Kein Abrechnungsbetrug: Ärzte müssen MRT-Patienten nicht persönlich „in die Röhre“ legen!

von RA Dr. Tobias Scholl-Eickmann, www.kanzlei-am-aerztehaus.de, und RA, FA für StrafR Sascha Lübbersmann, www.kanzlei-akb.de

Delegieren Ärzte die technische Ausführung im Rahmen von privatärztlichen MRT-Untersuchungen bei 3-D-Wirbelsäulenvermessungen ihrer Patienten an nichtärztliches Personal, ist das jedenfalls dann kein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, wenn die nicht delegierbaren ärztlichen Leistungen höchstpersönlich durchgeführt werden. Ein Anfangsverdacht für einen Abrechnungsbetrug besteht daher in solch einem Fall nicht, betonte das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 25. Februar 2014 (Az. 4 WS 5/14 – 161 AR 45/13).

Fall: MVZ beauftragte GmbH mit MRT-Leistungen und rechnete selbst ab 

Ein großes MVZ in Berlin hatte MRT- und 3-D-Wirbelsäulenvermessungen bei Privatpatienten abgerechnet. Dabei wurde der Patient jeweils zunächst durch die MVZ-Ärzte untersucht. Bei entsprechender Indikation wurde die jeweilige Leistung veranlasst, wobei ein Rezept mit der Angabe, bei welchem Patienten Aufnahmen von welcher Körperregion zu fertigen sind, erstellt wurde. Die MRT- Leistungen und 3-D-Wirbelsäulenvermessungen wurden sodann nicht in den Räumlichkeiten des MVZ, sondern in denen der ein Stockwerk darüber befindlichen S-GmbH mit deren Geräten erbracht. Das MVZ zahlte der S-GmbH dafür ein Nutzungsentgelt. Während der Leistungserbringung standen die MVZ-Ärzte mit dem die Untersuchung durchführenden nichtärztlichen Personal der S-GmbH insoweit in Verbindung, als sie die entstehenden Aufnahmen bewerten und den weiteren Fortgang der Untersuchung steuern konnten, da die Bilder unmittelbar elektronisch übermittelt wurden. Für Rückfragen des Personals stand jederzeit ein MVZ-Arzt zur Verfügung.

Die Befundung erfolgte zunächst durch den behandelnden MVZ-Arzt. Dieser Befund wurde im Nachgang durch einen beim MVZ angestellten Radiologen nochmals zur Sicherung des Befunds überprüft und im Falle einer abweichenden Bewertung interkollegial erörtert. Erst der Radiologe fertigte schließlich eine schriftliche Dokumentation des Befunds im Sinne eines Arztbriefs.

Die S-GmbH wiederum ist keine radiologische Praxis; es sind dort auch keine Ärzte beschäftigt. Die S-GmbH stellt lediglich eine technische Leistung durch qualifiziertes nichtärztliches Personal und die hierfür erforderlichen Geräte mietweise zur Verfügung. Sie ist selbst nicht abrechnungsbefugt für erbrachte Leistungen. Die jeweilige Leistung wurde vom MVZ gegenüber den Patienten privat liquidiert.

Die Staatsanwaltschaft sah in dieser Gestaltung einen Verstoß gegen die persönliche Leistungserbringung der MVZ-Ärzte. Im Zuge der Ermittlungen wurden unter anderem Praxis- und Privaträume durchsucht und zwei der MVZ-Ärzte vorübergehend festgenommen. Zudem hatte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Arrestbefehl in Höhe von ca. 600.000 Euro gegen die beschuldigten Ärzte erwirkt, zulasten der Konten des MVZ. Die Mediziner setzten sich gegen diesen Arrestbeschluss auch in dritter Instanz erfolgreich zur Wehr.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin 

Das Kammergericht betont zunächst: Allein aus dem Umstand, dass die beschuldigten Ärzte den von ihnen durch schlichte Betrachtung und Bewertung der MRT-Bilder und Wirbelsäulenvermessung erhobenen Befund nicht schriftlich dokumentiert hätten, könne – entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft – nicht gefolgert werden, dass diese Befunderhebung nicht stattgefunden hat. Denn der Befund sei Grundlage der Diagnose, die von den Ärzten nicht nur gestellt, sondern auch in den Patientenakten dokumentiert worden sei. Für die Ärzte habe auch kein Anlass bestanden, den eigenen Befund zusätzlich in einem Bericht zu verankern, da der Zweitbefund des Radiologen zeitnah in schriftlicher Form vorgelegen habe und regelmäßig inhaltsgleich mit dem eigenen Befund gewesen sei. Bei Abweichung fand eine Erörterung zwischen den Ärzten statt, was nicht zu beanstanden sei.

