„Für MPE muss es attraktiv sein, in die Radiologie zu kommen!“

Medizinphysik-Experten (MPE) haben mit dem neuen Strahlenschutzgesetz, das Ende 2018 in Kraft trat, eine wichtigere Rolle erhalten als zuvor. Radiologen müssen MPE seitdem auch bei Verfahren der Röntgendiagnostik hinzuziehen, die mit einer erheblichen Strahlenexposition des Patienten verbunden sind, etwa der CT. Für Altgeräte räumte der Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2022 ein. Bis dahin muss es gelingen, MPE bei alten und neuen Geräten einzubinden. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) sprach mit dem MPE Uwe Heimann, dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Ihr MPE B+C GmbH ( Ihr-MPE.de ), die Radiologen und Nuklearmediziner berät.

Redaktion: Sind Radiologen sich darüber bewusst, dass sie sich zeitig um MPE kümmern müssen?

Uwe Heimann: Vielen Radiologen ist der volle Umfang nach unserer Einschätzung noch nicht bewusst. Wir vergleichen das gern mit dem Datenschutzbeauftragten. Obwohl das neue Datenschutzgesetz von 2016 war, zeigte sich der eine oder andere Radiologe 2018 überrascht, was die DS-GVO im Detail für seine Praxis bedeutet. Ähnlich ist es heute mit der Pflicht, MPE hinzuzuziehen.

Redaktion: Um welche Details geht es?

Uwe Heimann: Im Wesentlichen geht es um den Umfang der Hinzuziehung des MPE, also um die Aufgaben und Stundenanzahl, die der Gesetzgeber vorsieht. Dazu gibt es Empfehlungen der Strahlenschutzkommission.

Redaktion: Gibt es genug MPE am Markt?

Uwe Heimann: Alle Fachgesellschaften sind sich darin einig, dass das nicht der Fall ist. Es herrscht Fachkräftemangel. Eine neue Richtlinie soll den Erwerb der Fachkunde für MPE beschleunigen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der erfahrenen MPE zunächst rar bleibt. Es werden immer mehr dazu kommen, doch die Frage ist, wie viel Erfahrung sie mitbringen und wie hoch die Qualität ist. Kliniken und große Praxisverbünde werden es etwas einfacher haben als die anderen Praxen.

Redaktion: Sind Kliniken also besser aufgestellt?

Uwe Heimann: Wir nehmen wahr, dass die Medizintechniker der Kliniken sich gut um das Thema kümmern. Sie kennen den Leistungsumfang, den der Gesetzgeber für MPE vorschreibt. Sie sind oft besser vernetzt als die Praxen, weil sie sich intensiver austauschen, z. B. über Fachtagungen. Medizintechniker sind gut im Stoff.

Redaktion: Von welchem Zeitrahmen gehen Sie aus, bis der Bedarf gedeckt ist?

Uwe Heimann: Ich schätze, dass das erst in etwa zehn Jahren der Fall sein wird. In Nuklearmedizin und Strahlentherapie gibt es die Pflicht schon seit 1997. Die Umsetzung der damaligen Richtlinie hat etwa zehn Jahre gedauert. In der Radioonkologie ist der Bedarf allerdings noch immer nicht gedeckt. Nun – also mehr als 20 Jahre später – stehen Radiologen vor einer ähnlichen Situation. Bisher kennen sie den Kampf um MTRA. Auch MPE sind so knapp, dass sie direkt vom Studium abgeworben werden. Die größte Herausforderung im Wettbewerb ist daher, Attraktivität zu schaffen. Man muss es MPE schmackhaft machen, in die Radiologie zu kommen, statt in die Nuklearmedizin und Strahlentherapie zu gehen.

Redaktion: Was macht diese Attraktivität aus, die Entlohnung?

Uwe Heimann: Entlohnung ist immer ein Teil davon. Mit den MPE kommt für viele ein zusätzliches Berufsbild in die Radiologie. Viele Radiologen sind ohne MPE durch ihr Arbeitsleben gekommen. Sie fragen sich, warum ausgerechnet jetzt ein MPE benötigt wird, noch dazu für viel Geld. Das Verhältnis zwischen Arzt und MPE muss also noch wachsen. Das gelingt, indem MPE gut eingebunden werden und der Mehrwert der Dienstleistung klar kommuniziert wird. In der Radioonkologie und Nuklearmedizin ist die Rolle des MPE übrigens schon geschärft. Dort ist im Arbeitsalltag ein gutes Zusammenspiel zwischen Arzt, MTRA und MPE entstanden.

Redaktion: Wie findet eine radiologische Praxis einen guten MPE?

