Fristlose Kündigung vielleicht unwirksam? Dann schon vorauseilend Urlaub gewähren!

von RA Kristian Schwiegk, LL.M., Voß & Partner, Münster, voss-medizinrecht.de

 Mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorsorglich Urlaub für den Fall gewähren, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 25.08.2020, Az. 9 AZR 612/19 ).

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer außerordentlich („fristlos“) und hilfsweise ordentlich („fristgerecht“). In dem Kündigungsschreiben ging es auch um die noch offenen Urlaubsansprüche (siehe Kasten).

Auszüge aus dem Kündigungsschreiben

„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.

Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

 

Das durch Klage des Arbeitnehmers eingeleitete Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht endete mit einem gerichtlichen Vergleich, der keine (ausdrückliche) Regelung zu den Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers enthielt.

Nachfolgend erhob der Arbeitnehmer erneut Klage, mit der er weitergehende Zahlungen des Arbeitgebers zur Abgeltung seiner Urlaubsansprüche begehrte. Nachdem seine Klage in erster und in zweiter Instanz scheiterte, versagte auch das BAG den geltend gemachten Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers.

Begründung

Das BAG begründete seine Ablehnung damit, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers durch die – im Rahmen des Kündigungsschreibens – ausdrücklich bestimmte, vorbehaltlose und unwidersprochene Urlaubsgewährung erfüllt und abgegolten wurden.

Von entscheidender Bedeutung für das BAG war, dass der Arbeitgeber eindeutig zum Ausdruck brachte, den Arbeitnehmer für den angegebenen Zeitraum zur Erfüllung seines Urlaubsanspruchs endgültig von dessen Arbeitspflicht zu befreien und eine Urlaubsvergütung vorbehaltlos zusicherte. Maßgeblich war auch, dass der Arbeitnehmer keine anderslautenden Urlaubswünsche eingewandt hatte.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen und schafft – jedenfalls in ähnlich gelagerten Konstellationen – Rechtssicherheit und weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Allerdings können und sollten die Erkenntnisse aus dem Urteil nicht ungeprüft übernommen werden. Die Tücke liegt hier im Detail: Die Formulierung des Kündigungsschreibens birgt erhebliche Risiken, insbesondere wenn mit einer Reaktion des Arbeitnehmers (z. B. anderslautende Urlaubswünsche, „Krankheit“, usw.) zu rechnen ist.

Zudem gilt es zu beachten, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers stets nicht unerhebliche Prozess- und Kostenrisiken mit sich bringt. Besonders achtsam sollte agiert werden, wenn eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers erwägt wird oder wenn aufgrund der Größe der eigenen Praxis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

Praxistipp

Es empfiehlt sich daher eine anwaltliche Beratung (weit) im Vorfeld des eigenen Handelns. Die

  • rechtssichere Formulierung des Kündigungsschreibens und/oder
  • das Einleiten ggf. erforderlicher vorausgehender Maßnahmen (z. B. eine Abmahnung)

können regelmäßig unangenehme und kostenintensive Überraschungen vor den Arbeitsgerichten vermeiden.