Frühwarnsysteme der radiologischen Praxis: Controlling mittels BWA und Praxissoftware

von StB, FB für Heilberufe (DStV e. V.) Joachim Blum und Stb., Dipl.-FW (FH) Christoph Gasten, Partner Kanzlei Laufenberg Michels und Partner, Köln,

Die meisten Radiologen leben betriebswirtschaftlich streng genommen immer in der Vergangenheit. Selbst wenn im Juli bereits die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für das II. Quartal des Jahres vorliegt, spiegelt diese Auswertung eigentlich nicht den aktuellen Stand der Praxis wider. Die Ursache liegt dabei hauptsächlich in der Systematik der Abrechnung.

(Kassen-)Leistungen in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung

Als Freiberufler ist es dem Arzt erlaubt, eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu erstellen. Dies bedeutet, dass jedes Jahr die tatsächlich eingegangenen Einnahmen (steuerlicher Begriff: Betriebseinnahmen) und die tatsächlich gezahlten Kosten (steuerlicher Begriff: Betriebsausgaben) ermittelt werden. Der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben stellt den steuerlichen Gewinn dar, der dann der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Im Gegensatz zu einer Bilanz erfolgt also keine wirtschaftliche Abgrenzung und Zuordnung der Einnahmen und Ausgaben zum Jahr der eigentlichen Leistungserbringung.

Genau darin liegt aus betriebswirtschaftlicher Sicht das Problem: Kassenleistungen werden grundsätzlich verzögert gezahlt. Im Zuständigkeitsbereich der KV Nordrhein beispielsweise werden für jedes Quartal drei Abschlagszahlungen und eine Restzahlung gezahlt. Jede der Zahlungen macht ungefähr ¼ des Gesamthonorars für das Quartal aus. Insgesamt erhält der Arzt also 16 Zahlungen pro Jahr:

  • Einen Abschlag für jeden Monat
  • Eine Restzahlung für jedes Quartal

Die Abschlagszahlungen werden jedoch nicht immer in dem Monat ausgezahlt, in dem auch die ärztliche Leistung erbracht wurde. Die ersten beiden Abschläge eines Quartals werden im Quartal der Leistungserbringung ausgezahlt (Beispiel: Der erste Abschlag für das I. Quartal 2019 wird im Januar 2019 ausgezahlt, der zweite Abschlag wird im Februar ausgezahlt). Der dritte Abschlag hingegen wird drei Monate zeitversetzt ausgezahlt, sodass der dritte Abschlag für das I. Quartal 2019 erst im Juni 2019 ausgezahlt wird, obwohl die Leistung bereits im I. Quartal erbracht wurde. Gleiches gilt für die Restzahlung, die ebenfalls nicht im Monat nach Ablauf des Quartals, sondern erst im vierten Monat nach Ablauf des Quartals gezahlt wird. Die Tabelle unten verdeutlicht die Systematik der Abschlags- und Restzahlungen am Beispiel des Zuständigkeitsbereichs KV Nordrhein.

Zahlungen

Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Abschläge

01.19

02.19

12.18

04.19

05.19

03.19

07.19

08.19

06.19

10.19

11.19

09.19

Restzahlungen

III/18

   

IV/18

   

I/19

   

II/19

   

 

Merke

Vereinfacht ausgedrückt wartet der Arzt am Jahresende noch auf eine Abschlagszahlung und zwei Restzahlungen des Vorjahres und damit nahezu auf ein ¾ Quartalshonorar an Kassenleistungen.

 

Auch die Privatleistungen werden regelmäßig erst vier bis sechs Wochen nach Leistungserbringung gezahlt. Abrechnungsdienstleister bieten zum Teil als Zusatzleistung eine Auszahlung innerhalb von 24 Stunden an. In diesem Fall tritt der Abrechnungsdienstleister (Factoring-Unternehmen) für den Patienten in Vorleistung und überweist das Honorar bereits an den Arzt, bevor der Abrechnungsdienstleister selbst das Geld vom Patienten erhalten hat. Wirtschaftlich ist das vergleichbar mit der Gewährung eines kurzfristigen Kredits, weshalb die Abrechnungsdienstleister hierfür regelmäßig hohe (zusätzliche) Gebühren aufrufen. Im Mittel ist ein Zahlungsziel von vier Wochen realistisch.

Je nach Verhältnis der Einnahmen zwischen Privat- und Kassenleistungen kann die Verschiebung der Einnahmen entsprechend stärker oder schwächer ausfallen. Aufgrund des Umstands, dass in vielen radiologischen Praxen die KV-Honorare den weit überwiegenden Teil des ärztlichen Honorars ausmachen und die Fallwerte im Vergleich zu anderen Fachgruppen überdurchschnittlich hoch sind, ist die wirtschaftliche Auswirkung der zeitlich versetzten Auszahlung häufig sehr hoch.

