Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer jameda: „Wir behandeln alle Ärzte gleich“

Im Februar 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil zum Geschäftsmodell des Online-Bewertungsportals jameda bundesweites Aufsehen erregt: Zwar wird nicht die Plattform an sich infrage gestellt. Die Richter bestehen aber auf Nachbesserungen. Dr. Florian Weiß, Geschäftsführer von jameda, erläutert im Gespräch mit Bernd Hein, Fachjournalist Gesundheitswesen, warum die Veröffentlichung von Kritik durch Patienten den Ärzten eher nützt als schadet.

FRAGE | „Herr Dr. Weiß, nach dem BGH-Urteil mussten Sie das Profil einer Ärztin löschen. Bedroht die Rechtsprechung Ihr Geschäftsmodell, zu dem auch der Anspruch der vollständigen Listung niedergelassener Ärzte gehört?“

ANTWORT | Unser Ziel ist es, Ärzte und Patienten passgenau zusammenzuführen, indem wir die Transparenz über Leistungen niedergelassener Ärzte erhöhen. Vollständige Arztlisten sind hierfür ein elementarer Baustein. Das BGH-Urteil hat das grundsätzliche Recht auf vollständige Listung nicht infrage gestellt. Vielmehr haben die Richter befunden, dass Portale wie jameda Ärzte dann nicht ohne ihr Einverständnis führen dürfen, wenn im näheren Umfeld ihres Eintrags Anzeigen für relevante andere Ärzte in der unmittelbaren Umgebung erscheinen. Diese Anzeigen haben wir von der Plattform entfernt, sodass sich kein Anspruch auf Löschung aus unserem Verzeichnis ergibt.

FRAGE | „Welchen Vorteil haben Ärzte, die eine Mitgliedschaft in Ihrem Portal bezahlen, gegenüber jenen, die dort kostenfrei erwähnt sind?“

ANTWORT | Mit einem jameda-Premium-Profil können sich Ärzte den über 6 Mio. Patienten auf der Plattform präsentieren. Man kann dies mit einer Homepage vergleichen, die umfangreiche Informationen, Expertenartikel, Bilder und Videos enthält und die den Patienten Orientierung bei der Suche nach dem passenden Arzt gibt. Einen Einfluss auf die Position in den jameda-Ärztelisten oder auf den Umgang mit Bewertungen hat der Kundenstatus nicht. Wir behandeln alle Ärzte gleich.

FRAGE | „Was denken Sie über die Haltung des BGH, eine kommerzielle Nutzung der Einträge auf jameda verletze den Datenschutz?“

ANTWORT | Das Urteil stellt keinen allgemeinen Zusammenhang zwischen dem Datenschutz und der kommerziellen Nutzung der Einträge her. Das Recht auf eine umfassende Darstellung auf unserer Seite gegen Entgelt wird also nicht infrage gestellt. Hervorgehoben wird aber, dass ein Plattformbetreiber, der vollständige Arztlisten anbieten möchte, neutral agieren muss. Diese Neutralität ist auch für uns von höchster Bedeutung, weshalb wir Kunden im Hinblick auf Bewertungen in keiner Weise bevorteilen.

FRAGE | „Im Schnitt zeigen Ärzte, die mit jameda einen Vertrag geschlossen haben, tendenziell nicht nur mehr Bewertungen, sondern auch eine bessere Stellung im Ranking als die Kollegen, die keine jameda-Kunden sind. Ist dieser Eindruck korrekt?“

ANTWORT | Es ist möglich, dass Ärzte mit einem Premium-Eintrag im Durchschnitt mehr oder bessere Bewertungen haben. Hier darf jedoch Korrelation nicht mit Kausalität verwechselt werden. Vielmehr gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, weshalb sie bessere oder mehr Bewertungen haben.

Vielleicht legen diese Ärzte größeren Wert auf zufriedene Patienten, führen ihre Praxen kundenfreundlicher, haben die Vorteile des Praxismarketings für sich entdeckt oder bitten ihre Patienten aktiv darum, ihre Erfahrungen auf jameda zu teilen. Andersherum ist es möglich, dass sich Ärzte, die zeitweilig viele gute Bewertungen bekommen haben, eher für ein Premium-Profil entscheiden, um Zusatzinformationen auf ihrem Profil zu hinterlegen. Auf keinen Fall – dieser Punkt ist uns sehr wichtig – können sich Ärzte mit einem Premium-Profil positive Bewertungen kaufen oder negative Bewertungen gegen Geld löschen lassen.

