Kritische Klauseln vermeiden: Regelungen zum Arbeitsort

von RA und FA für Arbeits- und MedR Dr. Tilman Clausen, Hannover, www.armedis.de 

Verträge von Chefärzten sind seit einiger Zeit in der Diskussion. Dabei geht es oft um Bonusregelungen. Es gibt aber weit mehr Passagen, auf die der Chefarzt ein Auge werfen sollte – das gilt nicht nur für neue Verträge, sondern auch für bestehende. In einer neuen Beitragsserie seziert das RWF in loser Folge problematische Klauseln in Chefarzt-Verträgen und gibt Hinweise, was Sie als Chefarzt akzeptieren können und wo Sie intervenieren sollten. Teil 1 befasst sich mit dem Arbeitsort des Chefarztes.

Problemklausel: Der Arbeitsort bei Klinikverbünden 

Nachfolgend wird eine Original-Passage aus einem Chefarzt-Vertrag zitiert, die den Arbeitsort des Chefarztes bei Klinikverbünden/-ketten betrifft.

Der Arbeitsort (Auszug aus einem Chefarzt-Vertrag)

„Vorrangiger Arbeitsort des Chefarztes ist das Krankenhaus in X. Er ist unabhängig davon damit einverstanden, bei Bedarf – seiner fachlichen Qualifikation entsprechend und unter Berücksichtigung seiner berechtigten Interessen – an einem anderen Standort des Krankenhausverbundes eingesetzt zu werden.

Die Geschäftsführung plant für die Zukunft die Einrichtung von zentralen medizinischen Arbeitsgruppen, sodass die Fachärzte nicht mehr ausschließlich einem bestimmten Krankenhaus innerhalb unseres Verbundes zuzuordnen sind und somit im gesamten Unternehmen flexibel eingesetzt werden können. Die Geschäftsführung behält sich vor, den Chefarzt seiner fachärztlichen Qualifikation entsprechend einer solchen Arbeitsgruppe zuzuordnen und ihn in der Folge bei Bedarf unternehmensweit einzusetzen.

Änderungen des Arbeitsortes, die nicht nur vorübergehenden Charakter haben, werden dem Chefarzt mit einer angemessenen Vorlaufzeit angekündigt. Bedarf für einen unternehmensweiten Einsatz besteht insbesondere dann, wenn er der Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses dient.“

 

Die Zulässigkeit der Klausel 

Die obige Klausel ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass viele Krankenhäuser damit begonnen haben, aus Kostengründen Chefärzten die Zuständigkeit für mehrere Häuser eines Verbundes zu erteilen bzw. fachrichtungsübergreifende Kompetenzteams aufzubauen, in denen Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten. Verfügt das Krankenhaus über mehrere Standorte, setzt dies die Bereitschaft dieser Ärzte voraus, nicht nur an einem Standort tätig zu werden.

Der Krankenhausträger hat das Recht, die Arbeitsbedingungen bereits durch den Arbeitsvertrag (Chefarzt-Vertrag) zu bestimmen. Eine Klausel, die das Einsatzgebiet des Chefarztes unter bestimmten, dort formulierten Bedingungen auf mehrere Krankenhäuser eines Verbundes ausweitet, muss man grundsätzlich als zulässig ansehen. Der Klinikträger kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen allerdings auch außerhalb des Chefarzt-Vertrags im Rahmen seines sogenannten „Direktionsrechts“ bestimmen. Die Grenzen liegen dort, wo Weisungen des Krankenhausträgers als unbillig angesehen werden müssen – was im Streitfall durch die Arbeitsgerichte festgestellt werden müsste.

Die Risiken der Klausel 

Die vorliegende Klausel birgt erhebliche Risiken. Dies beginnt mit dem Katalog der Dienstaufgaben, die dem Chefarzt bislang üblicherweise im Rahmen eines Chefarzt-Vertrags für eine bestimmte Abteilung oder Klinik übertragen werden. Wenn er daneben für weitere Standorte des Klinikverbundes zuständig oder im Rahmen des Verbundes in eine fachrichtungsübergreifende Patientenbehandlung eingebunden wird, übernimmt er in erheblichem Umfang zusätzliche Aufgaben. Die Frage, welche Auswirkungen dies auf seine bereits bestehenden Pflichten im Rahmen der ihm übertragenen Dienstaufgaben hat, regeln weder die vorgestellte Klausel noch weiteren Abschnitte des Chefarzt-Vertrags.

Chefärzten, die ihre Dienstaufgaben aufgrund der Vielzahl der übertragenen Pflichten nicht mehr ausreichend erfüllen können, drohen sowohl Haftungsrisiken als auch Risiken von Seiten des Krankenhausträgers als Arbeitgeber.

Auswirkung auf die Erbringung ärztlicher Wahlleistungen 

Die Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch den Chefarzt, unabhängig davon, ob nun das Liquidationsrecht eingeräumt wurde oder er nur eine Beteiligungsvergütung erhält, setzt im Kern eine persönliche Leistungserbringung durch ihn voraus. Wenn der Chefarzt an mehreren Standorten eines Krankenhausverbundes tätig ist, ist dies zumindest in operativen Fächern ein Problem, da der Chefarzt nicht überall gleichzeitig sein kann.

Bei Radiologen ist zwar bei Befundungen die persönliche Präsenz nicht unbedingt erforderlich, wenn diese über Teleradiologie erbracht werden können – bei invasiven Eingriffen hingegen ist natürlich auch seine Präsenz erforderlich. Für solche Fälle aber enthält die obige Klausel keine adäquate Regelung.

Lösungsmöglichkeiten 

Die Vereinbarung der hier vorgestellten Klausel kann Chefärzten in dieser Form nicht empfohlen werden. Wenn Klinikträger auf einen flexiblen Einsatz des Chefarztes in den einzelnen Häusern seines Verbunds drängen, sollte dieser darauf hinwirken, dass die hier vorgestellte Klausel oder eine ähnliche Regelung inhaltlich wie folgt ergänzt wird:

  • Der Chefarzt, der sich zu einem standortübergreifenden Einsatz in einem Krankenhausverbund verpflichtet, benötigt entweder personelle Unterstützung, um seine Dienstaufgaben in der Abteilung oder Klinik, für die er orginär zuständig ist, weiterhin in vollem Umfang wahrnehmen zu können – oder aber diese Dienstaufgaben werden auf mehrere Ärzte verteilt.
  • Nachdem die Erbringung wahlärztlicher Leistungen an mehreren Standorten zur gleichen Zeit faktisch nicht möglich ist, muss eine Regelung gefunden werden, die es dem Chefarzt ermöglicht, den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung beachten zu können. Man wird hier den Kreis der Wahlärzte ausweiten müssen. (Dabei sollte der Chefarzt auf die Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen achten.)

Eine Änderung bzw. Ergänzung der Klausel liegt nicht nur im Interesse des Chefarztes, sondern auch des Krankenhausträgers.