Gelten Oberärzte mit Leitungsfunktion oder Liquidationsrecht tarifrechtlich als Chefärzte?

FRAGE | „In unserer Abteilung haben einige Oberärzte eine Leitungsfunktion für bestimmte operative Teilbereiche, aber keine Entscheidungsbefugnis über Personal oder Investitionen. Sie sind also keine leitenden Angestellten. Gleichzeitig haben sie für ihre Teilbereiche eine Liquidationsberechtigung. Kürzlich wurde in unserem Haus die Zeiterfassung für ärztliche Mitarbeiter eingeführt. Dabei kam die Frage auf, ob die Oberärzte mit Leitungsfunktion tarifrechtlich als Chefärzte gelten und damit von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen sind.“

Bezeichnung

Aufgaben und Kompetenzen

Chefarzt (Klinikdirektor, Leitender Krankenhaus-/Abteilungsarzt, Leitender Arzt)

  • Medizinisch verantwortlicher Leiter einer Krankenhausabteilung
  • Fachvorgesetzter des ärztlichen sowie nichtärztlichen Personals
  • Ärztliche Gesamtverantwortung für die Versorgung der Patienten
  • Weisungsunabhängig in Fragen der Diagnostik und Therapie
  • Vorgesetzter: Geschäftsführung des Krankenhauses (Vertreter des Arbeitgebers)

Ärztlicher Direktor

  • Fachbegriff für den (haupt- oder ehrenamtlichen) ärztlichen Leiter eines Krankenhauses
  • Kein einheitliches Aufgabenspektrum (variiert je nach Krankenhaus)

Leitender Oberarzt

  • Ständiger Vertreter des Chefarztes
  • Vertritt den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Aufgaben, vor allem in dessen Abwesenheit

Oberarzt

  • Medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche
  • Aufsichts- und Weisungsrecht gegenüber dem medizinischen Personal (darunter mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II), letztverantwortlich ist der Chefarzt

Sektions-/Bereichs-/Departementleiter

  • Eigenverantwortliche fachliche Leitung eines bestimmten Bereichs in einer Abteilung
  • Bereichsleitung zusätzlich zu einem Oberarztvertrag oder außertariflich
  • Je nach vertraglicher Gestaltung Wahlarzt seines Verantwortungsbereichs
  • Kann liquidationsberechtigt sein oder an den Liquidationseinnahmen beteiligt werden

 

ANTWORT | Das Arbeitszeitgesetz gilt auch für Oberärzte mit Leitungsfunktion. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes gilt nur für den Chefarzt als ärztlichem Leiter einer Krankenhausabteilung. Alle anderen Ärzte werden vom Arbeitszeitgesetz erfasst – auch (außertariflich beschäftigte) Bereichsleiter oder (liquidationsberechtigte) Oberärzte. Für die Anwendbarkeit des Gesetzes kommt es nicht auf die Geltung eines Tarifvertrags oder die Einräumung des Liquidationsrechts an, sondern auf die Freiheit, die Arbeitszeit einzuteilen. Nur dem Chefarzt traut der Gesetzgeber zu, seine Arbeitszeit selbst so einteilen zu können, dass er keinen gesetzgeberischen Schutz benötigt. Ob diese Annahme des Gesetzgebers der Realität entspricht, ist durchaus zweifelhaft, denn auch der Chefarzt ist in die Organisation des Krankenhauses und der Patientenversorgung eingebunden.

(beantwortet von RA und FA ArbR und MedR Marc Rumpenhorst, www.klostermann-rae.de)