Diese Versorgungskonzepte gibt es – ein Überblick mit Systemanalyse

von Geschäftsführer Dr. Bernd May, MBM Medical-Unternehmensberatung GmbH, Mainz

Im gegenwärtigen Gesundheitssystem versuchen alle Partner, die Idee der integrierten Versorgung zu realisieren. Die Ziele dabei sind: Verbesserung der Ertragskraft, Stabilisierung bzw. Ausweitung der rentablen Versorgungsfälle, ein eigenes Markenprofil mit Abgrenzung zum Mitbewerb, Verringerung der Abhängigkeit von Schwankungen in der Gesundheitspolitik sowie Senkung der Versorgungskosten und Verbesserung der Versorgungsqualität. Die Integration stationärer und ambulanter Versorgungsprozesse stellt eine klassische Win-win-Situation dar, wenn sie sich an den Stärken und Schwächen der beteiligten Partner orientiert und diese ausgleicht.

Stärken der radiologischen Praxis 

Die Stärken der radiologischen Praxen liegen im Wesentlichen bei der Organisation schlanker Prozesse und Strukturen, einer hohen Investitionskraft (Modalitäten wie IT) und dem überwiegenden Einsatz der Schnittbildverfahren (CT und MRT mit einem Anteil von über 60 Prozent). Schließlich gibt es keine strukturellen Behinderungen der Weiterentwicklung durch einen Personalrat.

Stärken der klinischen Radiologie 

Die Stärken der klinischen Radiologie liegen in einer fachlichen Ausrichtung auf die Unterstützung der stationären Versorgungsprozesse mit einer Leistungsvergütung, die sich an den Prozesserlösen und der Notwendigkeit radiologischer Diagnostik orientieren.

Das unternehmerische Langzeitergebnis (Outcome) hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität der stationären Versorgung mit direkten Feedback-Prüfungsschleifen. Letztere fehlen überwiegend in der ambulanten Radiologie, bei der Einzellösungen ohne Prüfung des Outcome vergütet werden.

Die DRG-abhängige Vergütung radiologischer Leistungen (nach dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus – InEK) kann die Kosten der radiologischen Versorgung einer Klinik decken. Das gelingt im EBM-System der ambulanten Radiologie für keine einzige Modalität.

Eine wesentliche Stärke im klinischen Betrieb ist die Möglichkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Entwicklung der interventionellen Radiologie mit ihren zunehmend differenzierten Feldern, die ein fachlich spezialisiertes Ärzteteam erfordern.

Betrachtung der Kosten und Taktzeiten 

Durch regelmäßige klinische Besprechungen/Tumorboards gibt es für den radiologischen Versorgungs-Outcome in Kliniken ein qualitätsnormierendes Feedback. Die Erlöse für radiologische Leistungen orientieren sich an der Effizienz der Unterstützung der stationären Versorgung und sind mit den EBM-Erlösen im ambulanten Sektor in Abhängigkeit von den einzelnen Bundesländern und dem Punktwert wie folgt vergleichbar:

Durchschnittliche Vergütung je Fall in Euro
Modalität
stationär (InEK)
ambulant (EBM) je nach Bundesland und Punktwert

Röntgen

ca. 50-70
ca. 10-12

CT

ca. 110-130
ca. 60-70

MRT

ca. 210-240
ca. 90-110

 

Die Vollkosten eines CT liegen – je nach Ausstattung/Anschaffungskosten und Auslastung (Personalausstattung) – zwischen 500.000 und 900.000 Euro pro Jahr, die für einen MRT zwischen 650.000 und 900.000 Euro pro Jahr.

Legt man EBM-Vergütungen zugrunde, müssten zur Kostendeckung eines CT-Betriebs jährlich zwischen 8.000 und 15.000 Fälle untersucht werden, d. h. bis zu 60 Fälle pro Tag. Das würde im Regeldienst eine Taktzeit von weniger als 11 min bedeuten, was in einem Klinikbetrieb im allgemeinen nicht und in einem Praxisbetrieb nur grenzwertig zu erreichen ist. Jedenfalls fehlt auch die Zeit für Patientengespräche.

Die Verhältnisse am MRT liegen unter EBM-Bedingungen mit zwischen 7.200 und 10.000 Fällen pro Jahr noch ungünstiger. Bei 7.200 Fällen liefe dies auf eine durchschnittliche Taktzeit von 16 min hinaus, was im aktuellen Indikationenmix und unter Berücksichtigung entsprechender Rüstzeiten im klinischen Patientenmix unter Qualitätsbedingungen nicht möglich ist.

Typische Taktzeiten am MRT liegen in einer Praxis zwischen 20 und 40 min und in einer Klinik zwischen 40 und 60 min.

Betrachtung des Prozessmanagements 

Praxen werden für effizientes Prozessmanagement unternehmerisch belohnt. Das betrifft auch das Aufrechterhalten einer hohen Produktivität, die Ausbildung schlanker Versorgungsprozesse und Versorgungsstrukturen. Ferner können Praxen eine hohe Innovationskraft entwickeln. Gut geführte Praxen legen Wert auf eine hohe Service-Qualität gegenüber Zuweisern (schnelle Befundverfügbarkeit) und Patienten (schnelle Untersuchungstermine, kurze Wartezeiten, Kurzgespräch eines Arztes mit Patienten).

Demgegenüber haben Klinikradiologien keinen bis nur eingeschränkten Zugriff auf den ambulanten Markt. Die Entscheidungswege bei apparativen Innovationen mit knappen Finanzmitteln innerhalb der dualen Finanzierung sind lang (überwiegend pauschale Fördermittel, immer weniger Einzelförderung).

