Kürzungen nach § 9 HVM – teilzeitangestellte Radiologen besonders benachteiligt

von Rechtsanwältin Dr. Deniz Cansun-Labenski, Seesen, armedis Rechtsanwälte, www.armedis.de 

Neue Honorarregelungen in Niedersachsen führen bei teilzeitangestellten Radiologen zu erheblichen Honorarkürzungen. Zurückzuführen sind diese Kürzungen auf den relativ neuen § 9 HVM für teilzeitangestellte Fachärzte: Dieser ist zwar bereits zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten, die Auswirkungen der Vorschrift zeigen sich aber erst jetzt. Und mithin stellt sich die Frage: Was können betroffene Ärzte gegen diese Benachteiligungen tun?

Bisherige Regelung in allen Landes-KVen 

Eine Budgetierung von teilzeitangestellten Fachärzten bezogen auf den Tätigkeitsumfang (0,25; 0,5; 0,75) ist in allen Landes-KVen unter Berücksichtigung der Vorjahresquartale geregelt. Die KV Niedersachsen (KVN) budgetiert darüber hinaus mit einer Regelung im neuen § 9 HVM, das bereits in den RLV und QZV-Mitteilungen festgestellte Budget und die freien Leistungen nochmals auf das anteilige Honorar der Facharztgruppe zu kürzen. Dies bedeutet für viele Fachärzte eine doppelte Budgetierung.

Auswirkungen der Änderung von § 9 HVM 

Nach der alten Fassung des § 9 HVM waren in Niedersachsen nur Ärzte, die in hälftigen Zulassungen niedergelassen waren, betroffen, weil sie auf das hälftige Honorar des Fachgruppendurchschnitts für Radiologen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines Anpassungsfaktors, gedeckelt waren.

Der § 9 HVM neue Fassung (n.F.)sieht nun auch eine Deckelung von in Teilzeit angestellten Ärzten vor – und zwar unter Berücksichtigung der Anstellungsgenehmigung, die mit den Faktoren 0,25, 0,5 oder 0,75 ausgestellt werden kann. Dies bedeutet, dass teilzeitangestellte Fachärzte nur bis zu einem Honorar des Facharztgruppendurchschnitts unter Berücksichtigung ihrer Anstellung vertragsärztliche Leistungen abrechnen können. Diese Regelung gilt selbst dann, wenn der Bescheid über das Regelleistungsvolumen (RLV) und das Qualitätsbezogene Zusatzvolumen (QZV) höher ist.

Der § 9 HVM n.F. steht als Budgetgrenze über allen ausgezahlten Honoraren. Dazu zwei Beispiele.

Beispiel 1: Auswirkungen bei zwei zu 50 Prozent angestellten Ärzten 

Eine Berufsausübungsgemeinschaft verfügt über einen angestellten Sitz für Radiologie im Bereich der KV Niedersachsen, den sich zwei Fachärzte für Radiologie (Arzt A und B) paritätisch mit einem Faktor von jeweils 0,5 teilen. Nach dem RLV/QZV-Bescheid des Arztes A könnte der angestellte Radiologe in dem Beispielsquartal 75.000 Euro abrechnen, der RLV/QZV Bescheid des Arztes B liegt bei 65.000 Euro.

Das durchschnittliche hälftige Fachgruppenhonorar für Radiologen liegt bei 61.000 Euro in diesem Quartal. Tatsächlich rechnet Arzt A gegenüber der KV Niedersachsen 74.500 Euro ab und der Arzt B 64.500 Euro. Nach dem RLV/QZV-Bescheid würde sich keine Budgetierung ergeben.

Nun greift jedoch § 9 HVM und beide Ärzte werden auf 61.000 Euro (1/2 Fachgruppendurchschnitt) reduziert. Dies bedeutet, dass Arzt A 13.500 Euro und Arzt B 3.500 Euro nicht honoriert bekommen, obwohl beide unterhalb ihrer RLV/QZV-Bescheide liegen.

Beispiel 2: Abrechnung unterhalb der Bemessungsgrenze nach § 9 HVM 

Die Ausgangssituation stellt sich hier wie in Beispiel 1 dar. Der einzige Unterschied ist, dass Arzt B nicht 64.500 Euro gegenüber der KV Niedersachsen abrechnet, sondern lediglich 55.000 Euro. Er liegt somit unterhalb seines RLV/QZV und auch unterhalb der Bemessungsgrenze nach § 9 HVM mit 61.000 Euro.

