Kalkulatorische Abschreibungen in der radiologischen Großpraxis

von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

Eine Großpraxis verfügt über viele Anlagegüter, die einen hohen Kapitalbedarf bei ihrer Beschaffung erfordert haben. Es handelt sich vor allem um medizinische Vermögensgegenstände, aber auch um weitere Anlagegüter wie Fahrzeuge, Büro- und Geschäftsausstattung, Küchengeräte, PCs, Telefonanlagen, Möbel etc. Da diese Anlagen im Zeitablauf einer Wertminderung unterliegen, sind entsprechende Abschreibungen im Rechnungswesen erforderlich und sinnvoll.

Arten von Abschreibungen

Abschreibungen werden sowohl in der Finanzbuchhaltung (bilanzielle/steuerliche Abschreibung) als auch in der Betriebsbuchhaltung/Kostenrechnung (kalkulatorische Abschreibung) angesetzt. In der Finanzbuchhaltung sollen die Abschreibungen unter Beachtung von handels- und steuerrechtlichen Vorschriften auf die Jahre der Nutzung verteilt werden. Die Nutzungsdauer richtet sich zumeist nach den sogenannten AfA-Tabellen (AfA = Absetzung für Abnutzung) der Finanzverwaltung. Die auf diese Weise ermittelten Abschreibungen dienen zur Ermittlung des Gewinns und somit als Grundlage zu dessen Besteuerung.

Kalkulatorische Abschreibungen werden in der Kosten- und Leistungsrechnung (internes Rechnungswesen) angesetzt und unterliegen keinen gesetzlichen Vorgaben. Sie dienen unternehmensinternen Zwecken und sollen den tatsächlichen Werteverzehr von Anlagegütern wie z. B. MRT- oder CT-Geräten möglichst korrekt erfassen. Dieser Werteverzehr entsteht u. a. durch

  • gebrauchsbedingte Faktoren wie leistungsbedingter Verschleiß z. B. durch Nutzung von Anlagen,
  • natürlichen Verschleiß (z. B. Verrosten, Zersetzen) sowie
  • technische und wirtschaftliche Faktoren wie Alterung infolge des technischen Fortschritts oder sie werden nicht mehr gebraucht.

Ermittlung kalkulatorischer Abschreibungen

Die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen wird durch folgende Faktoren bestimmt:

  • Die Abschreibungsbasis (Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungskosten)
  • Die zu erwartende Nutzungsdauer
  • Der voraussichtliche Restwert
  • Die Abschreibungsmethode

Abschreibungsbasis

Anhand einer Investition in ein neues CT-Gerät mit einer Investitionssumme in Höhe von 400.000 Euro sollen diese Faktoren erläutert werden. Bei der Abschreibungsbasis geht es um den Anschaffungs- bzw. den Wiederbeschaffungswert. Der Anschaffungswert beträgt 400.000 Euro. Hier stimmen die Buchführung (bilanzielle/steuerliche Abschreibung) und die Kostenrechnung (kalkulatorische Abschreibung) in der Abschreibungsbasis überein.

Denkbar ist auch die Abschreibung vom Wiederbeschaffungswert. Dies ist der Wert, zu dem ein neues Gerät nach Ablauf der Nutzungsdauer beschafft werden müsste. Dieser Wert könnte beispielsweise für ein CT-Gerät bei 420.000 Euro liegen. Dann wird von 420.000 Euro und nicht von 400.000 Euro abgeschrieben. Werden die vom Wiederbeschaffungswert ermittelten Abschreibungsbeträge durch die Umsatzerlöse der Praxis erwirtschaftet, dann kann nach Ausscheiden des alten CT-Geräts ein neues beschafft werden. Die Abschreibungen haben also diese Investition verdient. Allerdings ist der Ansatz eines Wiederbeschaffungswerts schwierig, da niemand weiß, zu welchem Preis das neue CT-Gerät nach Ablauf der Abschreibungsdauer erhältlich ist.

Nutzungsdauer und Restwert

Die Nutzungsdauer ist der Zeitraum, in dem ein Anlagegut für die Leistungserstellung benutzt werden kann.Wenn nach Ablauf der Nutzungsdauer noch ein Verkaufserlös erzielt werden kann, so handelt es sich um den Restwert. Dieser wird bei der Ermittlung des Abschreibungsbetrags vom Anschaffungs- bzw. Wiederbeschaffungswert abgezogen.

Abschreibungsmethode

Die Abschreibungsmethode gibt vor, wie die Abschreibungssumme innerhalb des Nutzungszeitraums auf die einzelnen Jahre verteilt wird. Weit verbreitet ist die lineare Abschreibung. Hier wird der Anschaffungs-/Wiederbeschaffungswert durch die Jahre der Nutzungsdauer dividiert und somit gleichmäßig auf die Perioden der Nutzung verteilt. Sie unterstellt eine gleichmäßige Nutzung der Anlagegüter.

Die degressive Abschreibung (zumeist die geometrisch-degressive Methode) fällt mit von Jahr zu Jahr kleiner werdenden Raten. Zu Beginn ist somit der Abschreibungsbetrag am höchsten. Die Anwendung wird damit begründet, dass

  • im Laufe der Zeit die Gebrauchsfähigkeit des Anlageguts abnimmt und
  • den hohen Abschreibungsbeträgen zu Beginn entsprechend niedrigere Reparaturkosten und den niedrigen Abschreibungsbeträgen am Ende der Nutzungsdauer höhere Reparaturkosten gegenüberstehen.