Wem das MRT-Gerät gehört, ist unerheblich 

Weiter habe es sich auch um eigene Leistungen der Ärzte gehandelt, da diese unter Aufsicht und fachlicher Weisung in zulässiger Weise durch nichtärztliches Personal erbracht worden seien. Zunächst sei entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft unerheblich, wem ein MRT-Gerät gehöre. Aus dem Umstand, dass die Geräte hier im Eigentum der S-GmbH standen, könne nicht gefolgert werden, dass die ärztlichen Leistungen nicht durch die MVZ-Ärzte erbracht wurden. Ansonsten wäre auch eine Leistungserbringung an einem Leasinggerät stets ein Abrechnungsbetrug, was erkennbar nicht zutreffe.

Unbeachtlich sei auch, dass die technische Durchführung der Untersuchung nicht durch die MVZ-Ärzte oder deren Personal, sondern durch Personal der S-GmbH erfolgte. Woher die Staatsanwaltschaft die Erkenntnis ziehe, dass delegierbare Leistungen ausschließlich an Mitarbeiter des delegierbaren Arztes übertragen werden könnten, erschließe sich nicht. Es komme allein darauf an, dass das Personal, an welches delegiert werde, der fachlichen Weisung des delegierenden Arztes unterstehe. Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass sich die Mitarbeiter der S-GmbH an die Weisungen der MVZ-Ärzte gehalten hätten.

Die MVZ-Ärzte wiederum standen mit dem nichtärztlichen Personal jederzeit in Verbindung und waren für Rückfragen ansprechbar. Sie hätten somit sämtliche ärztlich nicht delegationsfähigen Leistungen höchstpersönlich erbracht, konkret

  • die Erhebung der Anamnese,
  • die Indikationsstellung und Anordnung der entsprechenden (nichtinvasiven) Untersuchung im Einzelfall,
  • die Diagnosestellung und
  • die Entscheidung über die einzuleitende Therapie sowie Durchführung invasiver Therapien.

Insbesondere die Befundung sei durch die MVZ-Ärzte erfolgt. Die rein technische Ausführung der Leistung sei delegationsfähig, wovon in zulässiger Weise Gebrauch gemacht worden sei. Die betroffenen Ärzte hätten sich offenkundig darum bemüht, den Vorgaben der GOÄ zur persönlichen Leistungserbringung gerecht zu werden.

Das Kammergericht betont abschließend, dass die Auslegung der GOÄ vielfach umstritten sei. Dies bedinge, dass die strafrechtlich relevanten Verstöße umfassend von Seiten der Staatsanwaltschaft darzulegen seien. Daran fehle es aber in dem hier verhandelten Fall.

Betrugsvorwurf ausgeräumt, aber großer Imageschaden für die Ärzte 

Im Nachgang zu diesem Beschluss wurde das Ermittlungsverfahren gegen die MVZ-Ärzte mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Schwer wiegt hingegen der bei den beschuldigten Ärzten durch das medienwirksame Verfahren tatsächlich verursachte Schaden für Renommee und die Anwaltskosten.

Fazit: Gutes und bedeutsames Urteil für Ärzte

Die Entscheidung ist für die Praxis von großer Bedeutung, da sie der immer häufiger anzutreffenden pauschalen Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften, leider meist verbunden mit entsprechenden Pressemitteilungen, Einhalt gebietet. Es ist nämlich besorgniserregend, wie (vor)schnell – bei einer schon gebührenrechtlich unfundierten Ausgangshypothese der Strafverfolger (hier: „Es handelt sich um einen einfach gelagerten Betrug“) – sämtliche grundrechtsbeeinträchtigenden und oft auch existenzbedrohenden Zwangsmaßnahmen gegen Betroffene in Gang gesetzt werden.

Auslegungsfragen zu einer veralteten GOÄ sind rechtlich komplex und schwierig. Das Strafrecht ist aber jedenfalls dann das falsche rechtliche Instrument, wenn es nicht um erkennbar eindeutige Betrugshandlungen (zum Beispiel Abrechnung von „Luftleistungen“), sondern um Auslegungsfragen geht. Diese mögen zivilrechtlich geklärt werden. Die Belastungen eines strafrechtlichen Verfahrens mit zudem erheblichen Rufschäden sind indes weder sachgerecht noch zumutbar. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung entsprechende Beachtung findet.