Niedergelassene Radiologen wehren sich mit Erfolg gegen erweiterte Klinik-Ermächtigung

von RA, FA für MedizinR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de

Eine Fahrtstrecke von zehn Kilometern zwischen der Praxis einer Unfallchirurgin und einer radiologischen Gemeinschaftspraxis ist für den Patienten zumutbar, wenn die öffentlichen Fahrverbindungen ausreichend sind. Daher hat eine radiologische Klinik an demselben Ort wie die Unfallchirurgin keinen Anspruch auf eine entsprechende Ermächtigungserweiterung (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.09.2017, Az. L 24 KA 54/16 ).

Der Fall

Der Chefarzt eines Klinik-Instituts für Radiologie wollte auch Patienten einer zuweisenden niedergelassenen Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Sitz in demselben Ort mit konventioneller Technik radiologisch untersuchen.

Da sich der nächste niedergelassene Radiologe in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis in einem zehn Kilometer entfernten Ort befand, argumentierte der Chefarzt: Es solle den frisch verunfallten Patienten der niedergelassenen Ärztin nicht zugemutet werden, von ihrer Praxis in die zehn Kilometer entfernt liegende Gemeinschaftspraxis zu fahren, um sich radiologisch untersuchen zu lassen und dann wieder für die weitere Behandlung in die Praxis der Ärztin zurückzukehren.

Der Chefarzt beantragte deshalb die Erweiterung seiner Ermächtigung auf taggleiche Überweisung. Dagegen setzte sich die Gemeinschaftspraxis – im Ergebnis erfolgreich – zur Wehr.

Die Entscheidung

Zur Begründung führten die Richter aus: Es bestünden ausreichende und kurze öffentliche Fahrverbindungen zwischen den Orten. Der Zulassungsausschuss dürfe die Patienten – jedenfalls für alle planbaren radiologischen Leistungen – auf die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verweisen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des räumlich nahegelegenen Chefarztes diene zwar der Bequemlichkeit der Patienten, sei aber nicht aus medizinischen Gründen erforderlich. Daher bestehe hier noch kein Bedarf im Sinne einer Ermächtigung gemäß § 116 Sozialgesetzbuch (SGB) V.

In echten medizinischen Notfällen könne eine Behandlung durch den Chefarzt ohne besondere Ermächtigung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Denn nach dem SBG V können Notfall-Patienten auch die Versorgung bei nicht zugelassenen Ärzten in Anspruch nehmen.

Folgen für die Praxis

Die radiologische Gemeinschaftspraxis hat sich hier im Wege des „defensiven Konkurrentenwiderspruchs“ gegen die Erweiterung der Ermächtigung eines Dritten erfolgreich zur Wehr gesetzt.

Eine Ermächtigung nach § 116 SGB V ist (nur) zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der im Gesetz genannten Einrichtungen, also insbesondere in Arztpraxen, nicht sichergestellt wird (sogenannte Sicherstellungslücke). Vorrang vor der Ermächtigung hat die Zulassung nach § 95 Abs. 1 und 3 SGB V, die zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen innerhalb eines bestimmten Fachgebietes ermächtigt. Nur ein besonderer Bedarf kann die Ermächtigung von Krankenhausärzten rechtfertigen.

Je spezieller das ärztliche Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Patienten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren zumut-baren Entfernungen auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2008, Az. B 6 KA 40/07 R; Urteil vom 02.09.2009, Az. B 6 KA 21/08 R).

Insofern stellt eine notwendige Fahrt von zehn Kilometern zwischen Arzt und Radiologie bei ausreichenden öffentlichen Fahrverbindungen keinen Grund für eine Ermächtigung dar (ebenso schon Sozialgericht Marburg, Urteil vom 10.02.2010, Az. S 12 KA 824/09). Bei MRT-Leistungen sind den Patienten Fahrten von bis zu 25 Kilometern zumutbar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.07.2006, Az. B 6 KA 14/05 R). Will ein Patient z. B. spezielle Operationstechniken in Anspruch nehmen, die nur in bestimmten Universitätskliniken angeboten werden, so sind ihm auch weite Anfahrten von 50 Kilometern und mehr zuzumuten.

Checkliste: Ermächtigungs-Voraussetzungen

Nur unter diesen Voraussetzungen hat ein Klinik-Radiologe einen Anspruch auf eine Ermächtigung oder Ermächtigungsserweiterung:

1. Es besteht eine Sicherstellungslücke, denn:

Alternative 1:

Radiologische Leistungen werden im Planungsbereich nicht durch niedergelassene Ärzte angeboten. Oder:

Alternative 2:

Radiologische Leistungen werden zwar im Planungsbereich durch niedergelassene Ärzte angeboten, die Wegstrecke ist aber größer als 25 km bei guten öffentlichen Fahrverbindungen. Oder:

Alternative 3:

Radiologische Leistungen werden im Planungsbereich zwar durch niedergelassene Ärzte angeboten und die Wegstrecke dorthin ist kleiner als 25 km, aber die öffentlichen Fahrverbindungen sind nicht gut ausgebaut.

2. Der im Krankenhaus tätige Radiologe stellt einen Antrag auf Ermächtigung (Einzelheiten in § 31a Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV).

3. Die Bedarfsprüfung des Zulassungsausschusses bestätigt die Sicherstellungslücke.