Nachfolge in der BAG: So bringen Sie Ihren Gesellschaftsvertrag auf den neuesten Stand

von RA, FA für Medizinrecht R. J. Gläser, Hammer & Partner, Bremen, hammerundpartner.de

Bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ergeben sich bei der Weitergabe der Praxis an einen Nachfolger immer wieder Probleme, weil die Regeln dazu im Gesellschaftsvertrag nicht sachgemäß sind bzw. nicht angepasst wurden. Ein guter Gesellschaftsvertrag ist aber wie ein Maßanzug: Er sollte auf die individuellen Praxisbelange zugeschnitten sein. Wenn sich diese oder der gesetzliche Rahmen ändern, muss er angepasst werden. Dies sollte „in guten Zeiten“ geschehen. Im Konfliktfall ist ansonsten ein Rechtsstreit vorprogrammiert.

Nachfolge in BAG leichter als bei Einzelpraxis 

Partnern einer „Gemeinschaftspraxis“ fällt es in der Regel leichter, einen jungen Kollegen als Nachfolger für einen ausscheidenden Partner zu gewinnen, als die Nachfolge einer Einzelpraxis zu regeln. Die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis liegen auf der Hand: Die Kosten verteilen sich auf mehrere Köpfe (ohne in gleichem Umfang zu steigen), da die Ressourcen (Räumlichkeiten, Inventar und Personal) intensiver genutzt werden können. Außerdem ist die Vertretung bei Urlaubs- oder Krankheitszeiten gewährleistet, es können „Schichten-Modelle“ umgesetzt und die Tätigkeit an etwaige familiäre Belange angepasst werden.

Trotzdem fällt die Suche nach einem Nachfolger auch in einer Gemeinschaftspraxis manchmal schwer. Dies gilt insbesondere für Praxen in ländlichen Bereichen oder solche mit einer ungünstigen Altersstruktur der Gesellschafter – wenn zum Beispiel zu erwarten ist, dass diese sukzessive alle innerhalb von wenigen Jahren ihre ärztliche Tätigkeit aufgeben werden.

Praxishinweis

Ist ein potenziell ausstiegsbereiter Vertragspartner uneinsichtig, die Praxis für einen Nachfolger „aufzuhübschen“ und sich an Investitionen zu beteiligen, die ihm nicht mehr unmittelbar zugutekommen, gilt es klarzumachen: Die notwendigen Investitionen liegen auch im Interesse des Ausscheidenden. Oft findet sich nur so ein Nachfolger, der in die Gesellschafterstellung eintritt.

 

Goodwill sollte vom Nachfolger ausgeglichen werden 

Angesichts früherer Zulassungssperren wurde oft geregelt, dass der ausscheidende Vertragspartner nicht nur für seinen Anteil am materiellen Anlagevermögen (Inventar), sondern auch für seinen Goodwill-Anteil einen Ausgleich vom verbleibenden Vertragspartner erhält. Dies konnte sinnvoll sein, um dem oder den verbleibenden Kollegen die Nachfolgerauswahl mit Kaufpreisverhandlungen zu überlassen, ohne dass sich der ausscheidende Partner einmischen konnte. De facto haben seinerzeit meistens auch die Zulassungsausschüsse mitgespielt, die laut § 103 Abs. 4 Sozialgesetzbuch V u. a. bei der Auswahl des Nachfolgers die „wirtschaftlichen Interessen“ der verbleibenden Partner zu berücksichtigen hatten.

Derartige Vertragsvereinbarungen sind heute nicht mehr zeitgemäß. Es ist vielmehr von Übernahmeregelungen abzuraten, die eine Abfindung des ausscheidenden Vertragspartners durch den verbleibenden Vertragspartner für den Goodwill vorsehen. Ein Ausgleich lässt sich nämlich nur durch Aufnahme eines Nachfolgers realisieren.

Der verbleibende Vertragspartner hat ohne Nachfolger für den bisherigen Partner sowieso schon die Last der Praxisfortführung. Es wäre völlig unangemessen, einem ausscheidenden Vertragspartner einen Goodwill-Ausgleichsanspruch gegenüber dem verbleibenden Vertragspartner zuzusprechen, wenn sich kein Nachfolger findet oder keine Nachbesetzung durch einen angestellten Arzt erfolgt.

Praxishinweis

Es gilt: ohne Nachfolger kein (zusätzliches) Budget und ohne Budget kein Goodwill-Ausgleichsanspruch. Ein Ausgleich lässt sich nur bei Aufnahme eines Nachfolgers realisieren – dieser bezahlt die Goodwill-Abfindung.

 

Gesellschaftsanteil/Vertragsarztsitz an Nachfolger übergeben 

Die Nachfolgeregelungen sollten vorsehen, dass der Gesellschaftsanteil und Vertragsarztsitz nicht von dem verbleibenden Vertragspartner übernommen werden, sondern von einem Nachfolger. Da eine Nachfolge in der Gesellschafterstellung durch einen Dritten im Interesse sowohl des abgebenden als auch des oder der verbleibenden Praxispartner liegt, kommt es hierbei in der Regel nicht zu wirklichen Problemen.

Falls doch, steht es dem ausscheidenden Gesellschafter frei, sich „um die Ecke“ niederzulassen. In diesem Fall wird der Goodwill „mitgenommen“. Soweit das gemeinschaftlich genutzte Inventar in der Praxis verbleibt, besteht diesbezüglich ein Abfindungsanspruch.

Sonderregelung für den Todesfall 

Wenn ein Praxispartner verstirbt, sieht die Interessenlage naturgemäß anders aus. Die Erben sind oft damit überfordert, einen Nachfolger für den Gesellschaftsanteil des verstorbenen Partners zu suchen. Auch der verbleibende Praxispartner wird nicht immer in der Lage sein, kurzfristig einen Kollegen als Nachfolger für den verstorbenen Praxispartner zu gewinnen. Möglicherweise hat er hieran auch kein Interesse.

Nachfolgeregelungen, die eine zwingende Übernahme des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Vertragspartners vorsehen, helfen in diesem Fall zwar den Erben. Findet sich jedoch kein externer Nachfolger, kann dies den Ruin des verbleibenden Praxispartners bedeuten.

Praxishinweis

Für den Todesfall der Praxispartner bietet sich folgende Lösung an, die wirtschaftliche Belastungen für den verbleibenden Vertragspartner vermeidet und das Abfindungsinteresse der Erben sicherstellt: Die beiden (oder ggf. mehrere) Praxispartner verpflichten sich, in Höhe des geschätzten Wertes des jeweiligen Gesellschaftsanteils eine Risiko-Lebensversicherung abzuschließen, und zwar

  • jeweils im eigenen Namen
  • auf den Tod des Praxispartners
  • mit ausschließlicher Bezugsberechtigung des jeweils anderen Praxispartners.

 

Der Bezugsberechtigte zahlt die Prämien. Ihm fließt die Lebensversicherungssumme (steuerfrei) zu. Damit wiederum können die Erben ausbezahlt werden. Der volle Gesellschaftsanteil (materiell und ideell) des verstorbenen Praxispartners geht auf den verbleibenden Partner über. Es muss nicht zwingend ein Nachfolger in der Gesellschafterstellung gefunden werden.

Sonderregelung für Berufsunfähigkeit 

Berufsunfähigkeitsfolgen sind meistens nur unzureichend und mit hohen Versicherungsbeiträgen abzusichern. Deshalb besteht ein besonderes Absicherungsbedürfnis bezüglich des Abfindungsanspruchs eines ausscheidenden Kollegen, was die Auszahlung seines Gesellschaftsanteils auch am ideellen Gesellschaftsvermögen (Goodwill) betrifft. Hier wird die Realisierung des Goodwill-Wertes nur möglich sein, wenn für den berufsunfähigen Kollegen ein Nachfolger in der Gesellschafterstellung oder ein angestellter Vertragsarzt gewonnen werden kann. Findet sich keiner, haben letztlich beide Praxispartner „Pech gehabt“:

  • Der eine muss die Praxis mit allen fortlaufenden Kosten allein weiterführen.
  • Der andere bleibt auf die Einkünfte seiner Berufsunfähigkeitsversicherung beschränkt und kann nicht mehr als einen Ausgleichsanspruch für seinen Anteil am materiellen Anlagevermögen der Praxis erwarten.

Bis sich der „gute Ruf“ des ausgeschiedenen Kollegen verflüchtigt, vergeht geraume Zeit. Deshalb ist es angemessen, bei dem grundsätzlichen Ausschluss eines Goodwill-Ausgleichsanspruchs gegenüber dem verbleibenden Partner für den Fall eine Abfindung an den berufsunfähigen Kollegen vorzusehen, dass innerhalb eines Jahres ein Nachfolger einsteigt oder ein Arzt angestellt wird (z. B. durch Quotierungen). Insofern kommt der vom berufsunfähigen Kollegen erarbeitete Goodwill dem verbleibenden Partner noch zugute, sodass er dafür auch zahlen soll.

Praxishinweis

Von Standardverträgen „aus der Schublade“ und erst recht von selbstgestrickten „Copy-and-Paste-Verträgen“ aus dem Internet ist abzuraten. Wichtig ist vor allem, das richtige Problembewusstsein zu entwickeln. Dabei hilft eine individuelle rechtliche Beratung.

 

Weiterführende Hinweise