„Mit dem mobilen CT beim Oktoberfest konnten wir den Rettungsdienst entlasten!“

Ein mobiles CT auf einem Volksfest. Das hat es weltweit bisher nicht gegeben, auch nicht beim Münchner Oktoberfest. Doch nach der zweijährigen Coronapause wurde im vergangenen Jahr einiges anders. So entschied die Ärztliche Leitung des Rettungsdienstes München und München-Land zusammen mit der Stadtspitze, ein mobiles CT auf dem Oktoberfest einzusetzen. Dr. med. Wilhelm H. Flatz, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Radiologie des Klinikums der Universität München, betreute das Projekt. Ursula Katthöfer () fragte ihn, ob mobile CTs bei Volksfesten Zukunft haben.

Redaktion: Welchen Zweck sollte das mobile CT auf der „Wiesn“ erfüllen?

Dr. Flatz: Ziel war, mit dem Einsatz des mobilen Hightech-CTs auf dem größten Volksfest der Welt die Rettungsdienste und Notaufnahmen der Stadt München zu entlasten. Das Oktoberfest wird jährlich von etwa sechs Millionen Menschen besucht. Währenddessen gibt es ein deutlich höheres Patientenaufkommen für die Notaufnahmen und die Rettungsdienste. Kombiniert mit der in 2022 besonders ausgeprägten Überlastung durch die Pandemie und Personalausfälle mindert dieses erhöhte Patientenaufkommen die Ressourcen im Rettungssystem. Die Herausforderung war absehbar.

Redaktion: Konnten Sie Ihr Ziel erreichen?

Dr. Flatz: Es ist mehr als gelungen, die medizinischen Ziele zu erreichen. Es war in allen Fällen möglich, nach der CT auf der Wiesn über die passenden Therapieoptionen zu entscheiden. Die Patienten wurden entweder innerhalb kürzester Zeit in ein Krankenhaus gebracht oder konnten vor Ort ausgenüchtert entlassen werden. Wenn Verletzungen auf dem Oktoberfest rasch und präzise diagnostiziert und Patienten schnell versorgt werden, dann erhält der Münchner Bürger weiterhin die Möglichkeit, bei einem Notfall adäquat versorgt zu werden.

Redaktion: Wie viele Patienten wurden untersucht und was wurde vornehmlich diagnostiziert?

Dr. Flatz: Eine äußere Verletzung wie eine Kopfplatzwunde wird vom Untersucher sofort erkannt. Aber eine lebensbedrohliche Gehirnblutung sieht man nur mit dem CT. Insgesamt hatten wir 205 Patienten im CT, um Gehirnblutungen oder Verletzungen an der Halswirbelsäule auszuschließen.

Redaktion: Während des Oktoberfests entsteht ein ganzes „Wiesn-Krankenhaus“ inklusive zwei OPs und Schockraum. Wie unterscheiden sich die Abläufe zwischen Radiologie und Notfallmedizin vom stationären Krankenhaus?

Dr. Flatz: Auch in einem Notfallsystem im Krankenhaus arbeiten Radiologen sehr eng mit anderen Disziplinen wie der Chirurgie zusammen, die Versorgung ist immer eine Teamleistung. Das Besondere am Oktoberfest ist die Atmosphäre. Wie in einer Stadt gibt es für die sechs Millionen Besucher ein Rathaus und einen im Volksmund „Behördenhof“ genannten Ort auf der Theresienwiese. Dort sind Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste und der erweiterte Sanitätsbereich, in dem auch kleinere chirurgische Eingriffe vorgenommen werden, angesiedelt. Und das CT mittendrin. Alle sind wie eine große Familie.

Redaktion: Wie wurden die CT-Untersuchungen abgerechnet und wie aufwendig war die Bürokratie?

Dr. Flatz: Die Kosten für den Betrieb wurden von der Stadt München getragen. Ein mobiles CT aufzubauen, geht sehr schnell. Die Formalien brauchen etwas länger. Sie zu erfüllen und die Arbeitsabläufe aus der Klinik auf ein Notfallsystem auf dem Oktoberfest zu übertragen, war schon herausfordernd. Aber die formalen Regularien ließen sich innerhalb kurzer Zeit erfüllen. Und sobald wir den Workflow angepasst hatten, war er für die Profis nicht mehr ungewöhnlich.

Redaktion: Die Weihnachtsmärkte sind vorbei. Es folgen Karneval, große Sportveranstaltungen und viele weitere Volksfeste. Ab welcher Größe lohnt sich der Aufbau eines mobilen CTs?

Dr. Flatz: In der Notfallmedizin gilt der Grundsatz, dass jede Sekunde zählt. Je früher man Verletzungen oder Unfälle diagnostiziert, desto schneller kann man über eine patientenzentrierte Therapie entscheiden. Aus medizinischer Sicht ist es immer sinnvoll, zeitnah eine Diagnostik durchzuführen. Das müssten die jeweiligen Veranstalter diskutieren und darüber beraten, wer die Kosten trägt.

Redaktion: Wäre das auch ein Modell für radiologische Großpraxen?

Dr. Flatz: Radiologische Praxen müssen nach wirtschaftlichen Kriterien haushalten. Ob ein mobiles CT sich wirtschaftlich betreiben lässt, hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich noch nicht beantworten. Die Notfallbehandlung präklinisch wie klinisch ist zwar essenziell für die Sicherheit der Bürger, häufig allerdings alleine nicht kostendeckend.

Redaktion: Werden Sie die Leistung beim Oktoberfest 2023 – so es denn stattfindet – wieder anbieten?

Dr. Flatz: Wir werten gerade die Daten des ersten Einsatzes exakt aus. Nach aktuellem Sachstand lief alles großartig, aus medizinischer Sicht erscheint der Einsatz sinnvoll, der Bürger erhielt auch zum Oktoberfest eine zuverlässige Notfallversorgung. Wir würden nur sehr wenig anders machen, uns aber etwas mehr Planungszeit wünschen. Ja, wir würden das mobile CT wieder anbieten.