Krankenhaus Rating Report 2011: Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

von Dr. Boris Augurzky, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen

Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hatte sich 2009 gegenüber 2008 verbessert. Dies ist eines der Ergebnisse des jüngst veröffentlichten „Krankenhaus Rating Report 2011“, der auf Daten aus 1.035 Krankenhäusern beruht. Es zeigt sich aber auch, dass für 12Prozent der Krankenhäuser Insolvenzgefahr besteht (sogenannter „roter Bereich“), während 75 Prozent aller Häuser wirtschaftlich solide aufgestellt sind („grüner Bereich“). Der Report trifft auch Aussagen zu den zu erwartenden künftigen Entwicklungen.

Wirtschaftliche Situation von Krankenhäusern

Auffällig sind die erheblichen regionalen Schwankungen. In Rheinland-Pfalz/Saarland, Sachsen-Anhalt/Thüringen und in Sachsen ist die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser 2009 am besten, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Im Mittelfeld befinden sich Schleswig-Holstein/Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern/Bran­denburg/Berlin. Am schwierigsten scheint die Lage in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen/Bremen und Bayern zu sein.

Die Gründe der Unterschiede sind sehr komplex und können im Rahmen dieses Reports nicht im Detail untersucht werden. Offensichtlich ist aber, dass in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte mehr und kleinere Krankenhäuser vorgehalten werden als in Gebieten mit hoher Dichte. Unklar ist aber, weshalb zum Beispiel in Bayern mit ähnlicher Bevölkerungsdichte wie Niedersachsen/Bremen 15Prozent mehr Krankenhäuser je Einwohner benötigt werden und rund 40 Prozent mehr als in den neuen Bundesländern.

Kleine Krankenhäuser schneiden signifikant schlechter ab als große, wobei kleine Häuser mit einer hohen Konzentration ihres Leistungsportfolios, also Spezialkliniken, ein besseres Rating aufweisen als andere kleine Häuser.

Zwar erhöhten sich die Mittel aus der Investitionsförderung nach dem Krankenhausfinanzierungs­gesetz (=KHG-Mittel) 2009 erstmals spürbar um 6,5 Prozent auf 2,85 Mrd. Euro –und trugen somit einen kleinen Teil dazu bei, dass der Prozentsatz der sich im „roten Bereich“ befindlichen Häuser von 16Prozent in 2008 auf 12 Prozent in 2009 zurückging. Damit dürfte aber der Trend schrumpfender Mittel nicht durchbrochen sein.

Trägerschaften im Vergleich

Öffentlich-rechtliche Krankenhäuser schneiden signifikant schlechter ab als private oder freigemeinnützige. 2009 lagen 21 Prozent der kommunalen Häuser im roten Bereich, während es bei freigemeinnützigen 10 Prozent und bei privaten 4Prozent waren. Die Ausnahme sind ostdeutsche kommunale Kliniken, die genauso gut abschneiden wie nicht-kommunale. Insgesamt ist eine bemerkenswerte Heterogenität bei kommunalen Kliniken festzustellen.

Erstmals wurden Unterschiede innerhalb freigemeinnütziger Krankenhäuser untersucht. Es zeigt sich, dass

  • 19 Prozent aller Krankenhäuser in katholischer,
  • 11 Prozent in evangelischer und
  • 8 Prozent in sonstiger freigemeinnütziger Trägerschaft sind.

Die wirtschaftliche Lage fällt bei katholischen Trägern überdurchschnittlich gut und signifikant besser als bei evangelischen Krankenhäusern aus.

Ausblick: Ohne Gegenmaßnahmen dürfte sich die Situation der Krankenhäuser ab 2011 wieder verschlechtern. Langfristig muss davon ausgegangen werden, dass die Kosten stärker steigen als die Erlöse. Ohne Produktivitätsfortschritte würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Bereich bis 2020 auf 22 Prozent steigen. Bei einem jährlichen Produktivitätsfortschritt von 0,25 Prozent (= 0,25 Prozent weniger Kosten pro Jahr, um den gleichen Umsatz zu erzielen) könnte sich die Lage langfristig etwas stabilisieren. Aber auch dann dürften nicht alle Krankenhäuser überleben. Von einem Ausfall besonders betroffen wären

  • kleine, manche ländliche Häuser,
  • solche mit einem bislang hohen Basisfallwert und
  • öffentlich-rechtliche, vor allem in Teilen Bayerns, in Baden-Württem­berg, in Südhessen und in Teilen Niedersachsens.

