GKV-Versorgungsstärkungsgesetz: Was kommt auf Radiologen zu?

von Michael Frehse und Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Rechtsanwälte und Fachanwälte für Medizinrecht, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

Nach bisherigen Verlautbarungen soll das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) Mitte 2015 in Kraft treten. Im Dezember 2014 hat der Gesetzgeber den Kabinettsentwurf dazu veröffentlicht. Einige Regelungen dürften für nachhaltige Probleme sorgen – insbesondere im vertragsärztlichen Bereich. Entsprechend groß sind die Proteste. Es folgt ein Überblick über die geplanten Änderungen, die für Radiologen besonders relevant sind.

Praxisaufkauf durch KV – aus „kann“ wird „soll“ 

Trotz aller Widerstände durch Vertragsärzte hält der Gesetzgeber daran fest, dass Zulassungsausschüsse künftig Ausschreibungsanträge nicht nur ablehnen können, sondern „sollen“, wenn die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Versorgungsgründe sind nach Vorstellung des Gesetzgebers etwa dann gegeben, wenn ein besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf besteht oder ein Arztsitz mit spezieller Fachrichtung weiterhin benötigt wird. Zudem können auch Mitversorgungsaspekte, Bedürfnisse behinderter Menschen oder der Erhalt eines besonderen Versorgungsangebots in einem MVZ oder einer Praxis eine Rolle spielen.

Ergänzt wurden die bestehenden Ausnahmeregelungen (zum Beispiel für Ehegatten, Kinder oder Praxispartner) um Fälle, in denen Ärzte sich verpflichten, den Sitz in ein schlechter versorgtes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen. Die KV soll den Zulassungsausschuss über insoweit bestehende Versorgungsumstände informieren. Findet sich kein verlegungswilliger Arzt, bleibt es beim Einzug des Sitzes.

Weiter wird einer bisher möglichen Nachbesetzungsgestaltung ein Riegel vorgeschoben: Die gemeinschaftliche Tätigkeit, etwa durch eine Jobsharing-Anstellung oder auch eine Jobsharing-Gesellschaft, führt nicht mehr zwingend zur Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens, sondern nur noch dann, wenn die gemeinsame Tätigkeit mindestens drei Jahre erfolgt ist. Vertrauensschutz genießen Gestaltungen, die vor der 1. Lesung im Bundestag umgesetzt wurden.

KV muss prüfen, ob Versorgungsauftrag erfüllt und eingehalten wird 

Weitgehend unbemerkt wurde in §95 Abs. 3 SGB V die für die Praxis bedeutsame Ergänzung aufgenommen, wonach die KVen künftig prüfen müssen, ob Vertragsärzte ihrem Versorgungsauftrag nachkommen. Die Zielrichtung des Gesetzgebers ist zwar auf eine zeitnahe Versorgung der Versicherten gerichtet. Risiken bestehen aber vor allem für Ärzte, die mit hälftiger Zulassung -– wie in der Praxis häufig anzutreffen – de facto vollzeitig tätig sind oder umgekehrt für Ärzte, die trotz voller Zulassung kaum vertragsärztlich tätig werden. Es drohen disziplinarrechtliche Sanktionen bis hin zur Zulassungsentziehung.

Terminservicestellen 

In § 75 Abs. 1a SGB V soll verankert werden, dass der Sicherstellungsauftrag auch eine angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung fachärztlicher Versorgung umfasst. Dazu müssen die KVen Terminservicestellen einsetzen, die Versicherten bei Überweisung zum Facharzt binnen einer Woche einen Termin bei einem Vertragsarzt vermitteln sollen.

Die Wartezeit auf einen Termin darf höchstens vier Wochen betragen und der Arzt muss in zumutbarer Entfernung zum Wohnort des Patienten tätig sein. Steht fristgerecht kein Termin zur Verfügung, muss ein ambulanter Termin in einem Krankenhaus angeboten werden. Näheres wird noch im Bundesmantelvertrag konkretisiert werden, etwa auch zu der (spannenden) Frage, in welchen Fällen keine Terminvermittlung indiziert ist.

