Kein Urlaubsverfall ohne Aufklärung

von RA, FA für MedizinR und Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann und Björn Bredehöft, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch freiwillig nicht genommen hat (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15). Die Entscheidung hat für alle Arbeitgeber – somit auch für Ärzte – gravierende Auswirkungen.

Sachverhalt

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte ein Beschäftigter von seinem Arbeitgeber, den von ihm nicht genommenen Urlaub abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München ging von einem Verfall des Urlaubsanspruchs zum jeweiligen Jahresende aus. Weil der beklagte Arbeitgeber seiner Verpflichtung, dem Kläger von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei, bestehe jedoch ein Ersatzurlaubsanspruch, der ggf. abzugelten sei.

Entscheidungsgründe

Das BAG verwies den Fall zurück an das LAG. Ein Verfall des Urlaubsanspruchs könne laut BAG nur angenommen werden, wenn eine hinreichende Aufklärung durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sehe vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht genommen wird, verfällt. Dies galt nach bisheriger Rechtsprechung selbst dann, wenn ein Urlaubsantrag rechtzeitig aber erfolglos gestellt worden war. Diesen Standpunkt hat das BAG vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgegeben. Die Regelung im BUrlG sei unter Beachtung der EU-Arbeitszeitrichtlinie) nunmehr so auszulegen, dass zwar keine Pflicht des Arbeitgebers bestehe, von sich aus Urlaub zu gewähren, ihm jedoch die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs obliege. Der Arbeitgeber habe rechtzeitig unter ausdrücklichem Hinweis auf die Verfallfristen dazu aufzufordern, Urlaub zu nehmen.

Arbeitgeber müssen aufklären

Arbeitgeber sollten die Entscheidung umsetzen. Es dürfte sich anbieten, spätestens im Herbst eines Kalenderjahres alle Arbeitnehmer auf offene Urlaubsansprüche und den möglichen Verfall hinzuweisen, einen Urlaubsantrag anzuregen und eine Empfangsbestätigung darüber einzuholen. Andernfalls wird der Urlaubsanspruch im Folgejahr entsprechend aufgestockt. Besonderheiten können gelten, wenn arbeitsvertraglich zwischen dem gesetzlichen und einem übergesetzlichen Urlaubsanspruch unterschieden wird.

Weiterführender Hinweis