Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung: Was auch Ärzte wissen sollten

von Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg

Durch das Strafverfahren gegen Uli Hoeneß sowie die Ankäufe von sogenannten Steuer-CDs wurde jedem deutlich, dass Steuerstraftaten in Deutschland streng verfolgt werden. Weitere Verschärfungen drohen, denn zum1. Januar 2015 sollen noch strengere Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige in Kraft treten. Wegen der aktuellen Brisanz des Themas – das auch Ärzte sowohl im privaten wie auch beruflichen Bereich angehen kann – klärt der nachfolgende Beitrag über die Grundzüge des Steuerstrafrechts auf.

Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung 

Die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung ist nicht im Strafgesetzbuch, sondern in der Abgabenordnung (AO) geregelt. Die grundlegende Norm ist der recht lange und für juristische Laien komplizierte § 370 AO. Darin sind vor allem zwei Verhaltensweisen mit Strafe bedroht:

  • die unrichtige oder unvollständige Angabe von steuerlich erheblichen Tatsachen gegenüber der Finanzverwaltung (Fall 1);
  • das pflichtwidrige Unterlassen der Mitteilung solcher Angaben (Fall 2).

Fall 1: Unrichtige oder unvollständige Angaben 

Der erste Fall, die unrichtige oder unvollständige Angabe (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), ist recht leicht verständlich: Häufigster Fall sind falsche Angaben in der Steuererklärung, indem zum Beispiel ein Teil der Einnahmen aus der Arztpraxis oder Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht angegeben werden.

Fall 2: Unterlassen von Angaben 

Der zweite Fall, das Unterlassen von Angaben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), ist schwieriger zu verstehen. Hierzu gehören die Nicht- bzw. verspätete Abgabe der Steuererklärung und die nicht rechtzeitige Lohnsteueranmeldung.

Aus diesem Grunde ist es so wichtig, die gesetzlich vorgegebenen Fristen zur Abgabe solcher Erklärungen einzuhalten und rechtzeitig vor deren Ablauf eine Fristverlängerung zu beantragen. Wird die Frist versäumt, kann dies folgende Konsequenzen haben: Die Finanzverwaltung kann die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO), was regelmäßig nicht zugunsten des Steuerzahlers ausfällt. Zudem kann sie Verspätungszuschläge festsetzen (§ 152 AO), ein Steuerstrafverfahren einleiten oder alle drei Maßnahmen kombinieren.

Zur pflichtwidrigen Unterlassung von Angaben gehört auch der Fall des § 153 AO: Nicht selten kommt es vor, dass der Steuerzahler nach Abgabe der Steuererklärung feststellt, dass er einen Fehler gemacht und versehentlich seine Einnahmen zu gering angegeben hat. Dann muss er umgehend seine Angaben korrigieren, um eine Bestrafung zu vermeiden. Hierzu gehört auch, dass er die Finanzverwaltung informieren muss, wenn sein Einnahmenüberschuss höher ausfällt als nach dem Vorjahresergebnis erwartet. Dann sind nämlich die Steuervorauszahlungen zu erhöhen.

Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung 

In bestimmten Fällen handelt es sich nach dem Gesetz um einen besonders schweren Fall (§ 370 Abs. 3 AO). Der wichtigste Fall ist die Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“. Dieses liegt nach der Rechtsprechung in der Regel bei einem Verkürzungsbetrag von 50.000 Euro vor.

Wie wird Steuerhinterziehung bestraft? 

Steuerhinterziehung ist nur strafbar, wenn sie vorsätzlich begangen wird. Das bedeutet: Wenn der Fehler in der Steuererklärung auf einem Versehen beruhte, der Steuerpflichtige also in gutem Glauben handelte, liegt keine Strafbarkeit vor. Deshalb geht es in Steuerstrafverfahren oft darum, ob der Betreffende vorsätzlich handelte.

Dabei ist es von Vorteil, dass auch hier der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt. Allerdings reicht nach der Rechtsprechung der sogenannte Eventual-Vorsatz: Dieser liegt vor, wenn der Täter von der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung wusste und die Steuerverkürzung billigend in Kauf nahm, auch wenn er sie gar nicht anstrebte.

