Neue Bedarfsplanung: Viele Ermächtigungen sind gefährdet

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-­Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Seit dem 1. Januar 2013 ist die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie in Kraft. Nun zeichnet sich ab, dass aufgrund der neuen Zuschnitte der Planungsbereiche für viele Arztgruppen bestehende Ermächtigungen gefährdet sind – so auch bei Radiologen, ­Nuklearmedizinern und Strahlentherapeuten. Zudem dürfte es schwieriger werden, neue Ermächtigungen zu erlangen. 

Ermächtigung wird abhängig vom Versorgungsbedarf erteilt

Ärzte, die in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag besteht, oder die in einer stationären Pflegeeinrichtung tätig sind, können mit Zustimmung des Trägers vom Zulassungsausschuss zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der vorbenannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird. So steht es in § 116 SGB V. 

Aus der einschränkenden Ergänzung „soweit und solange (...)“ ergibt sich der sogenannte „Vorrang der Niedergelassenen“: Auf die Interessen der bereits niedergelassenen Vertragsärzte, die in demselben räumlichen Bereich wie der um eine Ermächtigung nachsuchende Krankenhausarzt bereits eine Position am Markt der Leistungs­erbringer innehaben, ist Rücksicht zu nehmen. Ermächtigungen kommen daher nur insoweit in Betracht, als die niedergelassenen Ärzte keine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung gewährleisten können (u.a. BSG-Urteil vom 9.4.2008, Az. B 6 KA 40/07 R), es bedarf also einer Versorgungslücke bzw. eines Versorgungs­bedarfs. 

Der Versorgungsbedarf ist auf Basis objektiver Kriterien festzustellen. Es kommt darauf an, ob die vertragsärztliche Versorgung durch die zugelassenen Vertragsärzte ausreichend und zweckmäßig ist und ob das Leistungsangebot der Vertragsärzte den Anforderungen genügt. Die Prüfung kann sich auf quantitativ-allgemeine wie qualitativ-spezielle Aspekte erstrecken. 

  • Ein quantitativ-allgemeiner Bedarf liegt vor, wenn in einem Planungsbereich in einer Arztgruppe zu wenige niedergelassene Ärzte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken.
  • Ein qualitativ-spezieller Bedarf setzt voraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsleistungen anbietet, die von den niedergelassenen Ärzten im Planungsbereich nicht bzw. nicht in erforderlichem Umfang erbracht werden.

Die Feststellung des Versorgungsbedarfs erfolgt somit grundsätzlich für den konkreten Planungsbereich. Von dieser Begrenzung auf den Planungsbereich kann nach der bisherigen Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden – etwa dann, wenn nur wenige Ärzte eine hochspezialisierte Leistung vorhalten und eine planungsbereichsübergreifende Inanspruchnahme daher üblich ist. 

Neue Planungsbereiche für viele Arztgruppen

Da der für Ermächtigungen notwendige Versorgungsbedarf somit regelmäßig auf Basis des jeweiligen Planungsbereichs festzulegen ist, wirkt sich eine Veränderung der Planungsbereiche unmittelbar auf Ermächtigungen aus. 

Die neue Bedarfsplanung sieht als Grundstruktur der Bedarfsplanung vier Versorgungsebenen vor, welche für die Zuordnung der Arztgruppen, den Zuschnitt der Planungsbereiche und dementsprechend für die Versorgungsgradfeststellung maßgeblich sind. Die Versorgung mit Hausärzten soll möglichst lokal erfolgen, während die Fachärzte mit zunehmendem Spezialisierungsgrad über deutlich größere Einzugsgebiete und damit Planungsbereiche beplant werden. Konkret stellt sich dies für die Arztgruppen wie folgt dar: 

Versorgungsebenen

Hausärztliche Versorgung:

Ärzte dieses Versorgungs­bereichs werden im Mittel­bereich beplant.

Allgemeine fachärztliche

Versorgung: Ärzte dieses Versorgungsbereichs werden wie bislang im Kreis bzw. in der kreisfreien Stadt beplant.

Spezialisierte fachärztliche Versorgung:

Ärzte dieses Versorgungsbereichs – dazu zählen auch Radiologen – werden in der Raumordnungsregion beplant.

