Herausforderungen einer Radiologiepraxis im Wandel und Konsequenzen für die Leitung

von Dr. Bernd May, Geschäftsführer MBM Medical-Unternehmensberatung GmbH, Mainz

Die diagnostische Radiologie ist ein Querschnittsfach, das im stationären wie im ambulanten Sektor die klinische Versorgung möglichst effizient unterstützen soll. Das gelingt nur, wenn die Leistungsschwerpunkte der ambulanten radiologischen Versorgung den klinischen Anforderungen gerecht werden, d. h. kongruent sind. Der Beitrag zeigt, wie verschiedene Entwicklungen die Radiologie verändern und was das für die Leitung einer radiologischen Praxis bedeutet.

Technologie verändert Radiologie

Mit Aufnahme der MRT in das radiologische Versorgungsspektrum Mitte der 80er-Jahre wurde die Aufgabe und Herausforderung, ein passendes radiologisches Leistungsspektrum vorzuhalten, deutlich komplexer. Die erforderliche Kongruenz wurde durch die MRT potenziell breiter, umfassender und subtiler, weil die MRT das Leistungsspektrum gegenüber der CT wesentlich erweitert hat. Dies gilt insbesondere bei der Weichteildiagnostik aufgrund der großen Kontrastauflösung.

Mit der MRT entstand auch der Druck zur Ausbildung von Spezialisierungen sowie zur Zusammenarbeit in einem Team von Radiologen mit entsprechenden Schwerpunkten. Dies immer mit dem Ziel, potenziell kongruenter Partner der klinischen Anforderer zu sein. Betrachtet man allein das Spektrum der heutigen MRT, so dürfte es schwer fallen, einen Radiologen zu finden, der in gleicher Weise als Experte

  • muskuloskelettale Erkrankungen,
  • solche in der Neurologie,
  • der Kardiologie,
  • der Onkologie oder
  • der Urologie (besonders Prostata)

beherrscht, und zwar jeweils nach dem aktuellen Qualitätsstandard. Das wachsende Einsatzspektrum der Multislice-CT (MSCT) mit mehr als 125 Zeilen und Messzeiten von einer ¼ Sekunde verstärkt diese Entwicklungen zusätzlich.

Der Druck zur Teambildung mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten entsteht bereits aus dem Erfordernis, den sich schnell erweiternden jeweiligen Qualitätskriterien zu genügen. Qualität wird hier zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Hinzu kommt der Druck zur wirtschaftlichen Betriebsführung. Im ambulanten Sektor ist die Radiologie ein auf Gewinnerzielung ausgerichteter Wirtschaftsbetrieb. Diese Ausgangslage ist eine permanente Herausfoerderung.

Wie lassen sich diese beiden Anforderungen (wachsende Qualitätskriterien mit immer größeren Teams sowie eine wirtschaftliche Betriebsführung), die häufig auch als Zwänge wahrgenommen werden, in einem modernen Radiologiebetrieb oder Imaging-Center bewältigen?

Effiziente Betriebsführung unerlässlich

Die dargestellten Entwicklungen in der Radiologie sowie im Gesundheitssektor insgesamt haben sich auch auf die Versorgung mit Radiologie-Leistungen in Kliniken ausgewirkt. So sind inzwischen selbst mittelgroße Kliniken als Schwerpunktversorger im Hinblick auf die gewachsenen klinischen Anforderungen an eine radiologische Diagnostik (mit kongruenten fachlichen Schwerpunkten) gar nicht oder nur noch mühsam in der Lage, eine chefarztgeführte Radiologie vorzuhalten. Die Anforderungen und der damit verbundene Aufwand, das gesamte apparativen Spektrum und vor allem trainierte Ärzte mit entsprechenden fachlichen Schwerpunkten zu organisieren, lohnen aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Ein wichtiger Grund ist die fehlende wirtschaftliche Auslastung.

In solchen Fällen ist ein großer ambulanter Partner mit einem Team von Radiologen mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten eine willkommene Dienstleistungs-Alternative. Die erkennbare Folge ist, dass es heute bereits eine Reihe von Mehrstandort-Großpraxen mit verschiedenen Klinik-Kooperationen gibt. Kooperationspartner von solchen Kliniken können selbstverständlich auch entsprechend ausgestaltete Imaging-Center größerer Kliniken in der Region sein. Für solche Partnerschaften sprechen gute Gründe.

Es geht in einem Imaging Center inzwischen um Investitionen in Millionenhöhe und häufig um einen Betrieb mit mehreren Standorten und zahlreichen angestellten Radiologen sowie MTRAs (s. Kasten „Eckdaten moderner Radiologiebetriebe“).