Bettenzahl und Verweildauern

2009 blieben die Zahl der Betten sowie die Zahl der Krankenhäuser praktisch unverändert bei rund 503.000 bzw. 2.084. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten sank 2009 auf acht Tage. Die Bettenauslastung stieg leicht auf 77,5 Prozent. Bis 2020 nehmen wir einen weiteren Rückgang der Verweildauer auf rund sechs Tage an.

Inanspruchnahmen von Häusern und Kosten

Die Zahl stationärer Fälle nahm von 2005 bis 2009 um 7,7 Prozent zu. Die Ausgaben für Krankenhäuser wuchsen in diesem Zeitraum um 15 Prozent auf 71 Mrd. Euro. Damit fiel das Wachstum geringer aus als bei Arztpraxen (22 Prozent) oder in der ambulanten und stationären Pflege (20 Prozent). Es zeigt sich, dass das Erlöswachstum der Krankenhäuser in diesem Zeitraum zu 43 Prozent auf eine wachsende Zahl der Fälle, zu 36 Prozent auf einen steigenden Schweregrad der Fälle (sogenannter CMI = Casemix-Index) und zu 21 Prozent auf steigende Preise (Basisfallwerte) zurückzuführen ist.

Bei der Krankenhausinanspruchnahme zeigen sich gewaltige innerdeutsche Unterschiede. Sie reichen von 14 Prozent weniger Fälle je Einwohner als der Durchschnitt in Baden-Württemberg bis zu 12Prozent darüber in Thüringen. Die Krankenhauskosten je Einwohner fallen 2009 mit 717 Euro je Einwohner in Baden-Württemberg am niedrigsten und mit 988 Euro im Saarland am höchsten aus. Diese Zahlen sind schon bereinigt um eine unterschiedliche Zusammensetzung der Bevölkerung nach Alter und Geschlecht.

Personal: Entwicklungen von 2005 bis 2009

Beim Personal sind folgende Entwicklungen zwischen 2005 und 2009 zu beobachten:

  • Der Personalkostenanteil der Krankenhäuser war weiter rückläufig. 2005 betrug er 64 Prozent, 2009 noch 60 Prozent der Gesamtkosten.
  • Die Zahl der Pflegekräfte (hochgerechnet auf Vollkräfte) stieg von 302.000 im Jahr 2005 auf 304.000 im Jahr 2009.
  • Im ärztlichen Dienst nahm die Zahl der Vollkräfte von 122.000 auf 131.000 zu.
  • Die Kosten je Vollkraft im ärztlichen Dienst stiegen um 16 Prozent, in den nicht-ärztlichen Diensten um 5 bis 8 Prozent.

Ausblick: Die Löhne für ärztliches Personal dürften auch in den nächsten Jahren weiterhin stärker steigen als für nicht-ärztliches Personal. Unter Berücksichtigung der erwarteten Veränderungen bei Fallzahlen und Personalmenge würden die Personalkosten von 2009 bis 2020 um 44 Prozent bzw. um 3,4 Prozent pro Jahr wachsen, die Sachkosten um 26 Prozent bzw. 2,1 Prozent pro Jahr und die gesamten Kosten um 37 Prozent. Bis 2020 rechnen wir aber nur mit 33 Prozent höheren Gesamterlösen.

Anzahl von Krankenhausträgern

Die Zahl der Krankenhausträger reduzierte sich zwischen 1995 und 2007 um 19 Prozent von 1.583 auf 1.280. In ländlichen Regionen liegt ein signifikant höherer Konzentrationsgrad vor als in Ballungszentren und städtisch geprägten Regionen.

Fazit und Ausblick

Die geodemografische Entwicklung wird dazu führen, dass vor allem strukturschwache ländliche Räume neben der Alterung ihrer Bevölkerung spürbare Bevölkerungseinbußen erleiden werden. Die derzeitige Krankenhausinfrastruktur kann daher in manchen Gebieten nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Schließungen sind zu erwarten, insbesondere von ländlichen Grundversorgern, die deutlich gefährdeter sind als ländliche und städtische Spezialisten oder Großversorger.

Um das Gesundheitswesen langfristig finanzierbar zu halten, bedarf es einer Marktbereinigung. Allerdings werden sich betroffene Krankenhäuser und Kommunen sehr lautstark gegen jede Strukturveränderung wehren. Auch die Landespolitik kann hier kaum mit positiven Wählerstimmen rechnen und wird sich zurückhalten.

Ein weiteres Problem sind die regional unterschiedlichen Krankenhausinanspruchnahmen. Hier gilt es, die „Ausreißer nach oben“ zu identifizieren, die Ursachen dafür zu ergründen und Maßnahmen einzuleiten, um die Inanspruchnahme nachhaltig zu reduzieren.