Honorar-Radiologe insbesondere wegen Klinik-Einbindung sozialversicherungspflichtig

von RA, FA für StrafR Sascha Lübbersmann, Kanzlei Ammermann Knoche Boesing, Münster, www.kanzlei-akb.de

Bei Radiologen, die auf Honorararztbasis in einer Klinik tätig werden, stellt sich häufig die Frage nach der Sozialversicherungspflicht. Während Klinik und Arzt keine Sozialversicherungspflicht anstreben, nehmen die Sozialversicherungsträger u. U. andere Einstufungen vor. Im Fall eines über eine Agentur vermittelten Radiologen in einem städtischen Klinikum wurde entschieden, dass Entlohnung und organisatorische Einbindung in die Klinik für eine abhängige Beschäftigung spreche (Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen-Bremen v. 26.10.2017, Az. L 1 R 511/14).

Der Fall

Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens hat das klagende Klinikum um Klärung gebeten, ob der auf vertraglicher Honorararztbasis tätige externe Radiologe eine abhängige Beschäftigung ausübt und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegt, oder aber – wie von den Vertragsparteien beabsichtigt – hierbei selbständig tätig ist. In diesem Fall wurde der Facharzt für Radiologie, der über eine Vermittlungsagentur zum Klinikum kam, basierend auf dem vorformulierten Vertragsmuster der Agentur auf Stundenlohnbasis vergütet, und zwar für Tagesdienste, Bereitschaftsdienste und auch Rufbereitschaftsdienste (100 Euro/h, bzw. 50 Euro/h und 30 Euro/h). Die Tätigkeit des Radiologen war von der Rentenversicherung (DRV) als abhängige, versicherungspflichtige Beschäftigung eingestuft worden. Das angerufene Sozialgericht gelangte in erster Instanz zum gegenteiligen Resultat. Hiergegen ging der Sozialversicherungsträger in Berufung.

Gründe für die Entscheidung

Das LSG Niedersachsen-Bremen bestätigte im Gegensatz zur Vorinstanz die sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Rentenversicherung, und begründete die Annahme einer abhängigen Beschäftigung vor allem und vorrangig mit nachfolgenden Umständen:

  • Der Radiologe sei in einen fremden Betrieb – den des städtischen Klinikums – eingegliedert gewesen. Dies resultiere nicht bereits daraus, dass er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nur in deren Räumlichkeiten verrichtete. Ausschlaggebend sei aber, dass er dort die radiologischen Anlagen des Klinikums wie auch das zuarbeitende Personal der Röntgenabteilung unentgeltlich nutzen konnte (anders als z. B. privat liquidierende Chefärzte der Klinik).
  • Für die abhängige Beschäftigung spreche auch, dass der radiologische Honorararzt seine Leistungen nicht selbst, sondern – bei kostenloser Nutzung der Klinikinfrastruktur – über die Klinik abgerechnet habe.
  • Nicht entscheidend sei, dass der Radiologe nicht selbst unmittelbar Patienten behandelt habe, auf keiner Station tätig gewesen sei, nicht an Visiten teilgenommen habe, keine anderen Ärzte vertreten habe, keine Arztbriefe geschrieben habe und weder an Aufnahmen noch an Entlassungen von Patienten beteiligt war. Denn er habe, über die Tätigkeit der im vorhinein vereinbarten Tagesdienste für radiologische Befundungen hinaus, auch umfangreiche Bereitschaftsdienste übernommen. Gerade die Übernahme dieser Dienste sei ein deutliches Indiz für die Einbindung in die Klinikorganisation.
  • Zudem war er in den – wenn auch vorab frei vereinbarten – Dienstzeiten zwangsläufig in den Dienstbetrieb eingebunden.
  • Aufgrund der getroffenen Stundenlohnhonorierung fehle es zudem evident an jedwedem Unternehmensrisiko. Anders als bei einem niedergelassenen Radiologen bestand für ihn nämlich im Falle geringeren Umsatzes keine finanzielle Gefahr, Anschaffungs- und Betriebskosten von Praxis und Geräten nicht refinanzieren zu können.

Fazit

Für Kliniken und Honorarärzte bleibt die Lage angesichts dieser weiteren Entscheidung zur Sozialversicherungspflicht des honorarärztlich tätigen Radiologen äußerst unbefriedigend. Solche Urteile tragen mitnichten zur Rechtssicherheit bei. Die einzelnen Judikate und Entscheidungen sind schlicht nicht vorhersehbar. Die Annahme der Selbstständigkeit stellt im aktuellen Meinungsspektrum der Sozialgerichte aber eine klare Ausnahme dar. Auch die aktuellen Prüfungshinweise der Rentenversicherung gehen inzwischen schon fast apodiktisch von einer Unvereinbarkeit selbstständiger Tätigkeit mit einer ärztlich gebotenen Einbindung in Klinikabläufe aus.

Der Gesetzgeber hat dieses Dilemma lediglich für Honorar-Notärzte durch Klarstellung in § 23c Abs. 2 SGB IV behoben, nicht aber für andere Honorarärzte. Es bleibt abzuwarten, ob in naher Zukunft ggf. das Bundessozialgericht der Rechtsprechung hierzu eine Wendung gibt, indem es nunmehr auch vorrangig die vereinbarte Vergütungshöhe als maßgebliches Abgrenzungskriterium berücksichtigt. Erst Andeutungen in diese Richtung gibt es bereits.

Praxistipp

Da eine rechtsfehlerhaft vorgenommene Behandlung als sozialversicherungsfrei ex post erheblich nachteilige Konsequenzen auf vielfältigen Ebenen nach sich ziehen kann (Nachverbeitragung, Säumniszuschläge, Lohnsteuerhaftung auf Basis der Steuerklasse 6, Hinterziehungszinsen, Beitragsstrafbarkeit, Steuerstraftaten etc.), sollten aus Gründen der Compliance heutzutage keine externen Honorarärzte mehr vom Krankenhaus als selbstständig tätig behandelt werden, wenn man sich nicht hierfür im jeweiligen Einzelfall auf einen positiven Bescheid eines ex ante durchgeführten Statusfeststellungsverfahrens stützen kann.

 

Weiterführende Hinweise