Komplikationen nach Injektion durch MTRA: Wann drohen haftungsrechtliche Konsequenzen?

von RA Sören Kleinke, FA für Medizinrecht, und Ref. Manuel Baumeister, Kanzlei am Ärztehaus, Osnabrück, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Ein Radiologe bzw. Krankenhausradiologe darf eine Injektion an eine entsprechend qualifizierte MTRA delegieren. Daher kann dem Arzt nicht gleich ein Behandlungsfehler vorgeworfen werden, wenn die Injektion zu Komplikationen führt. Dies ist eine Essenz aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom 24. Juli 2008 (Az: 4U 1857/07). Weitere wichtige Aussage des OLG: Selbst wenn eine Aufklärung des Patienten zu den Risiken versäumt wurde und sich das Risiko des Heil­eingriffs verwirklicht, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Haftung des Arztes.

Fall: Radiologin delegierte Injektion an MTRA

Zur Vorbereitung eines Schilddrüsen-Szintigramms wurde einer Patientin eine Technetium-Lösung in die Vene der rechten Ellenbeuge injiziert. Die Injektion hatte die Radiologin an die leitende MTRA delegiert.

Als Folge der von der MTRA durchgeführten Injektion hat die Patientin – so behauptet sie – einen schweren Körperschaden in Form einer Nervenläsion und eines Karpaltunnelsyndroms davongetragen. Es liege ein Behandlungsfehler vor, der sich bereits aus einer unzulässigen Delegation auf nichtärztliches Personal ergebe. Außerdem beanstandet die Patientin, sie sei über die Risiken des Eingriffs nicht aufgeklärt worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie die Injektion abgelehnt. Sie klagte gegen die Radiologin und verlangte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000Euro.

OLG: Delegation der Injektion an MTRA ist zulässig

Mit ihrer Klage scheiterte die Patientin sowohl erstinstanzlich als auch vor dem OLG Dresden. Nach Auffassung des OLG verfügen MTRA über ausreichende Fähigkeiten, eine Technetium-Injektion unter ärztlicher Überwachung durchzuführen. Zwar stelle eine derartige Injektion mit dem schwach radioaktiven Technetium einen Eingriff in die körperliche Integrität der Patientin dar, der zum Verantwortungsbereich des Arztes gehöre. Jedoch sei diese Tätigkeit nicht derart schwierig und gefährlich, dass sie zwingend ein Arzt ausführen müsste. Die Risiken dieser Injektion seien mit denen einer Blutentnahme vergleichbar, die Ärzte ebenfalls üblicherweise auf fachliches Hilfspersonal übertragen.

Überwachung muss gewähr­leistet sein

Die Richter des OLG wiesen darauf hin, dass eine MTRA während des Eingriffs regelmäßig durch einen Radiologen überwacht werden müsse. Dies sah das Gericht dadurch als gewährleistet an, dass die Radiologin die MTRA während der Injektion durch eine Glasscheibe beobachten und jederzeit einschreiten konnte.

Außerdem war die MTRA angewiesen, die Radiologin bei Zwischenfällen jeder Art umgehend hinzuzuziehen. Aus der Delegation allein ergebe sich also kein Behandlungsfehler mit Haftungsfolge, auch wenn es dabei zu Komplikationen kommt.

Nervenirritationen können auch bei größter Sorgfalt vorkommen

Auch die als Folge der Injektion bei der Patientin aufgetretene Irritation des Nervus medianus bewertete das Gericht nicht als Behandlungsfehler. Derartige Nervenirritationen seien auch bei größter Sorgfalt nicht auszuschließen. Die MTRA habe die Vene getroffen und das Technetium habe ordnungsgemäß den Weg in die Blutzirkulation gefunden.

Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht hätte für die Radiologin nur gelten können, wenn die MTRA die Injektion trotz von der Patientin geäußerter starker Schmerzen fortgesetzt hätte. Diese Frage ließ das Gericht jedoch offen, da die Patientin ihre Behauptung nicht beweisen konnte, noch während der Injektion über starke Schmerzen geklagt zu haben.

Unterlassene Risikoaufklärung führte nicht zur Haftung

Die Richter des OLG sahen auch nicht die Voraussetzungen als erfüllt an, der Patientin Schmerzensgeld wegen unterlassener Risikoaufklärung zuzusprechen. Zwar läge in der Regel ein Fall der Arzthaftung vor, wenn sich bei der Behandlung ein Risiko verwirklicht, über welches der Arzt die erforderliche und mögliche Aufklärung unterlassen hat. So hätte die Radiologin hier die Patientin über das Risiko einer Nervenirritation bis hin zu einer Nervenläsion aufklären müssen. Trotz dieser unterlassenen Aufklärung treffe sie aber keine Haftung, da sie das Gericht davon überzeugen konnte, dass die Patientin der Injektion auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung zugestimmt hätte.

Dies habe die Patientin nicht entkräften können. Sie sei nach eigener Aussage sowohl von ihrer Hausärztin als auch von einem weiteren Arzt eindringlich auf die Gefahr eines bösartigen Tumors hingewiesen worden. Dies habe ihr Angst gemacht und sie zum Aufsuchen der Radiologin veranlasst. Gegenüber dieser Tumor-Gefahr seien die Risiken der zum Zwecke der Tumordiagnose durchgeführten Injektion gering.

Praxistipps: Überwachung sichern und über Risiken aufklären

Um eine hinreichende Überwachung bei Verabreichung der Injektion durch die MTRA zu gewährleisten, sollte der verantwortliche Arzt die MTRA anweisen, ihn bei jeglichen Zwischenfällen hinzuzuziehen. Der Arzt sollte unbedingt während der Durchführung in der Abteilung anwesend sein. Sind der MTRA in der Vergangenheit Fehler bei der Injektion unterlaufen, verschärft sich die Überwachungspflicht des Arztes. Erscheint eine weitere Delegation an die MTRA nicht verantwortbar, sollte diese mit der Durchführung auch nicht mehr beauftragt werden, denn dies könnte bei weiteren Fehlern der MTRA als Behandlungsfehler des Arztes gesehen werden.

Obwohl in diesem Fall die unterlassene Aufklärung nicht zu einem Haftungsfall führte, sollte der Radiologe von der Praxis einer umfassenden mündlichen Aufklärung – die er sich zu Beweiszwecken schriftlich bestätigen lassen sollte– keinesfalls abrücken. Denn nur in Ausnahmefällen gehen die Gerichte davon aus, dass der Patient auch nach Aufklärung in den Heileingriff eingewilligt hätte und den Arzt daher keine Haftung trifft.