Fachgruppengleiche MVZ werden zulässig 

Das bisherige Tatbestandsmerkmal „fachübergreifend“ für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) soll entfallen. Es wären künftig also auch reine Radiologen-MVZ zulässig. Der MVZ-Gründerkreis wird zudem um Kommunen ergänzt, die diese auch als Eigen- oder Regiebetrieb öffentlich-rechtlich führen dürfen.

Verlegung einer MVZ-Anstellungsgenehmigung 

Ferner wird in § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV ergänzt, dass die Verlegung einer Arztstelle, also eines „Angestelltensitzes“, unter gleichen Voraussetzungen möglich ist wie die Verlegung eines Vertragsarztsitzes, nämlich stets dann, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Künftig werden somit auch Verlegungen von einem MVZ in ein anderes MVZ oder einen anderen Standort des gleichen MVZ-Trägers (unstreitig) möglich sein; bislang bestanden hier erhebliche Probleme in der Praxis.

Wachstum für unterdurchschnittlich abrechnende Jobsharingpraxen 

Wird in gesperrten Planungsbereichen ein weiterer Arzt in eine Praxis im Rahmen des Jobsharing aufgenommen, wird zurzeit eine Honorarobergrenze fixiert, die nur unwesentlich über dem bisherigen Praxisumfang liegt. Dies gilt selbst dann, wenn die Praxis zuvor unterdurchschnittlich abgerechnet hat. Mit dem GKV-VSG soll dies geändert werden, sodass jede Praxis zumindest bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen kann. Dies birgt Optionen für Einstiegsgestaltungen.

Plausibilitätsprüfung – Zeitprofile angestellter Ärzte 

Dem Vorgehen einzelner Kassenärztlicher Vereinigungen (u. a. Hessen, Berlin), die angestellten Ärzten geringere Zeitprofile als freiberuflich tätigen Vertragsärzten zugewiesen hatten, wird eine deutliche Absage erteilt. Dieser „pauschalen Benachteiligung“ wird ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben.

Gebührenminderung für Zulassungen in unterversorgten Gebieten 

Die Zulassungsausschüsse sollen für Zulassungen in unterversorgten Gebieten keine Gebühren mehr erheben, im Übrigen kann aus Versorgungsgründen auf die Gebührenerhebung verzichtet werden. Bei der Nachbesetzung einer genehmigten Anstellung sind die Gebühren zu halbieren. Entsprechende Anpassungen in § 46 Ärzte-ZV sind vorgesehen.

Neuregelung der „Besonderen Versorgung“ 

Die bislang (wenig systematisch) in §§ 73a, 73c und 140a SGB V geregelten Möglichkeiten von Strukturverträgen und Verträgen integrierter Versorgung werden künftig im neuen § 140a SGB V zusammengeführt. Betont wird dabei, dass in jedem Fall zugelassene ärztliche Leistungserbringer zu beteiligen sind. Ferner wird klargestellt, dass auch Leistungen, die nicht Umfang der Regelversorgung sind, Gegenstand von Verträgen der „besonderen Versorgung“ sein können. Beispielhaft benennt der Gesetzgeber etwa Früherkennung oder neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als zulässige Elemente.

Fazit

Während die Krankenhausträger nach dem Gesetzesentwurf zum GKV-VSG keine größeren Eingriffe zu befürchten haben, trifft es die Vertragsärzteschaft mit den Anpassungen der Nachbesetzungsregelungen, der Prüfung der Einhaltung des Versorgungsauftrags und der Einführung von Terminservicestellen gleich in mehreren Bereichen nachhaltig. Entsprechend deutlich fallen die Proteste von Interessenvertretungen aus. Inwieweit diese noch Änderungen am GKV-VSG erwirken können, bleibt abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden.