„Mit dem Weiterbildungscurriculum und der Raducation-Plattform bieten wir Orientierung!“

Dr. Isabel Molwitz ist im vierten Weiterbildungsjahr Assistenzärztin an der Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Sie ist Vorsitzende des Forums Junge Radiologie in der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und leitet dort die Taskforce Weiterbildung, die gemeinsam mit weiteren Radiologiegesellschaften das Weiterbildungscurriculum Radiologie erstellt hat. Dieses Curriculum dient der Strukturierung der Weiterbildung und Vorbereitung auf die Facharztprüfung. Im Mai 2022 stellte die Taskforce zudem mit Raducation eine digitale Lernplattform auf dem Deutschen Röntgenkongress (Röko) vor. Ursula Katthöfer (textwiese.com) fragte Dr. Molwitz nach den Wünschen und Perspektiven der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. 

Redaktion: Warum war die Zeit reif für ein Weiterbildungscurriculum Radiologie?

Dr. Isabel Molwitz: Ein Hauptproblem der Weiterbildung war, dass jede und jeder einzelne sich erneut überlegen musste, was für die Facharztprüfung wichtig ist. Zwei Weiterbildungsumfragen, die das Forum Junge Radiologie 2018 und 2020 durchführte, ergaben als einen der Hauptwünsche der Kolleginnen und Kollegen eine strukturierte Weiterbildung. Daher war es uns ein wichtiges Anliegen, in einem Weiterbildungscurriculum die Lernziele zusammenzustellen, mit denen man bereits während der Weiterbildung strukturiert lernen und sich auf die Facharztprüfung vorbereiten kann.

Redaktion: Reichten die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern nicht aus?

Dr. Isabel Molwitz: In ihren Weiterbildungsordnungen formulieren die Kammern Mindestanforderungen zu den Weiterbildungsinhalten und geben die Dauer der Weiterbildung sowie Richtzahlen vor. Das Weiterbildungscurriculum ist den Weiterbildungsordnungen untergeordnet. Unser Ziel ist, den Assistenzärztinnen und Assistenzärzten, aber auch Studierenden und Prüfenden mit den Lernzielen ein konkretes Hilfsmittel zur radiologischen Weiterbildung an die Hand zu geben. So haben wir inhaltliche Angaben aus der Musterweiterbildungsordnung übernommen und das Curriculum – basierend auf dem European Training Curriculum for Radiology der European Society of Radiology – erstellt. Diese Lernziele haben wir entsprechend den Gegebenheiten der radiologischen Weiterbildung in Deutschland adaptiert.

Redaktion: Wie kann der radiologische Nachwuchs davon profitieren?

Dr. Isabel Molwitz: Das Weiterbildungscurriculum Radiologie bietet modulorientiert zu 21 Themenbereichen wie Herz und Gefäße-, Thorax- oder muskuloskelettale Radiologie einen Überblick über relevante Lernziele. Hinzu kommen Querschnittsmodule wie Notfallradiologie und Soft Skill Module wie Kommunikation und interdisziplinäre Zusammenarbeit oder wissenschaftliches Arbeiten und Lehren. Mit Hilfe jedes Moduls können sowohl theoretische als auch praktische Lernziele und somit Kompetenzen erlernt werden.

Redaktion: Wie ergänzt die Lernplattform Raducation das Weiterbildungscurriculum?

Dr. Isabel Molwitz: Während das Weiterbildungscurriculum Radiologie einen Überblick über relevante Lernziele bietet, dient Raducation dem eigentlichen Lernen. Auf Raducation haben wir für die überwiegende Zahl der Lernziele digital verfügbare Lerninhalte verlinkt. Das können digitale Buchkapitel, Podcasts oder Vorlesungen wie z. B. die „Fit für den Facharzt“-Kurse auf conrad, der Plattform der DRG, sein. Wer mit Raducation lernt, kann sich die den Lernzielen des Weiterbildungscurriculums zugeordneten Inhalte nach verschiedenen Schwierigkeitsniveaus filtern lassen, um fit für die ersten eigenen Dienste zu werden, für die Facharztprüfung zu lernen oder Spezialwissen entsprechend eigener oder standortspezifischer Schwerpunkte zu vertiefen. Außerdem ist es auf Raducation möglich, einen persönlichen Lernplan zu erstellen, bereits gelernte Inhalte zu markieren und so den eigenen Lernfortschritt zu messen.

Redaktion: Die Autoren des Curriculums begrüßen ausdrücklich die Erstellung radiologischer Lehrveranstaltungen auf Basis des Curriculums. Welche Veranstaltungen würden Sie sich wünschen?

Dr. Isabel Molwitz: Je nach Lernziel gibt es nicht immer den perfekten digital verfügbaren Lerninhalt. So fehlt bei komplexen Lernzielen oftmals ein Format, das alle Inhalte umfassend abdeckt. Für speziellere Lernziele bedarf es wiederum sehr spezifischer Lerninhalte. Darüber hinaus ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die verlinkten Lerninhalte für die Kolleginnen und Kollegen möglichst kostenfrei verfügbar sind. Daher möchten wir im nächsten Schritt eigene Lerninhalte entwickeln und daran interessierte Referentinnen und Referenten ganz herzlich einladen, uns beispielsweise mit fokussierten Vorträgen zu einzelnen Lernzielen zu unterstützen. Auch Podcasts für Inhalte, für die keine Bildbeispiele notwendig sind, sind denkbar.