Auch ein Wechsel von der degressiven Abschreibung zur linearen Abschreibung ist im Laufe des Nutzungszeitraums möglich.

Bei der leistungsabhängigen Abschreibung wird der Anschaffungs-/Wiederbeschaffungswert auf die jeweilige Inanspruchnahme der Anlagegüter verteilt, z. B. bei Fahrzeugen sind dann die gefahrenen km die Abschreibungsgrundlage.

Für die radiologische Großpraxis sind alle drei genannten Abschreibungsverfahren geeignet. Die Grundlagen der Abschreibungen werden zu Beginn der Nutzung des Anlageguts festgelegt. Allerdings sind Änderungen während der Nutzungsdauer möglich, wenn beispielsweise das Anlagegut (z. B. ein CT-Gerät) länger oder kürzer als die geplante Nutzungsdauer im Gebrauch ist oder die Abschreibungsgrundlage sich ändert (z. B. durch neue Preissteigerungsraten).

Beispielrechnungen mit unterschiedlicher Abschreibungsbasis

Anhand des bereits skizzierten Beispiels eines neuen CT-Geräts werden die Berechnungen der Abschreibungen gezeigt. In der Tabelle 1 geht es um die Abschreibungen nach dem Anschaffungswert, in den Tabellen 2 und 3 um die Abschreibungen vom Wiederbeschaffungswert.

Vergleichsweise einfach ist die Berechnung der Abschreibungen vom Anschaffungswert. Bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren und der linearen Abschreibungsmethode soll der Restwert im Beispiel 0 Euro betragen. Die jährliche Abschreibung errechnet sich, indem der Anschaffungswert durch die Jahre der Nutzungsdauer dividiert wird (400.000 Euro : 5 Jahre = 80.000 Euro/Jahr; siehe Tabelle 1). In den 5 Jahren der Nutzung kann der Anschaffungswert wieder zurückgewonnen werden, wenn entsprechende Umsätze (Erlöse) erzielt werden.

Wenn mit jährlichen Preissteigerungen zu rechnen ist, dann sollte vom Wiederbeschaffungswert abgeschrieben werden, damit eine Refinanzierung des Geräts über die Abschreibungen möglich ist. Tabelle 2 zeigt die Berechnung der Wiederbeschaffungswerte bei einer jährlichen Preissteigerung in Höhe von 2 Prozent. Bei einer Abschreibung vom Anschaffungswert wird nach Ablauf der Nutzungsdauer von 5 Jahren lediglich der Anschaffungswert durch die Abschreibungen erwirtschaftet (siehe Zeile 5 in Tabelle 1). Bei einer Inflationsrate von 2 Prozent jährlich fehlen dann in Summe 41.632,32 Euro (441.632,32 Euro [Zeile 5 in Tabelle 2] – 400.000 Euro [Anschaffungswert] = 41.632,32 Euro), die nicht erwirtschaftet werden. Bei der Kalkulation der Abschreibung auf Basis der Wiederbeschaffungswerte wird hingegen der gesamte Wiederbeschaffungswert durch die Abschreibungen erwirtschaftet (siehe Tabelle 3).

Tabelle 1: Abschreibung vom Anschaffungswert (lineare Abschreibung)

Jahr

Anschaffungswert (Euro)

Abschreibungssatz (Prozent)

Jährliche Abschreibung (Euro)

Kumulierte Abschreibung (Euro)

Restbuchwert (Euro)

1

400.000

20

80.000

80.000

320.000

2

400.000

20

80.000

160.000

240.000

3

400.000

20

80.000

240.000

160.000

4

400.000

20

80.000

320.000

80.000

5

400.000

20

80.000

400.000

0

 

Tabelle 2: Berechnung der Wiederbeschaffungswerte

Jahr

Anschaffungs-/Wiederbeschaffungswert zu Jahresbeginn (Euro)

Jährliche Preissteigerung (Prozent)

Preissteigerung (Euro)

Wiederbeschaffungswert am Jahresende (Euro)

1

400.000,00

2

8.000,00

408.000,00

2

408.000,00

2

8.160,00

416.160,00

3

416.160,00

2

8.323,20

424.483,20

4

424.483,20

2

8.489,66

432.972,86

5

432.972,86

2

8.659,46

441.632,32

 

Tabelle 3: Abschreibung vom Wiederbeschaffungswert (lineare Abschreibung)

Jahr

Wiederbeschaffungswert (Euro)

Abschreibungssatz (Prozent)

Jährliche Abschreibung (Euro)

Kumulierte Abschreibung (Euro)

Restbuchwert (Euro)

1

441.632,32

20

88.326,46

88.326,46

353.305,86

2

441.632,32

20

88.326,46

176.652,92

264.979,38

3

441.632,32

20

88.326,46

264.979,38

176.652,92

4

441.632,32

20

88.326,46

353.305,84

88.326,46

5

441.632,32

20

88.326,46

441.632,30

0,00

 

Weiterführende Hinweise