Fehlermanagement: Wie lassen sich Fehler ­weitgehend vermeiden?

Fehler sind definiert als das „vermeidbare Nicht-Erreichen eines angestrebten Ziels“. Sie treten unterschiedlich oft in allen Bereichen unseres Lebens auf. Insbesondere im komplexen Umfeld der modernen Medizin lässt sich ein „Null-Fehler-Ansatz“ praktisch nicht umsetzen. Aufgabe eines Klinikleiters der Radiologie und seiner Mitarbeiter ist es somit, zum einen die Zahl der Fehler möglichst gering zu halten und andererseits dafür zu sorgen, dass die aufgetretenen Fehler möglichst wenig Auswirkungen haben.

Strategien zur Fehlerreduktion

Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von unerwünschten Ereignissen steigt mit der Komplexität von Abläufen kontinuierlich an. Jeder zusätzliche Prozessschritt erhöht die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Angenommen, jede Tätigkeit wird mit einer Chance von 99,5Prozent korrekt ausgeführt. Dann liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler bei der Einzelaktion bei 0,5 Prozent.

Das heißt also: Bei jedem 200. Mal wird statistisch ein vermeidbares unerwünschtes Ergebnis auftreten. Bei einer Prozesskette mit 21 Schritten tritt mindestens ein Fehler dann aber schon mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 10 Prozent – also bei jedem 10. Mal – auf. Wenn Sie die Prozessschritte einer einfachen Diagnostik bzw. Therapie zählen, werden Sie feststellen, dass mehr als 20 Ablaufschritte keine Seltenheit sind.

1. Prozesse einfach gestalten

Da die Abläufe im Krankenhaus immer komplizierter und aufwendiger werden, steigt das statistische Risiko für Fehler ständig. Ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Fehlern ist es daher, Prozesse möglichst einfach zu gestalten. Jeder entbehrliche Prozessschritt, der weggelassen wird, senkt die Fehlerwahrscheinlichkeit.

2. „Robuste“ Prozesse schaffen

Ein weiteres wirksames Werkzeug im Umgang mit Fehlern ist es,

„robuste“ Prozesse zu schaffen, in denen sich die aufgetretenen unerwünschten Ereignisse nicht oder nur wenig auswirken. In der Buchhaltung ist beispielsweise das „Vier-Augen-Prinzip“ bei wichtigen Tätigkeiten Pflicht.

3. Werkzeuge des QM nutzen

Auch Werkzeuge des Qualitätsmanagements (QM) helfen, mehr Sicherheit zu schaffen. Checklisten beispielsweise sind ein probates Mittel gegen das Vergessen von wichtigen Vorbereitungen für eine Untersuchung oder Behandlung. In einem durch eine Verfahrensanweisung („Standard Operating Procedures“ = SOP) standardisierten Ablauf fallen fehlerverursachende Abweichungen schneller auf und können dann oft noch vermieden werden.

Geräte können ebenfalls helfen, Fehler zu vermeiden. Hier wird durch die Industrie allerdings schon sehr viel getan, sodass eigene Aktivitäten kaum erforderlich sind.

4. Fehlerkultur schaffen

Um einen konstruktiven Umgang mit aufgetretenen Fehlern zu pflegen und aus ihnen lernen zu können, sind Offenlegung und Diskussion der Ereignisse unerlässlich. Und hier stellt sich bereits die schwierigste Aufgabe im Fehlermanagement überhaupt: die Mitarbeiter zur Meldung der eigenen Fehler zu motivieren. Hierfür bedarf es der oft zitierten „Fehlerkultur“. Bei allen unerwünschten Ereignissen muss der Sachverhalt im Vordergrund stehen und nicht der „Täter“. Die richtige Frage zu Beginn lautet daher: „Was ist passiert?“ und nicht „Wer war das?“

Eine andere wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Fehlermanagement ist es, dass über die Fehler aller Mitarbeiter geredet wird. Wenn der Chef oder die Oberärzte grundsätzlich nie in der Fehlerliste auftauchen, werden auch die übrigen Mitarbeiter kaum bereit sein, ihre Missgeschicke zu melden. Auch nimmt diese Vorgehensweise den jüngeren Ärzten jede Chance, von den Erfahreneren zu lernen und deren Fehler nicht unnötig zu wiederholen.

