Keine Bereicherungsansprüche bei nichtiger „Stiftung“ eines Vertragsarztsitzes

von RA Benedikt Büchling und RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, kanzlei-am-aerztehaus.de

Ist der Vertrag zwischen einem Facharzt für Radiologie und einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) über die „Stiftung“ der vertragsärztlichen Zulassung nichtig, besteht kein Anspruch des Facharztes auf Wertersatz. Bei der vertragsärztlichen Zulassung handelt es sich nicht um eine vermögensrechtlich nutzbare Rechtsposition. Einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung steht entgegen, dass ein isolierter Handel mit Vertragsarztsitzen ohne Praxis unzulässig ist (Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, Urteil vom 22.04.2016, Az. 10 Sa 796/15 ).

Der aktuelle Fall 

Ein Radiologe vereinbarte mit einem MVZ die „Stiftung des Vertragsarztsitzes“. Danach sollte er seine freiberufliche Tätigkeit beenden, auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten des MVZ verzichten und vom MVZ angestellt werden. Er verschwieg jedoch, dass ihm zwischenzeitlich die Fachkunde für Strahlenschutz von der Bezirksregierung entzogen worden war.

Der Zulassungsausschuss ließ das MVZ zur vertragsärztlichen Erbringung radiologischer Leistungen erst zu, nachdem es zugesichert hatte, keine Leistungen des Radiologen abzurechnen. Das MVZ kündigte dem Arzt fristlos und focht den Stiftungsvertrag an. Daraufhin forderte der Radiologe von dem MVZ die Zahlung von 242.000 Euro Wertersatz für den übertragenen Vertragsarztsitz. Nach Ansicht des LAG Hamm stehen dem Radiologen aber keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu.

Die Entscheidung 

Die Zulassung als Vertragsarzt ist die Zuerkennung einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung durch Stellen staatlicher Verwaltung, der Zulassungs- und Berufungsausschüsse, sodass der Berechtigte über sie nicht verfügen kann. Der Verkauf einer Zulassung und ein isolierter Handel mit Vertragsarztsitzen ohne Praxis sind unzulässig.

Die Zuerkennung von Bereicherungsansprüchen wegen der Verschaffung vertragsärztlicher Zulassungen hätte zur Folge, dass selbst bei nichtigen Verträgen über den Verkauf von Vertragsarztsitzen Wertersatz geleistet werden müsse. Gerade die finanzielle Verwertung von vertragsärztlichen Zulassungen solle jedoch unterbunden werden. Alles andere widerspreche dem Schutzzweck der Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Sozialgesetzbuch (SGB) V.

Folgen für die Praxis 

In der Praxis ist es durchaus üblich, vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die auch eine (Mit-)Verwertung des Vertragsarztsitzes neben Regelungen zur Praxis beinhalten. Ein isoliertes Handeln mit einer Zulassung soll nach der Entscheidung des LAG Hamm jedoch unzulässig sein. Eine solch strenge Regelung wird insbesondere bei der Veräußerung von psychotherapeutischen Praxen bzw. „Praxishälften“ zum Balanceakt, der von Beraterseite zu meistern ist.

Nach § 103 Abs. 4a S 1 SGB V kann ein Vertragsarzt, der in einem gesperrten Gebiet niedergelassen ist, auf seine Zulassung verzichten, um in einem MVZ als angestellter Arzt tätig zu werden. Es besteht also ein Bedingungszusammenhang zwischen Zulassungsverzicht und künftiger angestellter Tätigkeit in einem konkreten MVZ. Der Zulassungsausschuss hat diese Anstellung zu genehmigen. Die Zulassung endet mit wirksamem Verzicht.

Erschwert wird diese Konstellation neuerdings durch das Urteil des BSG vom 04.05.2016 (Az. B 6 KA 21/15 R; RWF Nr. 6/2016 und Nr. 10/2016). Danach muss der zugunsten einer Anstellung im MVZ auf seine Zulassung verzichtende Vertragsarzt grundsätzlich drei Jahre im MVZ angestellt sein. Erst dann kann die Stelle durch einen Nachfolger im Wege einer Anstellungsgenehmigung neu besetzt werden.

Ungeklärt ist bisher, was mit der vertragsärztlichen Zulassung passiert, wenn der zugunsten einer Anstellung verzichtende Vertragsarzt vor Ablauf dieser drei Jahre berufsunfähig wird oder stirbt. Hier fehlt konkretisierende Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis. Es verbleibt somit eine nachhaltige Rechtsunsicherheit.