Steuerhinterziehung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. In den genannten besonders schweren Fällen ist der Strafrahmen sechs Monate bis zehn Jahre. Neben die Bestrafung durch die Gerichte tritt immer häufiger ein Verfahren auf Widerruf der Approbation und der vertragsärztlichen Zulassung. Außerdem verlängert sich nach § 169 Abs. 2 AO die Festsetzungsfrist – die Finanzverwaltung kann also nachträglich Steuerbescheide ändern, die an sich bestandskräftig waren.

Die strafbefreiende Selbstanzeige 

Wer eine Steuerhinterziehung begangen hat, kann der Bestrafung entgehen, wenn er rechtzeitig eine vollständige Selbstanzeige bei der Finanzverwaltung erstattet. Diesen Vorteil gewährt der Staat, weil er auf diese Weise zusätzliche Steuereinnahmen erhält und meist durch solche Anzeigen außerdem Hinweise auf andere Steuervergehen bekommt.

Praxistipp

Die Voraussetzungen für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige sind 2011 erheblich verschärft worden, das heißt man sollte sich auf ältere Veröffentlichungen zu diesem Thema nicht verlassen.

 

Nach § 371 AO wird wegen Steuerhinterziehung nicht bestraft, wer „zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang“ die Fehler korrigiert. Diese Formulierung ist sowohl komplex als auch streng. Es ist für einen Laien oft nicht zu erkennen, welche Steuerstraftaten noch nicht verjährt sind. Außerdem muss seine Korrekturerklärung vollständig sein. Es gibt keine „Teil-Selbstanzeige“, bei der nur ein Teil der Fehler korrigiert wird.

Wenn auch nur ein Fehler aus dem genannten Zeitraum nicht aufgedeckt wird, entfällt die Strafbefreiung für alle aufgedeckten Fälle. Erst recht gibt es keine „Selbstanzeige dem Grunde nach“, also die Mitteilung, einige Steuererklärungen seien falsch und man werde demnächst Näheres mitteilen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn die neuen Erklärungen die tatsächlichen Einkommen immer noch nicht vollständig erfassen. Nach der Rechtsprechung tritt die Strafbefreiung dennoch ein, sofern der neuerliche Fehler nicht absichtlich erfolgte und die Abweichung nur fünf Prozent beträgt.

Keine Strafbefreiung bei unfreiwilliger Selbstanzeige 

Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige tritt nach § 371 Abs. 2 AO nicht ein, wenn diese „unfreiwillig“ erfolgte. Dies ist der Fall, wenn bereits eine Prüfungsanordnung erging oder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben wurde oder der Prüfer bereits erschienen ist oder die Straftat entdeckt war. Außerdem muss die bisher nicht bezahlte Steuer innerhalb einer gesetzten Frist nachentrichtet werden (§ 371 Abs. 3 AO).

§ 371 Abs. 3 AO

„Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder wurden Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.“

 

Noch komplizierter wird es, wenn der durch die Tat erlangte Steuervorteil „einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt“. Dann gibt es keine Strafbefreiung mehr, sondern nur noch ein „Absehen von der Verfolgung“. Dies setzt neben den bisher genannten Voraussetzungen zusätzlich eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozent der hinterzogenen Steuern voraus.

Der schlimmste Fall: die unwirksame Selbstanzeige 

Wenn eine Selbstanzeige unwirksam ist, weil eine der strengen und komplizierten Anforderungen nicht erfüllt ist, entfällt die strafbefreiende Wirkung. Schlimmer noch: Eine neue – nunmehr eigentlich korrekte – Selbstanzeige hat keine strafbefreiende Wirkung mehr, da die Tat ja nun dank der ersten Selbstanzeige entdeckt ist. Mit anderen Worten: Grundsätzlich hat man nach heutiger Rechtslage nur eine einzige Chance.

Fazit

Eine Selbstanzeige sollte mit äußerster Sorgfalt und Ehrlichkeit erfolgen. Wegen der sehr komplexen Materie, die hier noch vereinfacht dargestellt wurde, sollte man mit einer Selbstanzeige immer einen versierten Fachmann beauftragen und diesem ausreichend Zeit geben.