Uwe Heimann: Häufig haben Gerätehersteller und die Ausstatter für radiologische Praxen Kontakte. Am Markt gibt es sowohl Firmen als auch Freelancer. Häufig wird mit einem Kompetenznetzwerk geworben. Grundsätzlich ist die Community der MPE klein und kommunikativ. Unsere Stärke als Firma liegt zusätzlich im täglichen Austausch im Büro mit Kunden und Kooperationspartnern. Bei einigen Webseiten erkennt man auf den zweiten Blick, dass die MPE anderweitig angestellt sind. Sie treten z. B. als GbR auf, nicht als GmbH, deren Angestellte in Vollzeit arbeiten. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass Freelancer nebenberuflich arbeiten und hauptberuflich in einer Klinik angestellt sind.

Redaktion: Ist die Kombination aus haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit Ihrer Ansicht nach eine gute Lösung?

Uwe Heimann: Immerhin ist der Bedarf hoch. Die Frage werden zunehmend die Arbeitgeber beantworten müssen. Angesichts des Wettbewerbs unter den Kliniken schätzen einige Klinikbetreiber es gar nicht, wenn ihre Angestellten nebenberuflich bei der Konkurrenz tätig sind. Wie will ein Arbeitgeber die Einhaltung von Arbeitszeit- und Bundesurlaubsgesetz prüfen? Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer sich während ihres Urlaubs erholen. Es schließt aus, während des Urlaubs im eigenen Beruf zu arbeiten.

Daraus ergibt sich ein weiterer Aspekt: Das neue Strahlenschutzgesetz schreibt Zeiten vor, in denen MPE reagieren müssen. Der Gesetzgeber fordert eine zeitnahe Reaktion, wenn z. B. eine Dosis überschritten wurde. Wie soll ein Freelancer das vertraglich zusichern, wenn er – anders als festangestellte MPE – keine Urlaubs- und Krankheitsvertretung hat? Das könnte ein rein theoretisches Problem sein. Bei der Mitgliederversammlung 2020 des Arbeitskreises Physik und Technik wurde allerdings schon von ersten Bußgeldverfahren berichtet.

Redaktion: Wie ist der Datenschutz gewährleistet?

Uwe Heimann: Das ist ein weiteres Thema. Ein MPE sieht oft personenbezogene Daten. Das erfordert einen hohen Anspruch an die IT-Sicherheit, gerade in Hinblick auf Ransomware-Attacken. Hier muss die Verfügbarkeit der Daten berücksichtigt werden. Auch da geht die Frage an die Auftraggeber: Wie können sie sicherstellen, dass die Daten ihrer Patienten sicher sind? Sollte es eine Vertraulichkeitsverletzung geben, wird die Presse nicht differenzieren, ob die Patientendaten über die Klinik oder den Laptop des Freelancers an die Öffentlichkeit geraten sind.

Redaktion: Worauf sollte bei den Verträgen mit MPE geachtet werden?

Uwe Heimann: Verträge sind unterschiedlich, vom reinen Stundenaufwand bis zur pauschalen Vergütung. Ich empfehle, Verträge über möglichst lange Zeiträume abzuschließen, um den Preis festzulegen. Langfristige Verträge schützen davor, ständig über den Preis zu diskutieren und einen neuen MPE suchen zu müssen.

Redaktion: Was wünschen sich MPE von ihren Auftraggebern, um möglichst gut arbeiten zu können?

Uwe Heimann: Feste Ansprechpartner, eine strukturierte Organisation im Betrieb und ein konstruktives Arbeitsumfeld. Wir möchten, dass unsere Verbesserungsvorschläge besprochen werden. Das geht heutzutage per Videokonferenz oder vor Ort. Termine mit uns können relativ schnell stattfinden. Der Gesetzgeber sieht vor, dass wir auf Verlangen am nächsten Tag vor Ort sind.

Redaktion: Wie muss die Arbeit des MPE dokumentiert werden?

Uwe Heimann: Das ist ganz unterschiedlich. Öffentliche Auftraggeber fordern oft ein detailliertes Dienstleistungsverzeichnis. Bei anderen Auftraggebern reicht ein pauschaler Nachweis. Es sollte allerdings der Anspruch jedes Radiologen sein, die Auswertung seiner Daten mindestens als Monats-, Quartals- und Jahresbericht zu erhalten. Hinzu kommen spezielle Intervalle zur Vorlage bei der ärztlichen Stelle.

Redaktion: Welche Geldbußen drohen, wenn die Vorgaben des Strahlenschutzgesetzes nicht eingehalten werden?

Uwe Heimann: Ordnungswidrigkeiten werden nach einem Bußgeldkatalog geahndet. Das beginnt bei 250 Euro und hört im medizinischen Bereich bei 10.000 Euro auf. Die DS-GVO sieht Strafen in Höhe von 50.000 Euro vor. Doch das Bußgeld ist nicht das ganze Ausmaß. Schwerwiegender ist der Verdienstausfall, falls die Behörde ein Gerät stilllegt. Wer vom 01.01.2023 an ein CT-Gerät in Betrieb nehmen will, muss einen MPE nennen. Das ist Voraussetzung für die Genehmigung. Das gilt auch für die Teleradiologie. Die Strahlzeitverkürzung kann eine radiologische Praxis empfindlich treffen. Deshalb ist der Kampf um die MPE so hart.