„Ein guter Berater trägt sich selbst, weil er die Ausgaben deutlich senkt!“

Radiologische Praxen und Abteilungen müssen erheblich in Medizintechnik investieren, um eine gute Versorgung zu gewährleisten. Doch was sind MRT- und CT-Geräte nach einer gewissen Zeit noch wert? Stimmen die in der Buchhaltung aufgeführten Restwerte mit den tatsächlichen Werten überein? Jörg Franz, Ing. grad., ist zertifizierter Sachverständiger für radiologische Geräte und Einrichtungen sowie für die Bewertung von Arztpraxen. Er ist Mitglied im Verband Deutscher Gutachter und Sachverständiger (DGuSV) und im Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter (BDSF). Ferner ist er Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des auf Radiologie spezialisierten Beratungsunternehmens Medical Systems Consulting Ltd. mit Sitz in Großbritannien. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte ihn nach Buch-, Markt- und Nutzwerten.

Redaktion: Wie realistisch schätzen niedergelassene Radiologen den Wert ihres Geräteparks ein?

Jörg Franz: Zum großen Teil schätzen sie den Wert viel zu hoch ein. Denn sie orientieren sich an den Anschaffungspreisen und den Abschreibungswerten, die der Steuerberater errechnet und im Anlagevermögen ausweist. Der Gesetzgeber schreibt für die Geräte einen Abschreibungszeitraum von acht Jahren vor. Wünschenswert wären aber kürzere Abschreibungszeiten, die der heutigen Wertentwicklung eher entsprechen.

Redaktion: Könnte man mit seinem Finanzamt kürzere Abschreibungszeiten vereinbaren?

Jörg Franz: Ja, dann muss aber eine geringere Nutzungsdauer begründet werden. Ein Argument wäre z. B. überhöhter Geräteverschleiß bei einer Praxis, die täglich von 7 bis 20 Uhr und evtl. sogar zusätzlich am Samstag geöffnet hat, im Vergleich zu einer Praxis mit den üblichen Öffnungszeiten. Bei einem hohen Patientenvolumen kann ein Gerät wie z. B. ein Computertomograf bereits nach fünf Jahren erneuerungsbedürftig sein.

Redaktion: Sind andere Geräte länger als acht Jahre wirtschaftlich?

Jörg Franz: Die Qualitätsrichtlinien in der Radiologie sind nicht an ein Maximalalter der Geräte gekoppelt. Ein 12 oder 14 Jahre altes Gerät kann in Einzelfällen durchaus noch die Qualitätsvorgaben erfüllen. Der Radiologe als Betreiber eines „alten“ Geräts erhält die gleiche Vergütung wie ein Kollege, der ein vor kurzem angeschafftes Spitzengerät nutzt. Die Frage ist allerdings, ob es diagnostisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, ein Gerät so lang zu betreiben.

Wann eine Neuanschaffung notwendig wird, hängt häufig auch von der Konkurrenzsituation einer Praxis ab. In großstädtischen Zentren mit entsprechender Praxisdichte informieren Patienten sich schon über Leistungsfähigkeit und technische Ausstattung der radiologischen Geräte und vergleichen – wenn auch laienhaft. Speziell beim MRT schauen die Patienten vermehrt auf die Feldstärke und denken, ein 3 Tesla System muss besser sein als ein MRT mit 1,5 Tesla.

Redaktion: Wie kommt es, dass die Geräte so schnell an Wert verlieren?

Jörg Franz: Pauschal betrachtet verlieren nicht alle Geräte gleich schnell an Wert. Es hängt vom jeweiligen Gerät und der Situation ab. Ein Beispiel ist der MRT. Hier haben wir den Trend zu Systemen, die zum Kühlen kein oder nur noch sehr wenig Helium brauchen. Die Magneten sind gekapselt, wodurch der bisher alltägliche Heliumverlust entfällt. Gleichzeitig sind nicht seltene Magnetstörungen wie ein Quench ausgeschlossen, die zu beheben zu mehrtägigen Nutzungsausfällen und Kosten von ca. 50.000 Euro führen. In Zeiten steigender Energiekosten spielt auch der geringere Stromverbrauch der neuen Systeme eine wichtige Rolle. Neue Geräte haben meist kürzere Untersuchungszeiten, was bei gleichen Praxiszeiten einen höheren Patientendurchsatz ermöglicht.

Kurz: Die technische Entwicklung in der Medizintechnik ist ein Grund für den Wertverlust, sie arbeitet der langen Abschreibungsdauer entgegen.

Redaktion: Wie ist es bei den Durchleuchtungsgeräten?

Jörg Franz: Deren Betrieb ist durch den Einsatz anderer modernerer und strahlungsfreier Untersuchungsmethoden nicht mehr wirtschaftlich möglich. Wenn eine Praxis vor wenigen Jahren noch ein Durchleuchtungsgerät für 300.000 bis 400.000 Euro angeschafft hat, dieses noch gute Bilder liefert und laut Steuerberater einen erheblichen Wert im Anlagevermögen der Praxis hat, kann der Praxisbetreiber nicht verstehen, wenn ein Sachverständiger dieses Gerät mit null Euro bewerten muss. Dabei vergisst der Gerätebetreiber, dass nur noch zwei Patienten pro Woche kommen, das Gerät aber trotzdem hohe Wartungs-, Fix- und Personalkosten verursacht sowie 25 bis 30 Quadratmeter teure Praxisfläche blockiert. Das ist in höchstem Maße unwirtschaftlich. Wenn der Inhaber Glück hat, findet er einen Händler, der das Gerät kostenlos demontiert und es ganz oder teilweise in Drittländer verkauft.

