Kooperationen im Spannungsfeld zwischen Gewünschtem und rechtlich Zulässigem (Teil 1)

 von RA, FA für MedizinR Kristian Schwiegk LL.M, Köln

Die Zusammenarbeit zwischen Radiologen und niedergelassenen Kollegen anderer ärztlicher Fachgebiete oder zwischen Radiologen und stationären Leistungserbringern ist sowohl gängige Praxis als auch gesundheitspolitisch gewollt. Insbesondere die sektorenübergreifende Versorgung und zunehmende Ambulantisierung von medizinischer Leistungserbringung, aber auch der Fachkräftemangel lassen Kooperationen im Gesundheitswesen von einer Option zur Notwendigkeit werden. Spätestens bei Transaktionsprozessen oder der Neu-/Umgestaltung der Praxisstrukturen (z. B. Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums [MVZ] oder einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft [BAG]) sind die bestehenden Kooperationen unter rechtlicher Lupe auf den Prüfstand zu stellen.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Einer Vertragsgestaltung stets vorangehen sollte die Prüfung, welche rechtlichen Bestimmungen für die beabsichtigte Zusammenarbeit einschlägig und zu beachten sind. Hierbei sollte ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden. Je nach gegebener Konstellation sollte zudem erwogen werden, dass im Wege der praktischen Ausübung und ggf. Fortentwicklung der Kooperation weitere fachliche Bereiche, und daher oft auch neue (Teil-)Rechtsgebiete, erfasst werden.

Dabei ist neben den gesetzlichen Vorgaben wie z. B. der Berufsordnungen der jeweiligen Ärztekammer, des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) oder des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) auch die richterliche Fortentwicklung und Konkretisierung durch die Rechtsprechung zu beachten.

Beispiele aus der Radiologie

Das „Outsourcing“ radiologischer Leistungen von Krankenhäusern auf niedergelassene Radiologen kann, insbesondere im Wege der Abrechnung, zu Problemen führen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Vergütungsansprüche gegenüber Krankenkassen ausscheiden können, wenn es sich um wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses handelt (s. „Krankenhäuser dürfen wesentliche Leistungen ihres Versorgungsauftrags nicht outsourcen“, RWF Nr. 11/2022). Während dies bei radiologischen Leistungen, die als „unterstützend“ oder „ergänzend“ klassifiziert werden können, eher nicht anzunehmen ist, könnte dies bei spezielleren Leistungen wie z. B. der Interventionellen Radiologie anders zu bewerten sein.

Auch im Rahmen wahlärztlicher Behandlungen stellt sich die Vergütungsfrage – und zwar ebenfalls in der Konstellation der Leistungserbringung von niedergelassenen Radiologen für Krankenhäuser. Ist diese Tätigkeit in einem Kooperationsvertrag eingebettet, so ist zu prüfen, ob nach den Vorgaben der Rechtsprechung eine Erstreckung der Liquidationskette nach § 17 Abs. 3 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes auf die „externen“ Radiologen möglich ist.

Üben niedergelassene Radiologen ihren Beruf (auch) als selbstständige Kooperationspartner im Krankenhaus aus oder werden externe Fachkräfte (ärztlich/nichtärztlich) im Wege der Überlassung durch Kooperationspartner (z. B. „Honorararzt-Agenturen“) eingesetzt, stellt sich u. a. die Frage der Sozialversicherungspflicht bzw. Einhaltung der Vorgaben nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Stellt sich diese Form der Kooperation als nicht rechtskonform dar, drohen – aufgrund langer Verjährungsfristen – umfangreiche Ansprüche der Sozialversicherungsträger und Steuerbehörden, u. a. auf Nachzahlung zzgl. Straf- und Säumniszuschlägen.

Merke

Krankenhaus- und Praxisverantwortlichen, die im Wege der Kooperation mit (radiologischen) Fachkräften des Gegenübers bestimmte Strukturqualitätsvorgaben oder Zertifizierungs-Voraussetzungen (z. B. Stroke-Unit, Digitale Substraktionsangiografie) sicherzustellen beabsichtigen, ist zu besonderer Vorsicht zu raten. Verstößt die Kooperation gegen geltendes Recht, wie z. B. bei „Schein-Selbstständigkeit, steht die Nichtigkeit (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch) der gesamten Kooperation im Raum. Regressansprüche der Kostenträger sind bei einhergehendem Wegfall der Strukturqualitätsvorgaben oder Zertifizierung denkbar.

