Radiologie-Kooperationen: Fünf Jahre §§ 299a/b, 300 StGB – viel Lärm um nichts?

von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Jan P. Schabbeck und Dipl.-Pflegewirt Thorsten Müller, MScN

Am 30.05.2016 wurde das Gesetz zur Bekämpfung zur Korruption im Gesundheitswesen beschlossen und ist unmittelbar nach seiner Verkündung wenige Tage später in Kraft getreten. Obwohl das Gesetz an sich nichts Neues regelte, da schon zuvor in den Berufsordnungen die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterialien ohne hinreichenden Grund nicht erlaubt war und die Annahme von Vorteilen in diesem Zusammenhang immer verboten war, sind mit der Einführung zahlreiche Kooperationen überprüft – und einige auch beendet worden. Letzteres übrigens auch, obwohl dies rechtlich nicht notwendig war. 

Kick-Back-Zahlungen bislang im Fokus

Nach einem ersten Run bei den Prüfungen von Kooperationen geschah allerdings wenig. So berichtete das Deutsche Ärzteblatt (2020; 117 (10):A-512/B-440) davon, dass bundesweit keine 100 Ermittlungsverfahren für das Jahr 2018 bekannt geworden waren und dass es bis dato zu keiner einzigen (!) Anklage gekommen war. Das hat sich mittlerweile geändert.

Zwar berichtet die juristische Datenbank „juris“ nach wie vor noch von keiner Verurteilung, jedoch beschäftigen sich mittlerweile die Strafgerichte mit derartigen Fällen. Dabei handelt es sich – soweit bekannt – allerdings um Verfahren, in denen sogenannte „Kick-Back-Zahlungen“ für Verordnungen gezahlt wurden. So wurden beispielsweise 10 Prozent der Umsätze bei Laborleistungen an den Einweiser zurückbezahlt (LG Saarbrücken, Az. 2 KLs 5/20). Für den Fall, dass es jeweils so war, dass aufgrund einer Zuweisung eine Zahlung erfolgte, ist „unproblematisch“ klar, dass ein strafbares Handeln vorliegt. In diesen Verfahren wird es i. d. R. lediglich um die Beweisbarkeit der Vorwürfe gehen.

Typische Konstellationen in der Radiologie

Die Krux bei Kooperationen im Gesundheitswesen und den §§ 299a/b, 300 Strafgesetzbuch (StGB) ist allerdings eine andere. Wer kooperiert, der bekommt i. d. R. zum einen Patienten zugewiesen, zum anderen folgen für Leistungen, die extern – beispielsweise für das Kooperationskrankenhaus – bestellt worden sind, Zahlungen von diesen. Die radiologische Praxis wird wiederum häufiger Zahlungen an den Kooperationspartner, z. B. für Miete, bezahlen. Eine Zahlung, die im Zusammenhang mit Zuweisungen steht, stellt ohne Frage einen Vorteil dar. Offensichtlich wird dies allein aber noch nicht als Korruption gewertet, denn ansonsten gäbe es wohl deutlich mehr Verfahren.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Leistungen und Gegenleistungen, die gewährt werden, ausgeglichen sind. Je nach Richtung des Zahlungsstroms darf die Leistung also

  • weder „zu billig“ sein
  • noch darf die Leistung zu teuer eingekauft werden.

Ein Vorteil darf für die Zuweisung also beispielsweise nicht dadurch gewährt werden, dass Leistungen für ein Kooperationskrankenhaus zu günstig erbracht werden, weil dieses im Umkehrschluss Patienten an die radiologische Praxis leitet. Umgekehrt dürfen radiologische Praxen für Leistungen, die vom Krankenhaus bezogen werden, keine zu hohen Zahlungen leisten – immer davon ausgehend, dass die wesentliche Leitungsfunktion vom Krankenhaus zugunsten der radiologischen Praxis geht. Diese Grundsätze gelten aber auch umgekehrt.

Merke

Bei der Prüfung, ob unerlaubte Zahlungen getätigt werden/Korruption vorliegt, kommt es nicht darauf an, welche Leistungen bezogen werden! Ob es sich dabei um

  • Miete,
  • Personalbestellungen,
  • Dienstleistungen oder den
  • Bezug von Materialien

handelt, ist insofern also nicht relevant.

