Europäischer Gerichtshof schafft neue Kostenfalle

von Rechtsanwalt René T. Steinhäuser, Rechtsanwälte Wigge, www.ra-wigge.de

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom 20. Januar 2009 (Az: C-350/06) zugunsten eines Arbeitnehmers, dass dessen Urlaubsanspruch aus dem Vorjahr entgegen dem Bundesurlaubsgesetz über den 31. März des Folgejahres hinaus besteht und nicht verfällt. Konkret ging es um den Urlaubsanspruch eines dauerhaft und bis zum Ende seiner Beschäftigung erkrankten Arbeitnehmers, der aufgrund der Erkrankung und anschließenden Verrentung keinen Urlaub nehmen konnte. Für Einzelpraxen, Gemeinschaftspraxen und MVZ birgt diese neue Rechtsprechung ein erhebliches Kostenrisiko.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Früher konnten Ärzte das Arbeitsverhältnis eines dauerhaft erkrankten Arbeitnehmers kostenneutral fortführen. Nunmehr sieht sich ein Arzt als Arbeitgeber dem Urlaubsabgeltungsanspruch seines erkrankten Arbeitnehmers ausgesetzt, nicht nur über den 31. März eines Folgejahres nach der Entstehung des Urlaubsanspruches hinaus, sondern über Jahre hinweg. Bei einer Verrentung oder zum Beispiel einer Kündigung des Arbeitnehmers während oder unmittelbar im Anschluss an eine krankheitsbedingte Abwesenheit besteht ein Abgeltungsanspruch des nicht genommenen Urlaubs.

In dem vor dem EuGH verhandelten Fall war ein Arbeitnehmer über zwei Jahre durchgehend erkrankt und konnte krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Anschließend wurde er verrentet, so dass ihm der Urlaub nicht mehr gewährt werden konnte. Die Abgeltung des Urlaubsanspruchs hatte der Arbeitgeber unter Hinweis auf die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgelehnt – jedoch ohne Erfolg. Der Arbeitnehmer setzte sich durch: Der EuGH sprach ihm einen Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs von acht Wochen zu.

Das Urteil hat grundsätzlich Bedeutung für unbefristete und befristete Arbeitsverträge sowohl mit ärztlichem und nichtärztlichem Personal. Unbefristet angestellten Arbeitnehmern gegenüber kann regelmäßig unter Einhaltung der Kündigungsfrist eine Kündigung oder, sofern das Kündigungsschutzgesetz auf die Arztpraxis Anwendung findet, eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Die wirtschaftliche größte Bedeutung hat die EuGH-Entscheidung bei der Anstellung eines Vertragsarztes. Wird ein Vertragsarzt mit dem Ziel, dass dieser seine Zulassung einbringt, angestellt, kann ihm meist nicht ohne besonderen Grund das – häufig langfristig angelegte – Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Erkrankt ein solcher Angestellter, kann es teuer für die Praxis werden.

Fazit

Bei neuen Verträgen sollten der oder die Praxisinhaber die Rechtsprechung bereits bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen und sich möglichst ein eindeutiges Kündigungsrecht für den Fall einer dauerhaften Erkrankung vorbehalten. Allerdings wird diese Klausel nicht immer leicht zu vereinbaren sein, da sie alleine dem Interesse des Arbeitgebers entspricht.