Kostenrechnung in der Radiologie-Praxis: Was bringt sie und wie wird sie eingeführt?

von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl,stephan@hs-kehl.de

Geschäftsführende Ärzte bzw. das Management einer radiologischen Praxis oder eines MVZ benötigen einen transparenten und sauberen Überblick über die Leistungen der Praxis und die Kostensituation. Zu diesem Zweck ist die betriebswirtschaftliche „Kosten- und Leistungsrechnung“ (kurz: Kostenrechnung) geeignet, die sich in vielen Punkten von den steuerlichen Berechnungen unterscheidet und die Kosten innerhalb der Praxis den einzelnen Leistungen bzw. Produkten möglichst verursachungsgerecht zuordnet. Kostenstrukturen und Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung können auf diese Weise offengelegt werden.

Wer führt eine Kostenrechnung ein?

Für die Einführung einer Kostenrechnung kommt zunächst der zuständige Steuerberater infrage, der über ein entsprechendes betriebswirtschaftliches Wissen verfügen und auch die Unterschiede zwischen Steuerrecht und Kostenrechnung kennen sollte. Steuerliche Sachverhalte stellen sich oft anders als in der Kostenrechnung dar.

Denkbar wäre auch, dass ein betriebswirtschaftlicher Berater oder Spezialist die Kostenrechnung einführt und ggf. das notwendige Know-how an einen Mitarbeiter der Praxis weitergibt. Dieser könnte dann die Kosten- und Leistungsrechnung (evtl. nach anfänglicher Betreuung) weiter fortführen.

Einführung einer Kostenrechnung in drei Schritten

Die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung erfolgt in drei Schritten, die aufeinander aufbauen. Als Basis fungiert die

  • Kostenartenrechnung, auf die die
  • Kostenstellenrechnung folgt, die ihrerseits eine
  • Kostenträgerrechnung ermöglicht.

1. Schritt: Kostenartenrechnung

Der erste Schritt zur Einführung einer Kostenrechnung besteht im Aufbau der Kostenartenrechnung. Dabei werden die verschiedenen Kosten eines Jahres gesammelt und systematisiert.

Zu den Kosten zählen die Personalkosten des ärztlichen und nichtärztlichen Personals. Auch die Personalnebenkosten sowie evtl. Fortbildungskosten sind anzusetzen. Details zu den Miet-, Energie-, Reinigungskosten, den Kosten für Medikamente und Infusionen sowie für Kleidung, für Versicherungen und Kommunikation sind i. d. R. in der Buchführung verfügbar. Zudem sind Abschreibungen und Zinsen zu berücksichtigen.

2. Schritt: Kostenstellenrechnung

Kostenstellen sind Orte der Kostenentstehung. Die Ergebnisse bilden die Grundlage der daran anschließenden Kostenträgerrechnung. Deshalb sind mehrere Kostenstellen nach den Wünschen der geschäftsführenden Ärzte bzw. des Praxismanagements zu etablieren. Es könnten beispielsweise folgende Kostenstellen gebildet werden:

  • Empfang
  • Verwaltung
  • Röntgen
  • CT
  • MRT
  • Untersuchungen unter Einsatz von Kontrastmitteln
  • Ultraschall
  • Arzt 1, Arzt 2, Arzt 3 etc.

Die Anzahl der Kostenstellen ist vom Informationsbedarf des leitenden Arztes bzw. des Praxismanagements abhängig. Es gibt keine Einschränkungen bei der Anzahl der möglichen Kostenstellen. So wäre beispielsweise nur eine Kostenstelle „bildgebende Verfahren“ denkbar, wenn man ausschließlich an den Gesamtkosten „bildgebender Verfahren“ interessiert wäre. Sind jedoch die Kosten jedes bildgebenden Verfahrens von Interesse, dann sollten jeweils eigene Kostenstellen für diese drei Verfahren eingerichtet werden.

Merke

Beachten Sie bei der Wahl der Anzahl der Kostenstellen den Grundsatz: Je mehr Kostenstellen etabliert werden, desto höher ist der Aufwand in der Kostenrechnung.