Folgen für die Praxis

Bei einer langjährig konstant laufenden Praxis fallen die dargestellten Effekte nicht weiter ins Gewicht. Die Honorare, auf die man am Jahresende gewartet hat, sind dann am Jahresanfang für das vorherige Jahr eingegangen. Somit gleicht sich der zeitliche Versatz wieder aus. Aber was ist, wenn die Leistungszahlen der Praxis einmal rückläufig sind?

Beispiel

In einer radiologischen Praxis treten im IV. Quartal 2018 Honorarrückgänge durch Personalwechsel und Patientenrückgänge ein. Im Januar 2019 wird die BWA für das IV. Quartal 2018 erstellt. Diese spiegelt jedoch im Wesentlichen die tatsächlich geflossenen Einnahmen des II. und III. Quartals 2018 wider. D. h.:

  • Die Honorarrückgänge im IV. Quartal 2018 fallen in der BWA für das IV. Quartal 2018 nicht weiter auf. Im Gegenteil, es könnte der Eindruck vermittelt werden, dass die betriebswirtschaftliche Situation der Praxis trotz dieser Probleme nach wie vor gut ist. Ein gefährlicher Trugschluss, der häufig ursächlich für Fehlentscheidungen ist und damit einen Abwärtstrend weiter befeuert.
  • Erst mit der BWA für April 2019, die frühestens im Mai 2019 erstellt wird, macht sich der Honorareinbruch aus dem IV. Quartal 2018 in den Zahlen bemerkbar – also fast ein halbes Jahr später.

 

Was kann die Praxissoftware zur Reduzierung des Problems leisten?

Die Praxissoftware kann Abhilfe schaffen. Da alle Leistungen der Ärzte täglich in der Praxissoftware erfasst werden, bildet diese die Basis für die spätere Abrechnung gegenüber der KV bzw. den Privatpatienten. Über eine Auswertung der erbrachten Leistungen eines Quartals und einer Abschätzung des ärztlichen Honorars (z. B. über die Auswertung der CON-Datei der Abrechnungsziffern und die Auswertung der Statistik über erbrachte Leistungen an Privatpatienten) kann das zu erwartende ärztliche Honorar frühzeitig ermittelt werden. Durch den Abzug der tatsächlichen Kosten steht dann auch das tatsächlich erbrachte wirtschaftliche Ergebnis des jeweiligen Quartals zur Verfügung. Veränderungen in der betriebswirtschaftlichen Situation der Praxis können so frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Wenn Sie Ihrem Steuerberater mit den Buchhaltungsunterlagen auch die Honorarschätzungen auf Basis der Praxissoftware einreichen, kann dieser die Honorarprognosen bereits unterjährig buchen. Soweit sich nach tatsächlichem Zahlungseingang eine Abweichung ergibt, hat im Rahmen der Buchführung lediglich noch eine Korrekturbuchung zu erfolgen.

Praxistipp

Viele Anbieter von Praxissoftware bieten Schnittstellen für die Weiterbearbeitung der abrechnungsrelevanten Daten im Rechnungswesen (sog. Datev-Schnittstelle), sodass zumindest für den Bereich der Privatabrechnung auf eine manuelle Zusammenstellung der erwarteten Honorare verzichtet werden kann.

 

Wechsel zur Gewinnermittlung durch Bilanzierung als Alternative?

Insbesondere größere Praxen ermitteln ihren Gewinn aus Gründen einer höheren Transparenz häufig auf Basis der Grundsätze der Bilanzierung. Sie erfassen also die Einnahmen und Ausgaben der Praxis periodengerecht und unabhängig vom Zahlungszeitpunkt.

Zunächst einmal ist die Buchhaltung bei einer Bilanzierung aufwendiger als bei einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Daraus folgen möglicherweise etwas höhere Kosten für die laufende Finanzbuchführung und den Jahresabschluss. Bei einem Übergang von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Bilanzierung entsteht zudem einmalig ein Übergangsgewinn, der zu einer vorgezogenen Besteuerung führt. Das Finanzamt gewährt auf Antrag die Möglichkeit, den Übergangsgewinn auf zwei oder drei Jahre zu verteilen, um unbillige Härten zu vermeiden. Eine weitere Möglichkeit ist die Mischung zwischen Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Bilanzierung, indem Forderungen und Verbindlichkeiten lediglich für Zwecke des internen Controllings in der Buchhaltung erfasst werden.

Ob im Einzelfall der Wechsel zur Bilanzierung sinnvoll ist oder nicht, lässt sich nicht pauschal beantworten und sollte mit dem Steuerberater abgestimmt werden. Der wesentliche Vorteil der Bilanzierung liegt in der höheren Transparenz und Aussagekraft der Finanzbuchführung bzw. BWA. Daneben kommt gerade in Großpraxen – mit häufigen Veränderungen im Gesellschafterkreis – der Vorteil dazu, dass die Ergebnisabgrenzung bei Gesellschaftereintritten oder -austritten und Anteilsverschiebungen vereinfacht wird.