FRAGE | „jameda soll Patienten informieren und ihnen die Entscheidung erleichtern, welchen Arzt sie konsultieren. Sehen Sie auch für die Ärzte, die negative Kritik erhalten haben, Vorteile durch Ihr Portal?“

ANTWORT | jameda hilft Ärzten, passende Patienten für ihre Praxis zu gewinnen. Als Deutschlands größte Arztempfehlung bieten wir Ärzten die Möglichkeit, ihre Praxis und ihr Leistungsspektrum ausführlich und zielgerichtet zu präsentieren – und zwar dort, wo die meisten Patienten sind. Zudem sind wir Marktführer für die Online-Terminvergabe – ein Service, mit dem Ärzte gezielt Patienten gewinnen, Praxisabläufe optimieren und Terminausfälle reduzieren können. Alle Bewertungen sind hilfreich, weil sie ein wertvolles Feedback bilden. So ergab eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg, dass 55 Prozent der auf jameda registrierten Ärzte aufgrund der Bewertungen Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenzufriedenheit durchführen.

FRAGE | „Ein Arzt berichtet, dass durch jameda-Beurteilungen erheblicher Druck entsteht. Patienten könnten ungefiltert ungerechtfertigte Kritik veröffentlichen. Was halten Sie von dieser Meinung?“

ANTWORT | Bei Online-Bewertungen handelt es sich immer um subjektive Erfahrungen, die z. B. ein Patient in einer Praxis gemacht hat. Essenziell ist, dass die Kritik fair und nicht beleidigend ist und dass sie keine falschen Tatsachenbehauptungen enthält. Aus diesem Grund hat jameda ein Qualitätssicherungsverfahren implementiert, das Bewertungen mithilfe von Algorithmen und manuell überprüft. Zudem hat jeder Arzt in Deutschland die Möglichkeit, sich über Bewertungen automatisch informieren zu lassen und einen Prüfprozess einzuleiten, wenn ihm eine Bewertung nicht rechtmäßig erscheint. Auch kann jeder Arzt seine Bewertungen kommentieren.

Zusätzlich arbeiten wir an einer neuen Form der Arztsuche, die neben Erfahrungsberichten von Patienten weitere – objektive – Qualitätsindikatoren berücksichtigt. Mit der Konferenz „Arztsuche 3.0 – Versorgungsqualität transparent machen“ (www.arztsuche3null.de), haben wir eine intensive Diskussion unter allen Verantwortlichen angestoßen.

FRAGE | „Die Anonymität der kommentierenden Nutzer senkt deren Hemmschwelle, unwahre Behauptungen oder kurzsichtige Reaktionen auf beispielsweise emotional belastende Situationen ins Netz zu stellen. Wie beurteilen Sie die Zuverlässigkeit der dadurch zustande kommenden Noten?“

ANTWORT | Wir ermöglichen eine anonyme Bewertungsabgabe, da wir überzeugt sind, dadurch aussagekräftigere Erfahrungsberichte zu erhalten. Wer möchte schon unter einem Klarnamen von seinem Besuch beim Gynäkologen, Urologen oder Psychiater berichten? Das Ergebnis nicht anonymer Bewertungen wäre ein verkürzter Bericht mit wenig Aussagekraft.

Gleichzeitig sind wir uns der Verantwortung bewusst und betreiben sehr viel Aufwand, um nur authentische Bewertungen zu veröffentlichen. Manipulierte Bewertungen sowie solche, die Schimpfwörter enthalten, werden zuverlässig identifiziert und nicht veröffentlicht.

FRAGE | „Sie löschen immer wieder kritische Kommentare. Nach welchem Prinzip gehen Sie dabei vor, um trotzdem die Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit Ihres Portals sicherzustellen?“

ANTWORT | Bewertungen werden nach umfangreicher Prüfung entfernt, wenn sie

  • entweder den rechtlichen Anforderungen nicht genügen, also falsche Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen oder Schmähkritik enthalten, oder
  • unseren Nutzungsrichtlinien nicht entsprechen und es sich etwa um Eigen- oder Mehrfachbewertungen handelt und die Authentizität nicht nachzuweisen ist.

Trotz unseres sehr zuverlässigen Prüfalgorithmus sind wir hier auch auf die Hilfe der Ärzte angewiesen, die uns darüber informieren können, wenn eine Bewertung nicht den Tatsachen entspricht.

FRAGE | „Medizinische Behandlungen sind häufig sehr komplex und greifen tief in das Befinden der Patienten ein. Wie werden Sie in Ihrem Portal solchen außergewöhnlichen Lebenssituationen gerecht?“

ANTWORT | Patienten können auch bei komplexen Behandlungen einschätzen, wie es ihnen geht und ob ihnen die Behandlung geholfen hat. Natürlich müssen die Bewertungen stets fair sein und den Tatsachen entsprechen. Daher können diese Menschen entsprechend der Meinungsfreiheit über ihre Erfahrung beim Arztbesuch in Form von Bewertungen berichten. Zusätzlich sind Patienten auf Arztsuche durchaus in der Lage, Arztbewertungen differenziert zu betrachten. So achtet über die Hälfte derjenigen, die Arztbewertungen lesen, auf Bedürfnisse des Verfassers. Ist eine Bewertung unsachlich oder einseitig geschrieben, schätzen die Nutzer von jameda diese als weniger relevant ein.