Neues zur Wahlleistungsvereinbarung

von RA, FA für ArbeitsR und MedizinR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de

Am 04.05.2016 urteilte das Landgericht [LG] Stuttgart, dass eine Wahlarztvereinbarung unwirksam ist, wenn darin der Hinweis fehlt, dass sich die Vereinbarung auf die „angestellten oder beamteten“ Ärzte des Krankenhauses mit Liquidationsrecht erstreckt (Az. 13 S 123/15). Nun liegt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19.04.2018, Az. III ZR 255/17) vor, die die praktischen Konsequenzen der Entscheidung des LG Stuttgart erheblich relativiert und unter Umständen nachträglich zu Mehreinnahmen für Chefärzte und Krankenhäuser führen kann.

Hintergrund

Über die eingangs erwähnte Entscheidung des LG Stuttgart wurde im RWF seinerzeit ausführlich berichtet (RWF Nr. 11/2016). Sie hatte zur Folge, dass viele Chefärzte und Krankenhäuser auf Honorarforderungen verzichtet haben bzw. Kostenträger – unter Berufung auf die Entscheidung – die Erstattung wahlärztlicher Honorare ablehnten.

Die aktuelle Entscheidung des BGH

Der BGH hatte in seinem Urteil vom 19.04.2018 eine Wahlleistungsvereinbarung zu beurteilen, in der der Zusatz fehlte, dass sich die Vereinbarung auf die „angestellten oder beamteten“ Ärzte des Krankenhauses erstreckt (Zitat):

„Die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.“ Und weiter: „Bei der Inanspruchnahme der Wahlleistungen ‚ärztliche Leistung‘ kann die Wahl nicht auf einzelne Ärzte des Krankenhauses beschränkt werden (§ 17 Krankenhausentgeltgesetz, KHEntgG). Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistung erstreckt sich auf alle an der Behandlungen des Patienten beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen [...] berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.“

Nach Auffassung des BGH ist eine Klausel, wonach sich die Wahlleistungsvereinbarung auf alle an der Behandlung beteiligten liquidationsberechtigen „Ärzte des Krankenhauses“ erstreckt, dahingehend auszulegen, dass nur solche Ärzte erfasst werden, die in einem (festen) Anstellungs- oder Beamtenverhältnis zum Krankenhausträger stehen, wobei Honorar-, Beleg-, oder Konsiliarärzte nicht darunter fallen. Somit seien hier wahlärztliche Leistungen wirksam vereinbart worden, auch wenn die Klausel den Zusatz „angestellte oder beamtete“ nicht enthält, da auch der Patient erkennen könne, dass nur solche Ärzte gemeint sind.

In den Entscheidungsgründen des Urteils wird vonseiten des BGH allerdings auch klar gestellt, dass damit keine Korrektur der Rechtsauffassung des LG Stuttgart in seinem Urteil vom 04.05.2016 verbunden ist, da die Klausel bei der Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen, über die das LG Stuttgart zu befinden hatte, noch wesentlich weiter vom Inhalt des KHEntgG abwich. Sie erstreckte sich pauschal auf alle an der Behandlung beteiligten Ärzte, während die im Verfahren des BGH streitgegenständliche Klausel gerade einschränkend voraussetzt, dass die wahlärztlichen Leistungen von liquidationsberechtigten „Ärzten des Krankenhauses“ erbracht werden. „Ärzte des Krankenhauses“ können nach Auffassung des BGH nur dort angestellte oder beamtete Ärzte sein.

Praktische Konsequenzen

Zunächst bleibt es auch nach der Entscheidung des BGH bei der Empfehlung, die in dem o. g. Beitrag des Autors im RWF Nr. 11/2016 abgegeben wurde, Vereinbarungen über wahlärztliche Leistungen um den Zusatz zu ergänzen, dass diese sich auf die „angestellten oder beamteten Ärzten des Krankenhauses“ mit Liquidationsrecht erstrecken.

Das Urteil des BGH eröffnet jetzt nichtsdestotrotz die Möglichkeit, zu prüfen, ob wahlärztliche Honorarforderungen, die von Chefärzten oder Krankenhäusern bislang wegen der Entscheidung des LG Stuttgart vom 04.05.2016 nicht geltend gemacht oder nicht weiter verfolgt worden sind, nachträglich noch durchgesetzt werden können – sofern diese Forderungen nicht verjährt sind. Bei dieser Prüfung ist u. a. Folgendes zu beachten:

  • Die Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen des jeweiligen Krankenhauses, bei der der Zusatz „Angestellte oder Beamtete“ damals gefehlt hat, sollte einen Mindestinhalt haben, der den Klauseln, über die der BGH am 19.04.2018 zu befinden hatte, möglichst nahekommt.
  • Die jeweilige Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses sollte auch keine weiteren Mängel enthalten, die ebenfalls zur Unwirksamkeit der Vereinbarung insgesamt führen könnten.
  • Im Rahmen der 2016 oder später mit Patienten oder Kostenträgern geführten Korrespondenz sollte auf die jeweilige Honorarforderung nicht verzichtet worden sein. Es darf auch kein Vergleich über die Forderung geschlossen worden sein.
  • Die wahlärztliche Honorarforderung, die jetzt noch geltend gemacht werden soll, darf nicht verjährt sein. Für Rechnungen die im Jahre 2015 erteilt worden sind, endet die Verjährungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2018. Prüfen Sie trotzdem, ob sich bei Honorarforderungen aus dem Jahr 2014 mit Aussicht auf Erfolg noch etwas unternehmen lässt.

Weiterführende Hinweise