„Fachkräfte im Ausland zu finden, erfordert Zeit und Geduld!“

Der Fachkräftemangel ist mit den Händen greifbar. Viele radiologische Institute und Praxen suchen nach qualifizierten MTRA und MFA. Der Blick geht zunehmend über die Grenzen Deutschlands hinaus. Personaldienstleistungsunternehmen haben sich auf das Anwerben von medizinischem Personal aus dem Ausland spezialisiert. Eines von ihnen ist care:republic. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) sprach mit dessen Geschäftsführer Martin Hirnickel-Reinke.

Redaktion: Was müssen radiologische Kliniken, MVZ und Praxen beachten, wenn sie Personal aus dem Ausland anwerben möchten?

Martin Hirnickel-Reinke: Wenn ein radiologisches Institut sich nicht wirklich mit der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland auseinandersetzt, funktioniert es nicht. Zum Prozess gehören u. a. Online-Interviews, Visumsantrag, beglaubigte Übersetzungen von Diplomen und Führungszeugnissen, berufliche Anerkennung, Vertragsprüfung sowie die sprachliche und fachliche Weiterqualifizierung. Die deutschen Behörden brauchen viele Monate, um die Qualifikationen anzuerkennen. Nur selten sind die Fachkräfte fertig ausgebildet. Wie zeitintensiv dieser gesamte Prozess ist, wird oft unterschätzt. Die Häuser sollten sich nicht scheuen, einen Personaldienstleister hinzuzuziehen. Die Dienstleister arbeiten mit Agenturen zusammen, die im Ausland ansässig und dort gut vernetzt sind. Von Deutschland aus stehen die Chancen sehr schlecht, Zugang zu ausländischen Märkten zu bekommen.

Redaktion: Wie kann ein Haus das Procedere beschleunigen?

Martin Hirnickel-Reinke: Wenn die Bewerber sich noch in ihrem Heimatland befinden, ist es gut, wenn der deutsche Arbeitgeber eine Absichtserklärung abgibt. Ideal ist ein Einstellungsvertrag. Ein großes Problem ist der Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten. Es hilft ja nichts, wenn die Menschen aus dem Ausland zwar einen Job in München oder Hamburg bekommen, aber kein Dach über dem Kopf haben. Da zu unterstützen, ist hilfreich.

Redaktion: Aus der Ukraine sind etwa 900.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Ein Ansatzpunkt?

Martin Hirnickel-Reinke: In die ukrainische Community hineinzukommen, gelingt zurzeit ganz gut. Darüber lassen sich auch russische Bewerber erreichen, denn beide Nationalitäten sind schon wegen der gemeinsamen Sprache eng miteinander verbunden. Wenn Radiologen oder Praxismanagerinnen sich in Hilfsprojekten engagieren, kann das zu guten Kontakten führen. Tage der offenen Tür und Kurzpraktika eignen sich, um Bewerber näher kennenzulernen. Problematisch ist allerdings, dass Menschen aus der Ukraine wenig Deutsch sprechen. Im Gegensatz zu Bewerbern, die in ihrem Heimatland die Wartezeit zum Deutschlernen nutzen konnten, hatten sie diese Zeit nicht. Ich möchte nicht wissen, wie viele medizinische Fachkräfte von der Gastronomie abgeworben wurden, weil die Sprache dort nicht ganz so notwendig ist.

Redaktion: Sind Social-Media-Kampagnen im Ausland Erfolg versprechend?

Martin Hirnickel-Reinke: Sie sind in den vergangenen Jahren sehr teuer geworden. Wer es richtig machen will, muss viel Geld investieren. Jede Kampagne muss speziell auf das Recruiting-Land abgestimmt sein. Das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch das Nutzerverhalten. So nutzt medizinisches Fachpersonal vieler Länder die klassischen Social-Media- Plattformen nicht so intensiv wie Ärzte es beispielsweise tun. Im Baltikum suchen wir qualifiziertes Personal daher eher über Jobplattformen. In Deutschland nutzen medizinische Fachkräfte zwar auch Xing und Facebook, jedoch weniger den Stellenmarkt. Es wird eher gepostet und gebloggt.

Redaktion: Wie könnte man die Blogs bei der Personalsuche für sich nutzen?

Martin Hirnickel-Reinke: Spannender als große Social-Media-Kampagnen sind z. B. Erfahrungsberichte in Foren. So könnte eine MTRA aus dem Ausland, die in Deutschland bereits eine neue Stelle angetreten hat, von den Hürden berichten. Sie könnte schildern, wie Kenntnisprüfung und berufliche Anerkennung sich bewältigen ließen und wie sie dabei von ihrem Arbeitgeber unterstützt wurde. Das lesen viele Leidensgenossen. Wir wurden bei care:republic nach der Veröffentlichung von Erfahrungsberichten schon von medizinischem Personal angeschrieben und gefragt, wie wir weiterhelfen könnten. So entstehen wichtige Kontakte zu Menschen, die aktiv eine Stelle suchen.

Redaktion: Blogbeiträge lassen sich also für das digitale Empfehlungsmarketing nutzen?

Martin Hirnickel-Reinke: Genau. Das geschieht natürlich in beide Richtungen. Auch schlechte Erfahrungen werden gepostet. Wer sein radiologisches Institut oder seine Praxis empfehlen möchte, sollte auf die Wertschätzung, die dort MTRA und MFA entgegengebracht wird, hinweisen. Je größer das Haus, desto schwieriger ist das. Doch Wertschätzung ist für die Mitarbeiterbindung extrem wichtig. Sie muss nicht immer über Geld ausgedrückt werden. Da findet langsam ein Wandel statt. Dennoch sind viele Häuser noch viel zu unflexibel. Sie leben ihre Tarifverträge sehr starr statt ihren Bewerbern auch Wohnraum und Kitaplätze anzubieten.

Redaktion: Ihr Fazit?

Martin Hirnickel-Reinke: Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, geht nicht von heute auf morgen. Es ist eine mittelfristige Investition in die Zukunft.

Weiterführende Hinweise