Neues zur sachgrundlosen Befristung: Was MVZs bei der Nachbesetzung beachten müssen

von RA Benedikt Büchling, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine Rechtsprechung zur Befristung von Arbeitsverträgen geändert: Demnach darf ein Arbeitsverhältnis auch dann nicht ohne Sachgrund befristet werden, wenn die Vorbeschäftigung acht Jahre zurückliegt (Urteil vom 23.01.2019, Az. 7 AZR 733/16). Die Folgen sollten auch bei vertragsarztrechtlichen Nachbesetzungsverfahren beachtet werden.

Sachverhalt und Entscheidung

Ein Arbeitnehmer klagte, weil der Arbeitgeber ihn ohne Sachgrund befristet eingestellt und die Vertragslaufzeit mehrfach verlängert hatte – zuletzt bis August 2015. Schon acht Jahre zuvor war er bei demselben Arbeitgeber tätig gewesen – ebenfalls mit sachgrundlos befristetem Arbeitsvertrag. Mit seiner Klage wollte der Arbeitnehmer erreichen, dass sein Arbeitsverhältnis im August 2015 nicht geendet habe. Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers – allerdings, ohne die Vorgaben zur Vorbeschäftigung allgemein zu konkretisieren.

BVerfG-Rechtsprechung strahlt aus

Arbeitsverhältnisse dürfen ohne Grund nur befristet werden, wenn eine Vorbeschäftigung des Mitarbeiters

  • sehr lange zurückliegt,
  • ganz anders geartet war oder
  • von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Bisher ging das BAG davon aus, dass Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, diese Anforderungen erfüllen. Nachdem aber das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die sog. „Kettenbefristung“ von Arbeitsverträgen für verfassungswidrig erklärt hat (Urteil v. 06.05.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14), hat auch das BAG seine Rechtsauffassung geändert.

Rechtsunsicherheit bleibt teilweise

Das Urteil erschwert die sachgrund-lose Befristung von Arbeitsverträgen auch für Radiologen. Es besteht weiterhin eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil das BAG von einer exakten Begrenzung der Vorbeschäftigung in absoluten Zahlen abgesehen hat. Eine Alternative zur sachgrundlosen Befristung ist die Befristung mit sachlichem Grund, die allerdings in zweierlei Hinsicht problematisch ist: Erstens trägt der Arbeitgeber im Fall einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung (sog. „Befristungskontrollklage“) die Beweislast für das Vorliegen eines Sachgrunds. Zweitens gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet geschlossen, falls das Gericht feststellt, dass kein Sachgrund besteht.

Praxistipp

Grundsätzlich ist die sachgrundlose Befristung vorzuziehen. War der Mitarbeiter schon zuvor in der Praxis beschäftigt, kommt es – mangels klarer Regelung – auf den Einzelfall an. Es gelten strenge Maßstäbe, wie das Urteil zeigt.

 

Merke

Das arbeitsrechtliche Befristungsrecht ist auch im Rahmen von vertragsarztrechtlichen Nachbesetzungsverfahren im Blick zu behalten. Denn laut BSG-Rechtsprechung muss der auf seine Zulassung gemäß § 103 Abs. 4a S. 3 SGB V verzichtende Arzt im MVZ mindestens drei Jahre angestellt sein. Vor Ablauf dieser Dreijahresfrist sei ein Nachbesetzungsrecht des MVZ nur gegeben, wenn nach den Umständen davon ausgegangen werden könne, dass der ursprünglich zugelassene Arzt zumindest drei Jahre in dem MVZ tätig sein wollte. Vor diesem Hintergrund verbleibt für die arbeitsvertragliche Umsetzung die Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), denn die sachgrundlose Befristung ist nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nur für zwei Jahre zulässig. Mit dem künftig ausscheidenden Vertragsarzt bietet sich der Abschluss eines sachgrundbefristeten Arbeitsvertrags über drei Jahre unter Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 TzBfG an.