 

Die in der Kostenartenrechnung erfassten Kosten sind jetzt auf die Kostenstellen zu verteilen, i. d. R. durch sogenannte Schlüssel (also indirekt). Die Personalkosten können zumeist direkt verteilt werden, da bekannt ist, wer in welcher Kostenstelle arbeitet. So dient z. B. die Raumgröße in Quadratmetern als Schlüssel für die Raumkosten/Miete. Im Anschluss ist die jeweilige Summe pro Kostenstelle zu bilden.

3. Schritt: Kostenträgerrechnung

Im Rahmen der Kostenträgerrechnung erfolgt die Ermittlung der sogenannten Stückkosten, also z. B. der Kosten pro

  • Röntgenuntersuchung,
  • CT,
  • MRT.

Die Ergebnisse der Kostenstellenrechnung werden dazu durch die Anzahl der erbrachten Leistungen dividiert. Voraussetzung ist eine genaue Ermittlung der Leistungen je Kostenstelle.

Ein Ziel der Kostenrechnung könnte z. B. sein, die Kosten pro Arbeitsstunde eines Arztes zu ermitteln. Diese Berechnung würde wiederum auch die Darstellung der Kosten pro Patientenkontakt ermöglichen.

Beispiel

Ein Patient wird vom Arzt untersucht (Dauer: 10 Min.), dann werden zwei Röntgenbilder angefertigt (Kosten sind der Kostenstelle Röntgen zu entnehmen), im Anschluss erfolgt noch eine ärztliche Beratung (Dauer: 10 Min.). Die Kosten für diesen „Prozess“ liefert die Kostenträgerrechnung.

 

Mit den so gewonnen Daten können beispielsweise die entsprechenden Vergütungen nach GOÄ/EBM mit den Kosten der Kostenstellen verglichen werden. Somit ist es möglich, defizitäre Bereiche zu identifizieren und den jeweiligen Kostendeckungsgrad jeder Kostenstelle zu errechnen und darzustellen. Der Kostendeckungsgrad ist das Verhältnis der Einnahmen zu den Kosten in Prozent.

Die Ermittlung und Darstellung der Auslastung jeder Kostenstelle werden ebenfalls möglich. So können Unterauslastungen und evtl. Leerläufe erkannt werden.

Auswertung der Kostenrechnung

Es ist ständig zu prüfen, welche Nutzungs-/Einsatzmöglichkeiten es für die Kostenrechnung gibt, und welche Informationen die leitenden Ärzte bzw. das Praxismanagement benötigen. I. d. R. sollte die Kostenrechnung empfängerorientiert aufgebaut sein, d. h., sie orientiert sich am Informationsbedarf des Managements. Verschiedene betriebswirtschaftliche Fragestellungen und Verantwortlichkeiten können so geklärt werden.

Wie entwickeln sich Kosten?

Die in den einzelnen Kostenstellen ermittelten Gesamtkosten geben den Ressourcenverbrauch für die von dieser Kostenstelle erbrachten Leistungen wieder. Somit ist eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung in jeder Kostenstelle möglich, z. B. durch einen Vergleich der geplanten mit den tatsächlichen Leistungen. Allerdings müssen die Kosten der Leistungen auch geplant sein.

 

Zudem sind mithilfe der Ergebnisse, die die Kosten- und Leistungsrechnung liefert, auch Zeitvergleiche zwischen verschiedenen Perioden möglich.

Wer ist verantwortlich?

Die Ernennung und Zuordnung von Kostenstellenverantwortlichen sind die Voraussetzungen für eine Wirtschaftlichkeitssteuerung. Diese Kostenstellenverantwortlichen sollen Optimierungspotenziale nutzen und Verbesserungsvorschläge umsetzen.

Fazit

Die aufgebaute Kostenrechnung liefert Kostentransparenz und ist damit Grundlage für Optimierungsmaßnahmen. Damit wird eine Wirtschaftlichkeitssteuerung möglich. Ein Vergleich mit den Kosten der Vorjahre zeigt Kostenentwicklungen auf. Zweckmäßig ist auch der Einsatz von Kostenstellenverantwortlichen, die für die Kosten in „ihrer“ Kostenstelle verantwortlich sind. Somit dient die Kostenrechnung als Baustein für das Controlling der Arztpraxis.

 

Weiterführender Hinweis