 

Vertragsgegenstand, Rechte und Pflichten

Die vorangehenden Ausführungen haben bereits angedeutet, wie vielfältig die heutigen Formen von radiologischen Kooperationen sein können. Entsprechend unterschiedlich ausgeprägt ist die Notwendigkeit, die Abreden mehr oder weniger umfassend vertraglich darzulegen.

Praxistipp

Generell empfiehlt es sich, die Hintergründe zu der Kooperation in einer Präambel oder Vorbemerkung darzulegen. Kommt es später zu Streitigkeiten (z. B. über zweideutige Formulierungen oder sich herausstellende Vertragslücken), können diese Informationen für die Auslegung der Klauseln herangezogen werden. Man spricht hierbei von der Ermittlung des Parteiwillens bei Vertragsschluss (d. h., die Vorstellungen, die die Vertragsschließenden gehabt haben).

 

Die weitere Darlegung der Kooperationsinhalte – und deren Regelungstiefe – ist der jeweiligen Konstellation anzupassen.

Praxistipp

Zur Vermeidung von Unklarheiten (und Konfliktpotenzialen) sollte dem Vertrag klar und unmissverständlich entnommen werden können, auf welche (Teil-)Bereiche der fachlichen Zusammenarbeit sich die Kooperation erstreckt und wie die Verantwortlichkeiten verteilt sind. Hierzu gehört auch die Festlegung, welche Leistungen von welchem Kooperationspartner und zu welchen weiteren Modalitäten erbracht werden sollen.

 

Datenschutz und Verschwiegenheitspflicht

Ein häufig nur rudimentär, teils gar nicht durch vertragliche Vereinbarungen unterlegter Bereich ist die Verantwortlichkeit der Kooperationspartner betreffend die Gesundheitsdaten der gemeinsamen Patienten. Im Wege der Erbringung von medizinischen Leistungen gegenüber den Patienten im Rahmen der Kooperation lässt sich die Weitergabe und Einsichtnahme von Gesundheitsdaten (der Patientendokumentation) nicht vermeiden bzw. wäre ein Verzicht hierauf ggf. aus arzthaftungsrechtlichen Erwägungen problembehaftet.

Im Hinblick auf die berufsrechtliche Pflicht der Radiologen zur Verschwiegenheit (vgl. § 9 Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte) und des – auch von den nichtärztlichen Beschäftigten zu beachtenden – Straftatbestands der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Strafgesetzbuch) sollte der

  • Weitergabe,
  • Einsichtnahme und
  • zwangsläufigen Be-/Verarbeitung

der Gesundheitsdaten der Patienten eine entsprechende Aufklärung vorangehen und auf die Erteilung einer Einwilligung hingewirkt werden.

Merke

Wird der Umgang mit Gesundheitsdaten der Patienten im Kooperationsvertrag nicht hinreichend geregelt und berufs- und datenschutzrechtliche Vorgaben auch in der praktischen Handhabung nicht ausreichend beachtet, drohen u. a. berufs-, datenschutz- und strafrechtliche Sanktionen.

 

Praxistipp

Praxisinhabern und Praxisverantwortlichen ist zu empfehlen, den Umgang mit den Gesundheitsdaten der Patienten ausdrücklich im Kooperationsvertrag zu reglementieren. Hierzu gehören u. a. die Verpflichtung sämtlicher Beschäftigter (sowie externe Dienstleister!) zur Verschwiegenheit sowie Vereinbarungen über die gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit und Wahrung der sog. Betroffenenrechte (u. a. Einsicht, Berichtung und ggf. Löschung von Daten).

Darüber hinaus sollten Patienten darüber aufgeklärt werden, dass ihre Gesundheitsdaten im Rahmen der Kooperation weitergegeben und verarbeitet werden. Aus Praktikabilitätsgründen können die bereits vorhandenen Vordrucke für die datenschutzrechtliche Aufklärung und Einwilligung entsprechend ergänzt/überarbeitet werden.

 

In Teil 2 dieses Beitrags werden wir auf zwei weitere zentrale Aspekte eines Kooperationsvertrags eingehen, nämlich auf Fragen zur Vergütung sowie zur Haftung.

Weiterführende Hinweise