Krankenkasse muss vollstationäre Radiojodtherapie bei Schilddrüsenvergrößerung zahlen

von RA, FA für MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de

Krankenkassen sind verpflichtet, die Behandlungskosten für eine vollstationär erbrachte Radiojodtherapie bei Struma nodosa zu begleichen. Denn diese medizinisch notwendige Therapie darf strahlenschutzrechtlich nur stationär erbracht werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.11.2015, Az. B 1 KR 18/15 R).

Der Fall 

Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus behandelte die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin mit einer Radiojodtherapie vollstationär im Jahr 2012 wegen einer mehrknotigen Schilddrüsenvergrößerung Grad II-III. Die Kasse verweigerte die Bezahlung mit der Behauptung, dass die stationäre Unterbringung nicht medizinisch indiziert gewesen sei, sondern allein auf Strahlenschutzvorschriften beruhe. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründeten keine Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung.

Das BSG bestätigte demgegenüber den Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der stationären Behandlungskosten.

Entscheidungsgründe 

Die stationäre Behandlung der Versicherten war nach § 39 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch V erforderlich und wirtschaftlich, da alternativlos.

Maßgebend für die Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung sind die medizinischen Erfordernisse im Einzelfall. Diese sind gegeben, wenn eine medizinisch notwendige Versorgung aus Gründen der Rechtsordnung nur stationär erbracht werden darf. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung darf die rechtlichen Strukturvorgaben nicht außer Acht lassen. Die ambulante Durchführung der Radiojodtherapie ist strahlenschutzrechtlich nicht zulässig. Eine rechtlich verbotene Behandlung kann aber nicht Teil des GKV-Leistungskatalogs sein.

Das Krankenhaus besaß außerdem die für die stationäre Behandlung erforderliche Genehmigung zum Umgang mit radioaktiven Stoffen.

Strahlenschutz-Vorgaben 

Bei der Radiojodtherapie nehmen die Patienten radioaktiv angereichertes Jod zu sich. Dieses wird im menschlichen Körper in den Schilddrüsenzellen gespeichert, was eine gezielte Strahlentherapie von innen ermöglicht. Die Patienten und ihre Ausscheidungen strahlen allerdings radioaktiv eine gewisse Zeit lang.

Die strahlenschutzrechtlichen Vorgaben nach der Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ sind hier deshalb nur gewährleistet, wenn die Therapie unter stationären Bedingungen auf einer Station durchgeführt wird, die auf die Notwendigkeiten des Strahlenschutzes ausgelegt ist (u. a. baulicher Strahlenschutz, Abwasserschutzanlage, eingewiesenes Personal).

Die Entlassung eines Patienten aus stationärer Behandlung nach der Behandlung mit offenen radioaktiven Stoffen ist gemäß Ziffer 9.1 der Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ nur möglich, wenn der Patient nach der Applikation mindestens 48 Stunden stationär aufgenommen gewesen ist.

Exkurs: Infektionsschutzgesetz 

Vergleichbar ist dies mit bestimmten Fällen des Infektionsschutzes. Auch hier erfolgt die Aufnahme des infizierten Patienten in das Krankenhaus aus gesetzlichen Gründen (Quarantäne, vgl. § 30 Abs. 1 i. V. m. § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Infektionsschutzgesetz).