Es ist für die Beteiligten oft nicht ganz einfach, eigene Fehler offen anzusprechen. Da aber allen Beteiligten im Grunde klar sein muss, dass auch Führungspersonen nicht immer fehlerfrei arbeiten können, sollte es auch möglich sein, dies offen zu diskutieren. Wenn die Abteilung gut geführt ist, wird auch das Ansehen der Leitung keinen Schaden nehmen.

Vier Typen von Fehlerursachen

Bei der Bewertung von Fehlhandlungen hat sich eine Klassifikation mit vier Typen bewährt. In Abhängigkeit von den Umständen werden folgende Gruppen unterschieden:

1. Die Tätigkeit wird sicher ­beherrscht

Die Fehlerursache ist ein sogenannter „Ausrutscher“. Beispiel: Ein Kollege, der die Abdomensonografie sicher beherrscht, übersieht eine kleine Raumforderung, obwohl er die Untersuchung wie immer durchgeführt hat. In solchen Fällen ist eine Reaktion durch die Führung entbehrlich. Nur wenn die Ausrutscher sich bei einer Person häufen, sollte darüber nachgedacht werden, ob eine Überlastung des Kollegen vorliegt.

2. Unkenntnis

Der Ausführende und seine Umgebung haben irrtümlich geglaubt, er beherrsche die Tätigkeit. Dann hat er einen Fehler gemacht. Hier besteht die richtige Reaktion in der Durchführung von Schulungsmaßnahmen. Nur durch Wissensvermittlung kann eine Wiederholung des gleichen oder ähnlicher Fehler verhindert werden.

3. Fehler durch Mängel in der Ablauforganisation

Der Ausführende hat „alles richtig gemacht“, dennoch ist es zu einem Fehler gekommen, weil es einen Fehler in der Ablauforganisation gab. Beispiel: Obwohl exakt nach einer bestehenden SOP vorgegangen wurde, ist eine Unverträglichkeitsreaktion aufgetreten. Die hierfür verantwortliche seltene Veranlagung wurde bei der Erstellung der SOP nicht berücksichtigt. In einem solchen Fall sollte die Anweisung überarbeitet und entsprechend geändert werden.

4. Der Ausführende hat wider besseren Wissens gehandelt

Hier liegt der einzige Fall vor, in dem eine negative Sanktionierung nicht ausbleiben kann. Bei grober Fahrlässigkeit oder gar böswilligem Vorgehen muss dem Mitarbeiter mindestens unzweifelhaft klargemacht werden, dass ein solches Verhalten nicht geduldet werden kann und auch nicht geduldet wird. Erfreulicherweise ist dieser Typ des Fehlers selten zu beobachten.

Fazit

Der Umgang mit Fehlern stellt große Anforderungen an alle Beteiligten, vor allem aber an den Chef. Er muss Vorbild sein und auch eigene Fehlhandlungen offen darstellen. Für den Umgang mit Fehlern anderer Personen wird von ihm hohe Fairness verlangt – nur so kann die angestrebte Kultur entstehen. Zusammenfassend einige Grundsätze der Fehlermanagements:

  • Fehler lassen sich nicht vollständig vermeiden.
  • Die Komplexität der Prozesse in der Medizin steigert die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlern.
  • Einen Prozess möglichst einfach zu gestalten kann helfen, Fehler zu vermeiden.
  • Stabile Prozesse verhindern die negativen Wirkungen eines Fehlers.
  • Die oft geforderte Fehlerkultur erfordert die aktive Mitarbeit der Leitung, die auch eigene Fehler eingestehen und mit denen anderer fair umgehen muss.

Es lassen sich somit vier Fehlertypen darstellen, die unterschiedliches Handeln erfordern:

Fehlertyp

Maßnahme

Ausrutscher

In der Regel keine Maßnahmen nötig

Unwissen

Schulung erforderlich

System­fehler

Änderung der Vorgaben

Handlung wider besseren Wissens

­Sanktionen