Gesonderte fachärztliche Versorgung:

Ärzte dieses Versorgungsbereichs – dazu zählen auch Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten – werden im KV-Bezirk beplant.

 

Während sich die Situation für ermächtigte Ärzte der zweiten Gruppe (allgemeine fachärztliche Versorgung) somit nicht verändern dürfte, werden ermächtigte Ärzte, die der spezialisierten fachärztlichen oder der gesonderten fachärztlichen Versorgung – also auch Radiologen, Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten – zuzuordnen sind, mit nachhaltigen Veränderungen rechnen müssen. 

Reaktionen durch KVen und ­Zulassungsgremien stehen aus

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die im Rahmen von Ermächtigungsverfahren eingebunden sind und üblicherweise großen Einfluss auf die Ermittlung des Versorgungsbedarfs nehmen, haben sich – soweit ersichtlich – bislang noch nicht positioniert, wie mit den veränderten Vorgaben der Bedarfsplanung in Bezug auf Ermächtigungen umgegangen werden soll. Im Bereich der KV Westfalen-Lippe werden Ermächtigungen, deren Befristung abläuft, derzeit nicht wie üblich für zwei Jahre verlängert, sondern nur für einen kürzeren Zeitraum. In den entsprechenden Verfahren verweist die KVWL auf die neue Bedarfsplanung, aufgrund derer eine abschließende Feststellung des Versorgungsbedarfs nicht bis zum Ablauf der Ermächtigung ermittelt werden könne. Die Zulassungsgremien verlängern demgemäß die Ermächtigungen derzeit nur mit verkürzter Laufzeit. 

Ein Blick in die Glaskugel

Wie aber soll für Ermächtigungen im Bereich der spezialisierten fachärztlichen Versorgung bzw. der gesonderten fachärztlichen Versorgung die Feststellung eines Versorgungsbedarfs zukünftig erfolgen? Mit welchen tatsächlichen Auswirkungen ist zu rechnen? Dazu einige Thesen: 

  • Mit Blick auf Sinn und Zweck der (neuen) Bedarfsplanung ist vorstellbar, dass abhängig vom Spezialisierungsgrad der angebotenen Ermächtigungsleistungen der Versorgungsbedarf in kleineren bzw. größeren Radien ermittelt wird. Diese sich aufdrängende Lösung, die dem Vernehmen nach in einigen KVen diskutiert wird, birgt freilich aufgrund des fehlenden Bewertungsmaßstabs das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen.
  • Das Verfahren vor den Zulassungsgremien wird länger dauern als bislang, da in den größeren Planungsbereichen nun im Rahmen der Bedarfsermittlung mehrere Leistungsanbieter involviert werden müssen. Unter Umständen müssen auch – anders als bisher – mehrere Bezirksstellen der KVen eine Stellungnahme abgeben.
  • Der Kreis der niedergelassenen Vertragsärzte, die sich gegen eine Ermächtigung zur Wehr setzen können, wird erweitert. Es ist nicht auszuschließen, dass Chefärzte, die bislang in Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten in der näheren Umgebung ermächtigt wurden, zukünftig von (bislang externen) Vertragsärzten in Auseinandersetzungen verwickelt werden. Dies ist besonders kritisch, da ein etwaiger Dritt­widerspruch gegen eine Ermächtigung rechtlich unmittelbar dazu führt, dass bis auf Weiteres keine Ermächtigungsleistungen mehr erbracht werden können.

Fazit

Die neue Bedarfsplanung wirft ihre Schatten voraus. Gerade ermächtigte Chefärzte, die der spezialisierten fachärztlichen Versorgung bzw. der gesonderten fachärztlichen Versorgung angehören, sollten die anstehenden Entwicklungen genau beobachten. Präventiv ist anzuraten, den Versorgungsbedarf im Rahmen einer Ermächtigung zu „dokumentieren“, indem die Fallzahlen gesteigert bzw. auf hohem Niveau gehalten werden. Ergänzend kann eine Abstimmung mit den niedergelassenen Kollegen sinnvoll sein. Je nach Fallgestaltung kann gegebenenfalls auch eine Teilzulassung bzw. eine MVZ-Tätigkeit eine Option sein.