Dem Arzt A wird das Honorar wieder um 13.500 Euro reduziert, bei dem auf dem gleichen Facharztsitz angestellten Arzt B „freien“ 6.000 Euro werden hingegen nicht berücksichtigt. Anders ist dies derzeit bei den RLV und QZV-Leistungen, bei denen eine Aufrechnung und Anrechnung untereinander erfolgt. Die Berufsausübungsgemeinschaft hat in diesem Beispiel somit hier noch nicht einmal die Möglichkeit, das durchschnittliche Fachgruppenhonorar eines Radiologen für seine beiden Angestellten insgesamt zu erhalten.

Vorschrift verfehlt Ziel einer „angemessenen Honorierung“ 

Die von der KV Niedersachsen mit § 9 HVM n.F. mitgeteilte Begründung, die Regelung des § 9 HVM n.F. solle die Gewähr für eine faire Honorierung von angestellten Ärzten unter Berücksichtigung des § 95 SGB V tragen, greift unseres Erachtens bei den zuvor genannten Konstellationen nicht. Vielmehr ist anzunehmen, dass systematisch das durchschnittliche Fachgruppenhonorar von Quartal zu Quartal gesenkt wird und damit auch die angemessene Honorierung von vertragsärztlichen Leistungen von nicht nur angestellten Fachärzten, sondern insgesamt das Honorar der jeweiligen Fachgruppe.

Im Ergebnis bedeutet dies für angestellte und in hälftiger Niederlassung tätige Fachärzte eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgrundsatz) im Vergleich zu in voller Niederlassung tätigen Fachärzten. Eine Teilzeitanstellung, wie sie von der Politik gefordert wird und aufgrund des Fachärztemangels auch gewünscht ist, wird mit der Regelung des § 9 HVM n.F. jedoch für viele uninteressant.

Was tun gegen die Benachteiligungen? 

Jeder Arzt, der wie beschrieben durch § 9 HVM n.F. benachteiligt wird, sollte Widerspruch einlegen und das Ruhen der Verfahren bei der KV Niedersachsen beantragen – mit dem Hinweis, dass Musterverfahren laufen, deren Ausgang abgewartet werden soll, bevor ein Widerspruchsbescheid ergeht. Kommt es in den Musterverfahren zu einem positiven Ausgang, können Ärzte, die ihre Bescheide offen gehalten haben, davon profitieren. Sollte ein Ruhen nicht möglich sein, so wäre gegebenenfalls dann im Rahmen eines Klageverfahrens ebenfalls das Ruhen des Verfahrens möglich.

Teilzeitanstellungen honorarrechtlich prüfen 

Abgesehen davon sollte jede Teilzeit-Anstellung individuell honorarrechtlich geprüft und gegebenenfalls in eine Vollanstellung geändert werden. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich einmal auszurechnen, wie sich die Änderung einer Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle hinsichtlich der Honorarkürzungen auswirkt. Dies kann durch die Bezirksstellen der KV Niedersachsen erfolgen.

Sollte sich nach der Gegenrechnung eine Besserstellung ergeben, ist es anzuraten, den angestellten Arzt auf eine Vollzeitstelle mit mindestens 30,5 Stunden in der Woche anzustellen – was eine Einstufung als Vollzeitstelle mit dem Faktor 1,0 bedeuten würde. Die Änderung des teilzeitangestellten Facharztes in einen Vollzeitangestellten mit dem Faktor 1,0 kann auch innerhalb eines Quartals beantragt werden und gilt dann für das gesamte Quartal, in dem die Anstellung mit Faktor 1,0 erfolgt. Möglich ist dies allerdings nur, wenn keine Zulassungsbeschränkungen einer Erhöhung des Faktors entgegenstehen.

Wie sieht es aus in anderen KV-Bereichen? 

Die gerade dargelegten Ausführungen gelten ähnlich auch für Schleswig-Holstein. Auch in anderen KVen soll über die Einführung einer solchen oder ähnlichen Budgetierung im Vorhinein nachgedacht werden. Die Mehrzahl der KVen ermittelt derzeit allerdings die Höhe von Honorarkürzungen auf Basis von Plausibilitätsprüfungen – was auf eine Budgetierung im Nachhinein hinausläuft (zum Beispiel in Berlin und Bayern).