Eckdaten moderner Radiologiebetriebe

Die apparative Minimalausstattung umfasst heute das konventionelle Röntgen, die CT und MRT. Legt man eine Auslastung im täglichen Regelbetrieb von

  • ca. 30 Terminen beim konventionellen Röntgen,
  • 20 bis 40 beim CT und
  • 20 bis 30 beim MRT zugrunde,

erfordert ein solcher Betrieb auf Dauer drei Radiologen, wenn die o. e. Kriterien für Qualität und Kongruenz zu den klinischen Schwerpunkten nachhaltig erfüllt werden sollen. Die Zwänge zur Teambildung mit Spezialisierung und wirtschaftlichen Betriebsführung führen zu Konzentrationsprozessen mit Mehrstandort-Radiologien und Kooperationen mit überwiegend kleineren und mittelgroßen Kliniken. Sie umfassen 20 Radiologen und mehr, die in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) zusammenarbeiten.

Die zugrunde liegenden Investitionen in mobile Einrichtungen (radiologische und IT-Modalitäten) starten bei ca. 3 Mio. Euro und übersteigen leicht die 20-Mio.-Euro-Grenze. Solche BAG beschäftigen mindestens acht nichtärztliche Mitarbeiter, in Betrieben mit mehr als 20 oder mehr als 50 Mitarbeitern. Die Kosten für Verbrauchsmaterial einschließlich Kontrastmittel liegen pro Jahr selbst für radiologische Kleinbetriebe im fünfstelligen Bereich, bei größeren BAG übersteigen sie leicht die Millionengrenze.

 

Aufgaben der ärztlichen Leitung einer BAG mit Klinikkooperation

Am wichtigsten ist für ein Imaging Center der Erhalt und der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit durch ein bedarfs- und mitunter auch angebotsorientiertes Innovations- und Qualitätsmanagement! Das Spektrum der diagnostischen Anforderungen vonseiten der klinischen Partner/Zuweiser nimmt stetig zu. Das bedeutet zunächst vermehrte Investitionen in Weiter- und Fortbildung der Radiologen zur Übernahme medizinischer Innovationen in den Routinebetrieb.

Merke

In einer großen BAG kann das Weiterbildungswesen nicht dem einzelnen Radiologen überlassen bleiben. Besser ist ein planvolles, gezieltes und zentral gesteuertes Innovations-Management.

 

Die Inhalte sind immer wissens- und methodenbasiert. Ohne IT und inzwischen KI lassen sich diese Aufgaben nicht mehr bewältigen. Zu den Fortbildungsaufgaben zählt auch das Training des MTRA-Teams. Neben den medizinischen gehören auch die technologischen Innovationen dazu, also die radiologischen Modalitäten und vermehrt die IT (RIS, PACS, Vernetzung, KI, Business-Intelligence-Tools). Eine weitere wichtige Aufgabe der ärztlichen Führung ist die Pflege einer Teamkultur, denn genau daran scheitern viele BAGs. Teamkultur ist ein wesentlicher Image- und Marketingfaktor. Dazu gehört die Einstellung neuer Kollegen und deren systematische Eingliederung in das vorhandene Ärzteteam ebenso wie eine faire Behandlung ausscheidender Kollegen.

Ein weiteres großes Feld ist die Kommunikation mit den Kooperationspartnern wie Kliniken. Schließlich ist auch das Controlling des gesamten Betriebs nach Kennzahlen von Bedeutung, z. B. zur Prozesssteuerung mit Darstellung der Produktivität der zusammenarbeitenden Dienste, zu den Turnaround-Zeiten angeforderter Aufträge, zum Qualitätsmanagement, zu den Zuweiserprofilen (Anforderungsspektrum nach Aufgaben und Kostenträgern), zu den Kosten/Erlösen und deren Strukturen u. a.

Führungsaufgaben delegieren

Zahlreiche Tätigkeiten können delegiert werden, dazu zählen v. a.

  • das Rechnungswesen,
  • das Personalmanagement,
  • die Schnittstellen zu den Steuer- und Rechtsberatern,
  • das Abrechnungswesen bei Kassen- sowie Privatpatienten,
  • der Zahlungsverkehr und
  • der Einkauf.

Die Erledigung dieser Aufgaben würde den Ärzten einen wesentlichen Teil ihrer produktiven Arbeitszeit entziehen. Sie sind an professionelle kaufmännische Mitarbeiter mit technischem Hintergrund delegierbar.Faustregel: Wenn der tägliche Arbeitsaufwand für kaufmännische Tätigkeiten/Controlling eine Stunde pro Radiologen/Arzt übersteigt, ist die Delegation der kaufmännischen Tätigkeiten und zunehmend die des IT-Supports betriebswirtschaftlich sinnvoll.

Fazit

Die Aufgaben der technisch-kaufmännischen Leitung bestehen darin, der ärztlichen Leitung die relevanten Kennzahlen/Ergebnisse zuzuarbeiten. So kann das ärztliche Management die für eine wettbewerbsorientierte Weiterentwicklung des Imaging-Centers notwendigen Entscheidungen treffen und umsetzen.