

Vorsorgeaufwendungen 

32.000 €

16.000 €

16.000 €

32.000 €

Steuern 

30.000 €

15.000 €

4.000 €

19.000 €

Verfügbares Einkommen 

78.000 €

39.000 €

0 €

39.000 €

  • pro Monat

6.500 €

3.250 €

0 €

3.250 €

Wie können Praxisinhaber der Liquiditätsfalle ausweichen?

Praxisinhaber sollten jetzt ihre Finanzen auf Herz und Nieren prüfen. Hierzu sind folgende Maßnahmen notwendig: 

1. Simulationsrechnung durchführen

Zunächst ist für das erwartete Kassenbudget 2009 eine Simulationsrechnung zu erstellen, um frühzeitig zu erfahren, ob die Praxis künftig mit niedrigeren Kasseneinnahmen rechnen muss – und wenn ja, in welchem Umfang. 

2. Einnahmen und Ausgaben planen

Steht fest, dass die Praxis im Jahr 2009 mit einem voraussichtlich niedrigeren Honorarvolumen auskommen muss, sollte eine Planung aller Praxiseinnahmen und Praxisausgaben – aber auch der privaten Ausgaben – mindestens auf Quartalsbasis, besser auf Monatsbasis erstellt werden. Eine solche detaillierte Finanzplanung kann ohne größeren Aufwand mit Hilfe eines Steuerberaters angefertigt werden. 

3. Gegebenenfalls betriebliche Sofortmaßnahmen einleiten

Steht dann fest, dass aufgrund des Umsatzrückgangs mit erheblichen Einschränkungen des verfügbaren Einkommens (siehe Beispiel) zu rechnen ist, sollten Sofortmaßnahmen gegen den drohenden Liquiditätsengpass eingeleitet werden. Diese sind vielfältig und inpiduell auf die Praxis und den privaten Bereich zuzuschneiden. 

So kann zum Beispiel eine Analyse der Praxiskosten Abhilfe schaffen. Durch Reorganisation der Arbeitsabläufe oder durch Reduktion unrentabler Leistungen können möglicherweise Arbeitskräfte eingespart werden. Vor „Schnellschüssen“ und unüberlegten Reaktionen ist aber zu warnen. Und Kosten sparen allein reicht häufig nicht aus. 

4. Einsparpotenziale bei privaten Ausgaben aufspüren

Daneben sind die privaten Ausgaben zu analysieren. Hier können möglicherweise Ersparnispotenziale – zum Beispiel durch die Reduzierung von Versicherungsaufwendungen – erschlossen werden. Sicherlich können jedoch aufgrund erwarteter Gewinnrückgänge bereits die Einkommensteuer-Vorauszahlungen schon ab dem Quartal I/2009 herabgesetzt werden. 

Durch die Summe dieser Maßnahmen kann anhand der Finanzplanung (siehe Punkt 2) dann verfolgt werden, ob das finanzielle Gleichgewicht der Praxis in 2009, das ja noch von den nachlaufenden Einnahmen aus der Zeit vor den RLV mit geprägt ist, erreicht werden kann. Ist dies nicht der Fall, so können Liquiditätsfehlbeträge kurzfristig auch durch einen Bankkredit überbrückt werden, wenn eine langfristige Anpassungsstrategie aufgezeigt werden kann. Mittel- oder langfristig ist aber das finanzielle Gleichgewicht für einen Vertragsarzt nur dann herstellbar, wenn die Kosten (private und betriebliche) der Einnahmensituation angepasst werden können. 

Fazit

Letztlich ist bei einem sich abzeichnenden Liquiditätsengpass überlegtes Handeln angesagt und nicht panikindizierter Aktionismus. Auch wenn Praxisinhaber bei einer Analyse ihrer betrieblichen und privaten Kosten keine Ansatzpunkte für Einsparungen und auch keine Potenziale für Einnahmesteigerungen finden, sollten sie nicht gleich aufstecken. Dann empfiehlt es sich oft, einen unabhängigen Dritten hinzuzuziehen. „Betriebsblindheit“ verstellt oft den Blick für das Mögliche.