Radiologen in der Teilgemeinschaftspraxis zulässig - BGH schafft mehr Klarheit!

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Tilman Clausen, Hannover, www.armedis.de 

Bereits in der Juni-Ausgabe hat das RWF über ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. Mai 2014 berichtet (Az. I ZR 137/12), in der sich der BGH mit der Frage beschäftigte, ob Radiologen Partner einer Teilgemeinschaftspraxis mit Ärzten anderer Fachgruppen sein dürfen, wenn sich ihr Beitrag auf die Erbringung medizinisch-technischer Leistungen beschränkt. Inzwischen liegt die schriftliche Ausfertigung des Urteils vor – und nun ist klar, dass solche Zusammenschlüsse grundsätzlich zulässig sind. Auch bringt das Urteil mehr Klarheit darüber, unter welchen Voraussetzungen die Beteiligung von Radiologen an einer Teilgemeinschaftspraxis möglich ist.

BGH: Regelung der Berufsordnung verstößt gegen das Grundgesetz 

Der BGH setzt sich in seinem Urteil ausführlich mit der Vorschrift des § 18 Abs. 1 der Berufsordnung für Ärzte der Landesärztekammer Baden-Württemberg auseinander. Dieser lautet wie folgt:

§ 18 Abs. 1 Berufsordnung der LÄK Baden-Württemberg

„(…) Ärzte dürfen sich zur Berufsausübungsgemeinschaften, Organisationsgemeinschaften, Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünden zusammenschließen. Der Zusammenschluss zur gemeinsamen Ausübung des Arztberufs kann zum Erbringen einzelner Leistungen erfolgen, sofern er nicht lediglich einer Umgehung des § 31 dient. Eine Umgehung liegt insbesondere vor, wenn sich der Beitrag (…) des Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beschränkt oder der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der von Ihnen persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, stellt keinen Leistungsanteil im Sinne des Satzes 3 dar. Verträge über die Gründung von Teil-Berufsausübungsgemeinschaften sind der Ärztekammer vorzulegen“.

 

Laut § 18 Abs. 1 Satz 3 (erste Alternative) dieser Berufsordnung liegt eine Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt (die sich in § 31 aller Berufsordnungen der Landesärztekammern findet) vor, wenn sich der Beitrag eines Arztes in einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft (Teil-BAG) auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder der Gesellschaft beschränkt.

Noch in der Vorinstanz hatte das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 27. Juni 2012 (Az. 6 U 15/11) diese Vorschrift als verfassungsgemäß angesehen und festgestellt, dass ein Zusammenschluss zwischen Radiologen und Ärzten anderer Fachrichtungen im Rahmen einer Teilberufsausübungsgemeinschaft als Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt anzusehen ist. Dieses Urteil hob der BGH nunmehr auf: Nach Auffassung der Richter ist diese Regelung mit der durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit unvereinbar und deshalb nichtig. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Artikel 12 Abs. 1 GG vereinbart seien, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen, den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 3 (erste Alternative) der Berufsordnung verstößt laut BGH gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Zwar sei das dort geregelte abstrakte Verbot geeignet, dem Zweck der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen von finanziellen Erwägungen zu dienen; um diesen Zweck zu erreichen, sei das Verbot aber weder erforderlich noch stelle es ein angemessenes Mittel dar. Grund: Die Regelungen in § 18 Abs. 1 Sätze 2 und 3 (zweite Alternative) und 4 der Berufsordnung würden jedoch ausreichen, um dem in der Regelung genannten Zweck zu dienen, eine Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt durch die Gründung von Teil-BAG zu verhindern.

Konsequenzen der Entscheidung 

Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg findet sich so in den Berufsordnungen fast aller Landesärztekammern – mit Ausnahme der Landesärztekammern Bayern, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz. Das neue Urteil des BGH ist somit für die meisten Bundesländer relevant. Das bedeutet: Auch die gleich lautenden Vorschriften in den Berufsordnungen anderer Landesärztekammern dürften nicht mehr zur Anwendung kommen.

Beschränkungen gelockert, aber immer noch erheblich 

Das Urteil des BGH stellt weiterhin klar, dass in Teil-BAG auch zukünftig nicht alles erlaubt ist. Vielmehr unterliegen diese Gesellschaften erheblichen berufsrechtlichen Beschränkungen. Dazu zählen:

  • Der Zusammenschluss zu einer Teil-BAG darf nicht lediglich einer Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt dienen.
  • Der Gewinn einer Teil-BAG darf nicht ohne Grund in einer Weise verteilt werden, die nicht dem Anteil der von den Gesellschaftern persönlich erbrachten Leistungen entspricht.
  • Die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der bildgebenden Verfahren, der Labormedizin und der Pathologie stellt keinen Leistungsanteil im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 3 dar. Das bedeutet: Nicht zulässig ist zum Beispiel, dass ein Orthopäde im Rahmen einer Teil-BAG lediglich ein MRT durch den Radiologen anordnet und dafür eine Gewinnbeteiligung erhält, ohne eine über die Anordnung hinausgehende Leistung zu erbringen.
  • Verträge über die Gründung einer Teil-BAG sind weiterhin der zuständigen Landesärztekammer vorzulegen.

Teil-BAG nunmehr für Radiologen zugänglich 

Das Urteil des BGH soll dazu dienen, die Position ärztlicher Fachgruppen wie der Radiologen in Teil-BAG zu stärken. Wenn diese sich auf medizinisch-technische Leistungen im Rahmen einer Teil-Berufsausübung beschränken, bleibt der Zusammenschluss mit Ärzten anderer Fachrichtungen im Rahmen einer Teil-BAG zulässig, sofern es gelingt, für diese einen Gesellschaftszweck zu definieren, der den Zusammenschluss rechtfertigt. Radiologen können damit nicht ohne Weiteres von einem Zusammenschluss im Rahmen einer Teil-BAG ferngehalten werden.

Auf der anderen Seite können Ärzte anderer Fachrichtungen dafür, dass sie den Radiologen mit der Durchführung von bildgebenden Verfahren beauftragen, nicht am Gewinn der Teil-BAG beteiligt werden. Der Gewinn des Zusammenschlusses darf nur entsprechend der tatsächlichen Leistungen der Mitglieder des Zusammenschlusses verteilt werden – es sei denn, für eine abweichende Verteilung gibt es sachliche Gründe. Diese können unter anderem darin liegen, dass einzelne Gesellschafter Sacheinlagen – zum Beispiel medizinische Geräte – in dem Zusammenschluss getätigt haben.

Fazit

Mit seinem Urteil erteilt der BGH der pauschalen Kriminalisierung einer Beteiligung von Radiologen an einer Teil-BAG mit Ärzten anderer Fachgruppen eine klare Absage. Berufsrechtliche Regelungen, die darin eine Umgehung des Verbots einer „Zuweisung gegen Entgelt“ sehen, sind unverhältnismäßig und unwirksam. Schließlich können Radiologen ohne Probleme Mitglieder von Teams in Kliniken oder MVZ sein, warum also in Teil-BAG nicht?

Trotz des positiven Signals durch den BGH bleibt abzuwarten, ob seine Klarstellungen größere Auswirkungen auf die Entwicklung von Teil-BAG haben werden. Weitere Beschränkungen gelten nach wie vor – wie etwa die berufsrechtliche Pflicht nach einer leistungsgerechten, den Anteilen der einzelnen Partner entsprechenden Gewinnverteilung.