 

Ein denkbarer Ausweg scheint, dass Patienten nicht kanalisiert werden, sondern diese lediglich „zufällig“ in der kooperierenden radiologischen Praxis als Patienten erscheinen. Dies entspricht allerdings nicht der Lebenswirklichkeit. Gerade das im Krankenhaus tätige, nicht für derartige Sachverhalte sensibilisierte Personal empfiehlt häufig den vor Ort vorhandenen Leistungserbringer, ohne dass ein zulässiger Ausnahmefall vorliegt – und das ganz ohne bösen Willen. Die Rechtswirklichkeit zeigt schlichtweg, dass selbst gut geschultes Personal hier jedenfalls auf lange Sicht versagen kann.

Maßnahmen zur Vorbeugung

Damit muss sichergestellt werden, dass keine unzulässigen Vorteile vorliegen. Doch wie ist dies zu bewerkstelligen?

1. Ortsübliche Preise

Zum einen ist beim Erwerb von Leistungen vom Kooperationspartner dringend darauf zu achten, dass ortsübliche Preise bezahlt werden. D. h., über das allgemeine Marktniveau hinausgehende Preise sind zu unterlassen. Hierauf sollte peinlich genau geachtet werden. Gegebenenfalls sollte für den Fall der Fälle regelmäßig dokumentiert werden, dass und warum das bezahlte Preisniveau marktüblich ist.

Ein Sonderfall liegt insofern bei der Miete vor. Hier auf eine ortsübliche Miete für Radiologen in den Krankenhausräumen abzustellen, die i. d. R. hohe Mieten rechtfertigen, stellt dennoch einen Vorteil dar, denn hier wird der Vergleichsmarkt zu klein gefasst. Ortsüblich ist eben nicht nur die konkret am Krankenhaus geltende Miete, sondern die des räumlichen Umfelds. Zulässig dürfte allerdings ein gewisser Aufschlag auf die Miete wegen der besonderen Attraktivität der Räumlichkeiten sein. Denkbar ist der Aufschlag in der Form, wie ihn auch andere Mieter zahlen würden, die nicht dem § 299a StGB unterliegen – also andere als Heilberufler.

2. Leistungen nicht zu günstig anbieten

Zum anderen muss unbedingt vermieden werden, dem Kooperationspartner einen Vorteil zuzuwenden, indem Leistungen zu günstig angeboten werden. Hierin läge zweifellos ein versteckter Vorteil.

Wann eine Leistung zu günstig ist, ist – vor dem Hintergrund dessen, dass höchstrichterliche Urteile (noch) nicht vorliegen – natürlich nicht eindeutig. Es bieten sich verschiedene Wege der Bestimmung an. Ein möglicher ist sicherlich die kaufmännische Kalkulation, die nachvollziehbar dargelegt werden muss und insbesondere auch

  • das Wagnis,
  • den üblichen Gewinn und
  • die Abschreibungen beachtet.

Im Übrigen wird ein Korridor zwischen der Matrix des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK-Matrix) und dem GOÄ-Einfachsatz diskutiert. Zu Recht weist Clausen („Rechtsprobleme bei Kooperationsverträgen von niedergelassenen Radiologen in Kliniken“ in RWF Nr. 10/2019) darauf hin, dass bei den meisten DRG-Fallpauschalen die InEK-Matrix die Radiologieleistungen nicht ausweist. In dem Fall bliebe der GOÄ-Einfachsatz, bei dem über den Steigerungssatz gesprochen werden muss. Zudem sind dabei die GOÄ-Abrechnungsbeschränkungen zu beachten. Diese Faktoren sollten in einem Kooperationsvertrag dargestellt werden, um hier keinen Streit aufkommen zu lassen.

Vielfältige weitere Varianten

Neben den hier erläuterten offensichtlichen Vorteilen gibt es eine Vielzahl von anderweitigen Modellen, in denen beispielsweise über Mittelsmänner Beteiligungen an Gesellschaften ausgegeben werden. Bei all diesen Varianten ist höchste Vorsicht angezeigt. Genauso wie bei der Frage von anderen „versteckten Entgelten“. Dies sei hier nur am Rande erwähnt.

Fazit

Die §§ 299a/b, 300 StGB machen in der Rechtspraxis bei Kooperationen derzeit nur wenige Fälle aus.

Es zeigen sich allerdings erste anderweitige Entwicklungen. sodass eindrücklich dazu geraten wird, die entsprechende Ausgewogenheit der Leistungen und Gegenleistungen im eigenen Haus zu prüfen.

 

Weiterführender Hinweis