Redaktion: Sie sagten, dass der Wert auch situationsabhängig sein könne. Wieso?

Jörg Franz: Nehmen wir als Beispiel eine radiologische Praxis mit vier Gesellschaftern. Einer scheidet aus und will sich seinen Anteil ausbezahlen lassen. Entscheidend ist hier nicht der Marktwert des Geräteparks, sondern was die übrigen drei Teilhaber mit dem Gerät leisten und welchen Umsatz sie damit erzielen können. Dieser Nutzwert kann um einiges höher, aber auch niedriger als der Marktwert sein. Wird z. B. eine schlecht laufende Praxis veräußert, tendiert der Gerätewert meistens gegen null. Die gleichen Geräte können bei einer gut laufenden Praxis, die lagebedingt zusätzlich keinem starken Wettbewerb unterliegt, einen deutlich höheren Wert erzielen.

Auch für eine Einzelpraxis, in deren Einzugsgebiet sich ein Konkurrent ansiedelt, ändert sich die Situation deutlich. Oder aber eine Praxis in der Nachbarschaft bietet Untersuchungen in einem 3 Tesla Gerät an und zieht damit Patienten ab. Es gibt viele situative Gründe, die den aktuellen Gerätewert beeinflussen und einen Praxisbetreiber zu einer Neuinvestition zwingen.

Redaktion: Lohnt es sich, gebrauchte Geräte zu verkaufen?

Jörg Franz: Entscheidend für die Antwort sind in erster Linie der Zeitpunkt des Verkaufs und in zweiter Linie der Grund. Bleiben wir beim MRT: Die Anschaffung kostet im Mittelwert 800.000 Euro. Hinzu kommen etwa 30 Prozent des Anschaffungswerts für Transport, Umbau, Klimatechnik, Elektrotechnik, Hochfrequenz(HF)-Käfig usw. Das macht zusätzliche 250.000 bis 270.000 Euro aus. Wer ein Gerät nach einem Jahr wieder verkauft, nimmt enorme Verluste in Kauf. Der Wertverlust verläuft nicht, vergleichbar der Abschreibung, linear. Die Differenz zwischen Anschaffungskosten und erzielbarem Verkaufspreis ist in den ersten Betriebsjahren am größten und wird danach nur langsam geringer.

Redaktion: Bei welchen Gelegenheiten fällt auf, dass die Geräte weniger wert sind als gedacht?

Jörg Franz: Meistens erst dann, wenn die Praxiszahlen wegen der Aufteilung einer Gemeinschaftspraxis, der Trennung der Partner, Nachfolgersuche, Verkauf an eine Anlagegesellschaft oder einer Ehescheidung analysiert werden. Solange das Geld fließt, gibt es für viele Praxisinhaber keinen Grund, auf die betriebswirtschaftlichen Zahlen zu gucken. Viele Praxen sind gemäß Definition der Finanzverwaltung von den Umsatzzahlen her durchaus mittlere oder sogar große Wirtschaftsunternehmen, werden aber betriebswirtschaftlich laienhaft geführt.

Redaktion: Wann kommen Sie ins Spiel?

Jörg Franz: Traurigerweise oft erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wenn Geschäftspartner sich zerstritten haben, ein Teilhaber verstorben ist oder sich eine Scheidung abzeichnet, stehen alle mit dem Rücken zur Wand. Ich empfehle Praxisbetreibern, den Wert alle fünf Jahre durch einen Sachverständigen mit Marktkenntnis schätzen zu lassen. Ein reales Bild ist für die Zukunftsplanung wichtig, um auf geänderte Situationen und den Markt reagieren zu können.

Redaktion: Sind Kliniken ähnlich aufgestellt?

Jörg Franz: In den Kliniken ist die wirtschaftliche Situation durch die staatliche Unterstützung und Fördermittel eine völlig andere. Sie messen mit anderen Maßstäben und sind keine Wettbewerber für den niedergelassenen Arzt. Sie müssen z. B. ein Durchleuchtungsgerät vorhalten, auch wenn es betriebswirtschaftlich unsinnig ist.

Redaktion: Sollten radiologische Praxen denn – ähnlich wie das in den Kliniken der Fall ist – einen Betriebswirt fest anstellen?

Jörg Franz: Das wirtschaftlich Beste ist, einen nachweislich qualifizierten Fachberater zu suchen, Vertrauen aufzubauen und ihn bei allen Fragen zu Gerätetechnik und zur Beschaffung einzuschalten. Berater mit einer guten Marktkenntnis können dem Praxisinhaber beim Gerätekauf viel Geld sparen, wenn sie Preisverhandlungen mit den Herstellern führen. Sie kennen die Preise, die für Neugeräte am Markt ausgewiesen werden, und die deutlich günstigeren Preise, die tatsächlich gezahlt werden. Auch in Wartungsverträgen, die mit den Herstellern bereits beim Gerätekauf ausgehandelt werden, steckt ein hohes Sparpotenzial.

Ab einer gewissen Größe der Praxis ist es empfehlenswert, sowohl einen Vollkaufmann als auch einen Berater zu beschäftigen. Sie halten der ärztlichen Leitung der Praxis den Rücken frei, sodass sie sich auf ihr „Kerngeschäft“ konzentrieren kann.

Redaktion: Manche Praxis scheut aber die Kosten für den Berater.

Jörg Franz: Ein guter Berater verursacht keine zusätzlichen Kosten, sondern trägt sich wirtschaftlich selbst.

Vielen Dank!