Mitunter ist die Service-Qualität gegenüber Patienten und auch zuweisenden Kollegen gering ausgeprägt.

Die Infrastruktur ist oft ungünstig. Zum Teil gibt es keine Vor- und Nachbereitungsräume für CT und MRT mit Umlagerung von Patienten in Verkehrszonen. Die Standorte der Modalitäten sind nicht kompakt angeordnet, sondern verteilt.

Mit ca. 60 Prozent Röntgenanteil ist der Fallanteil mit CT (durchschnittlich 20 Prozent) und MRT (durchschnittlich 10 Prozent) gering. Zum Teil sind die Modalitäten nicht ausgelastet. Gleichzeitig bestehen hohe Vorhaltekosten durch Leerkapazitäten. Die Produktivität ist insofern vergleichsweise relativ (ärztliche wie medizintechnische Dienste, Modalitäten).

Synergien durch Integration 

Bei der Integration von stationärer und ambulanter radiologischer Versorgung können Synergien ausgenutzt werden:

  • Aus den beteiligten Fachärzten kann ein Team mit fachlichen Schwerpunkten gebildet werden (Spezialisten versus Generalisten).
  • Die Schwerpunkte des Praxis- oder Klinikpartners können beworben werden.
  • Durch eine interdisziplinäre Arbeitsweise können im Prinzip alle von den Kliniken vertretenen Fächer genutzt werden.
  • Durch die Partner können sämtliche Modalitäten besser ausgelastet werden. Dadurch sinken die Fallkosten und die Service-Qualität wird verbessert.
  • Das klinische Prozessmanagement kann effizient ausgestaltet werden.
  • Schließlich ist im Krankenhaus die Finanzierung neuer Investitionen schnell und unabhängig von der dualen Finanzierung zu entscheiden.

Modellvariante Kooperation 

Ein mögliches Model integrierter radiologischer Versorgung ist die Kooperation (mittels Kooperationsvertrag):

Eine Praxis verlagert ihren Betrieb ganz oder teilweise auf das Klinikgelände. Sie übernimmt ganz oder teilweise die stationäre Versorgung der Klinik. Gerätekapazitäten und Personal werden in bestimmten Zeitfenstern gegenseitig (zur Nutzung) überlassen.

Modellvariante MVZ im Mantel einer Kapitalgesellschaft 

Bei der Ausgestaltung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) als Kapitalgesellschaft sind folgende Varianten denkbar:

Variante 1: 100 Prozent Klinikanteil 

Die Klinik erwirbt einen oder mehrere Vertragsarztsitze und betreibt ein MVZ mit Zugriff auf den ambulanten Markt über die Vertragsarztsitze. Die Klinik hält 100 Prozent der Gesellschaftsanteile. Der Klinikbetrieb und die Ausdehnung der Versorgung in den ambulanten Bereich wird unverändert unter chefärztlicher/fachärztlicher Leitung der Klinik organisiert.

Variante 2: 100 Prozent Praxisanteil 

Die Klinik sourct die gesamte radiologische Versorgung an eine übernehmende Praxis aus. Die Praxis hält 100 Prozent der Gesellschaftsanteile. Die Praxis organisiert die Versorgung der Klinikpatienten zu den Bedingungen eines Kooperationsvertrags, den sie zu diesem Zweck mit der Klinik schließt.

HINWEIS | Dieses Modell ist auch ohne MVZ und Kapitalgesellschaft möglich.

Variante 3: Beide haben Anteile 

Klinik und Praxis gründen ein gemeinsames MVZ mit dem Mantel einer Kapitalgesellschaft unter beidseitiger Beteiligung. Das Prozessmanagement obliegt der Praxis, die Klinik kann beispielsweise ein kaufmännisches Controlling einbringen. Das MVZ schließt mit der Klinik zur Versorgung ihrer Patienten einen Kooperationsvertrag ab.

Chancen und Risiken werden von beiden Parteien im Verhältnis der Gesellschaftsanteile getragen. Bei diesem Modell hat die Klinik über die Gesellschafterbeteiligung ein Einwirkungsrecht auf die strategische Ausrichtung des MVZ.

Erste Bewertung 

Bei allen drei Varianten vereinbart die Radiologiepraxis mit der Klinik am besten einen Preiskatalog für die an den Patienten der Klinik zu erbringenden Leistungen. Die Beteiligten können so fallweise nach den erbrachten Lösungen honoriert werden. Die Outcome-Prüfung erfolgt indirekt über die Teilnahme an den klinischen Besprechungen.

Die Kliniken sind daran interessiert, dass die radiologische Versorgung für den gesamten stationären Versorgungsprozess so effizient wie möglich und innerhalb des InEK-Kostengerüsts durchgeführt wird. Hier entsteht eine Interessenkollision:

  • Die Klinik will möglichst mit geringem radiologischem Aufwand und frühzeitig eine auf das klinisch relevante Patientenproblem zutreffende Diagnose.
  • Die Praxis organisiert ihr Prozessmanagement mit fallabhängigen Erlösen (mehr Fälle mit teuren Einzelleistungen liefern mehr Erlöse).

Weiterführender Hinweis

  • Der Beitrag wird in den nächsten RWF-Ausgaben fortgesetzt. Dabei werden die Modellalternativen detailliert aus Praxis- und aus Kliniksicht mit Beispielen und mit ihren wirtschaftlichen Konsequenzen diskutiert.