Redaktion: Welche Rückmeldungen haben Sie bisher zum Curriculum und zu Raducation erhalten?

Dr. Isabel Molwitz: Das erste Feedback zu Raducation war äußerst positiv. Dies betraf sowohl das Konzept als auch die grafische Gestaltung der Seite, die ein ebenfalls im Forum Junge Radiologie aktiver Kollege verantwortet hat.

Auch das Curriculum kommt sehr gut an. Die einzige geäußerte Sorge bestand darin, dass Prüferinnen und Prüfer die Gesamtheit der Lernziele als Voraussetzung für die Facharztprüfung betrachten könnten. Dies darf, wie in der Präambel ausdrücklich notiert, nicht der Fall sein. Das Weiterbildungscurriculum dient vielmehr der Orientierung und auch Wissensvertiefung.

Redaktion: An der ärztlichen Weiterbildung sind viele Personen beteiligt. Wie wichtig ist Ihnen ein gutes, persönliches Zusammenspiel?

Dr. Isabel Molwitz: Das ist eine grundlegende Voraussetzung. Vor allem die Zusammenarbeit von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten auf der einen und supervisierenden Kolleginnen und Kollegen auf der anderen Seite ist ein wichtiger Aspekt. Einen Befund gemeinsam zu besprechen, ist essentiell, um erfolgreich zu lernen.

Redaktion: Kommen wir zur Forschung. Angesichts des Fachkräftemangels müssen Radiologen in Weiterbildung häufig in Diensten einspringen. Ist für Forschung ausreichend Raum?

Dr. Isabel Molwitz: Sicherlich hat die Arbeitsverdichtung auch aufgrund teleradiologischer Versorgung standortabhängig zugenommen. Gerade für größere prospektive Studien, multizentrische oder experimentelle Arbeiten und die Leitung eigener Projekte ist es entsprechend relevant, auch jungen Kolleginnen und Kollegen Freiräume einzuräumen und Forschungsfreistellungen zu ermöglichen. Da hängt viel von den verfügbaren Drittmitteln ab.

Redaktion: Was wünschen sich junge Radiologen von ihren Chefärzten für Klinik und Forschung?

Dr. Isabel Molwitz: Uns ist wichtig, dass die Stimmen der jungen Generation gehört und ernst genommen werden. Wir möchten in die Gestaltungsprozesse unserer Abteilungen eingebunden werden. In Hinsicht auf die Forschung ist es gerade für neue Kolleginnen und Kollegen hilfreich, frühzeitig in strukturierte Arbeitsgruppen und Projekte eingebunden zu werden, um die Methodik für spätere eigene Projekte und Drittmitteleinwerbung zu erlernen. Strukturen, Motivation und Einbindung – das sind wichtige Säulen.

Redaktion: Brauchen junge Radiologen Vorbilder?

Dr. Isabel Molwitz: Vorbilder, an denen wir uns orientieren können, und Mentoring sind essentiell. Jemanden zu haben, an den man sich im Vertrauen wenden und von dem man lernen kann, ist wichtig. Gerade für junge Frauen sind auch weibliche Vorbilder inspirierend.

Redaktion: In einem Mission Statement schreiben Sie, dass Forschung und Ehrenamt den klinischen Alltag bereichern. Wo gibt es noch viel zu tun?

Dr. Isabel Molwitz: Wir können gerade in der Radiologie noch mehr an der Flexibilisierung der Arbeitszeiten arbeiten. Ebenso wie die stärkere Berücksichtigung von Care-Arbeit innerhalb der Familie trüge dies dazu bei, die Chancengleichheit sicherzustellen.

Jungen Leuten durch Forschungsfreistellung einige Monate Zeit zu geben, eigene Projekte zu entwickeln und strukturierte Austauschmöglichkeiten für Klinik und Forschung im In- und Ausland zu schaffen, böten ebenfalls spannende Entwicklungsmöglichkeiten.

Redaktion: Was treibt Sie persönlich als junge Ärztin an, sich so stark zu engagieren?

Dr. Isabel Molwitz: Die Forschung empfinde ich als bereichernd, weil man mit dem Erkenntnisgewinn mehr Menschen als jeweils nur einem einzelnen Patienten oder einer einzelnen Patientin zur Zeit helfen kann. Außerdem sind Forschungsmethodik und neue bildgebende Techniken sehr spannend und es ist in der Forschung möglich, schon frühzeitig eigene Projekte zu planen und durchzuführen.

Ehrenamtlich engagiere ich mich, weil ich schon im Studium die Überzeugung gewonnen habe, dass wir für uns und die Generation nach uns tatsächlich etwas bewegen können. Letztlich macht es einfach viel Spaß, mit anderen motivierten Kolleginnen und Kollegen aus dem Forum Junge Radiologie unsere Weiterbildung und Zukunft gemeinsam zu gestalten!

Weiterführende Hinweise