Die Rolle der Radiologen bei der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Die sektorenübergreifende Versorgung nach § 116 Sozialgesetzbuch (SGB) V ist vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 weiter ausgestaltet worden. Dabei ist zwar das Anliegen der Radiologen, im Rahmen der gynäkologischen Tumoren als Mitglieder des Kernteams verankert zu werden, (zunächst) gescheitert. Abzuwarten ist aber, ob das Bundesministerium für Gesundheit hier nicht doch noch intervenieren wird. Ungeachtet dessen sind die Radiologen für alle der genannten Krankheitsbilder eine maßgebliche Fachdisziplin, die als „hinzuziehende Ärzte“ unverzichtbar sein dürfte.

Hintergrund 

Die ASV ist eine ambulante Versorgungsform, die niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhausärzten die Behandlung von Patienten mit entsprechenden Krankheitsbildern und dadurch neue Optionen und extrabudgetäre Verdienstmöglichkeiten eröffnet.

Der G-BA hat jetzt die Rahmenrichtlinien zur ASV (ASV-RL), die Anlagen für die gastrointestinalen Tumoren, die gynäkologischen Tumoren und zum Marfan-Syndrom sowie die Vorgaben für das Krankheitsbild „pulmonale Hypertonie“ geändert. Mit weiteren Konkretisierungen von Krankheitsbildern ist nun in kurzen Abständen zu rechnen.

Handlungsbedarf 

Anders als zunächst erwartet ist mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz [GKV-VSG]) der Bestandsschutz für die alten Institutsambulanzen nach § 116b SGB V alter Fassung entfallen. Die Altbestimmungen werden spätestens drei Jahre nach der ASV-Konkretisierung des betreffenden Krankheitsbilds auslaufen. Dies löst bei den Häusern mit Altbestimmungen Handlungsbedarf aus und wird voraussichtlich zum Wechsel in die ASV führen.

Auch wer sonst an der neuen Versorgungsform teilnehmen möchte, ist gut beraten, sich jetzt zu positionieren.

Zusatz „schwere Verlaufsformen“ entfällt 

In der ursprünglichen Gesetzesfassung war das Spektrum der ASV für bestimmte Erkrankungen auf „schwere Verlaufsformen“ begrenzt. Diese Einschränkung wurde mit dem GKV-VSG aufgehoben, sodass nun alle in der Konkretisierung nach ICD-10 erfassten Gastrointestinaltumoren unabhängig vom Schweregrad des Verlaufs im Rahmen der ASV behandelt werden können.

Gleiches gilt für die gynäkologischen Tumoren.

Höhere Zugangshürden 

Da durch den Wegfall der Beschränkung auf die „schweren Verlaufsformen“ die Zahl der potenziell in der ASV behandlungsfähigen Patienten größer ist, hat der G-BA an zwei Stellschrauben die Zugangshürden höher gesetzt:

1. Erhöhung der Mindestmengen 

Es wurden die Mindestmengen erhöht, die für den Antrag nachzuweisen sind. So muss ein ASV-Kernteam (nicht der einzelne Arzt!) bei den gastrointestinalen Tumoren künftig 230 statt bislang 140 Behandlungen der benannten Indikationen mit gesicherter Diagnose behandeln.

Bei den gynäkologischen Tumoren stieg die Zahl von 200 Mammakarzinomen und 50 gynäkologischen Tumoren auf 250 und 60.

Die Dispensregelung, wonach zumindest 50 Prozent der Mindestmengen in den zurückliegenden vier Quartalen vor Antragstellung für eine ASV-Zulassung genügen (können), bleibt erhalten. Gleichwohl dürften die Mindestmengen eine relevante Hürde für den Zugang zur ASV bedeuten, was bei der Konzeption des ASV-Kernteams zu berücksichtigen ist.

2. Verkürzte Geltung von Überweisungen 

Künftig sind bereits alle zwei statt zuvor alle vier Quartale erneute Überweisungen an das ASV-Team durch Vertragsärzte erforderlich und dann möglich, wenn die Voraussetzungen des besonderen Krankheitsverlaufs weiterhin gegeben sind.

ASV-Fähigkeit ohne spezielle Weiterbildungsbezeichnung 

Neben den Fachärzten z. B. für Hämatologie und Onkologie dürfen nun auch andere Fachärzte an der ASV teilnehmen, die spezielle Zulassungen bzw. Genehmigungen für die Leistungserbringung in dem Fachgebiet von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben.

Konkretisierung der pulmonalen Hypertonie 

Konkretisiert wurden die Vorgaben für die ASV-Leistungserbringung bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie. Wenig überraschend müssen im Kernteam ein Kardiologe sowie ein Pneumologe als Facharztkompetenzen vorhanden sein. Soweit Kinder und Jugendliche versorgt werden sollen, müssen Pädiater mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie bzw. der Zusatzweiterbildung Kinderpneumologie im Kernteam sein. Das Kernteam muss mindestens 50 Patienten mit entsprechender Verdachts- oder gesicherter Diagnose im Vorjahr behandelt haben.

BEACHTEN SIE | Zu den im Einzelfall hinzuzuziehenden Ärzten zählen die Disziplinen Humangenetik, Gastroenterologie, Rheumatologie, Labor, Nuklearmedizin, Psychiatrie bzw. psychosomatische Medizin bzw. Psychotherapie sowie die Radiologie.

Keine relevanten Änderungen bei gynäkologischen Tumoren 

Bei den gynäkologischen Tumoren ist der G-BA von seinem Beschluss vom 18. Juni 2015 nicht maßgeblich abgewichen: Für das Kernteam sind weiterhin nur Gynäkologen, Strahlentherapeuten und Hämatologen / Onkologen vorgesehen.

BEACHTEN SIE | Der vonseiten der Radiologen geforderten Aufnahme in das Kernteam hat der G-BA hier nicht entsprochen. Mit Spannung bleibt deshalb die Reaktion des Bundesministeriums für Gesundheit abzuwarten. Dieses hatte bereits den seinerzeitigen Beschluss nicht genehmigt, sondern den G-BA aufgrund der Forderung der Radiologen um Stellungnahme gebeten, in das Kernteam aufgenommen zu werden. Inwieweit der G-BA sich bei seiner jetzigen Beschlussfassung mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, ist den Beschlüssen nicht zu entnehmen. Das letzte Wort dürfte insoweit noch nicht gesprochen sein.

Exkurs: Onkologie-Vereinbarung 

Zum 1. Januar 2016 ist außerdem die neue Onkologie-Vereinbarung in Kraft getreten. Diese Novellierung ist auch mit Blick auf die ASV bedeutsam, da in Anhang 2 Ziffer 5 eine Klarstellung hinsichtlich der Abrechnungsmöglichkeit der Kostenpauschalen erfolgt ist: Werden diese im Rahmen der ASV abgerechnet, sind sie bei demselben Patienten in demselben Quartal bei einer Behandlung im Rahmen der Onkologie-Vereinbarung (also im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung) nicht erneut berechnungsfähig. Es gibt Ausnahmen.

Fazit 

Die G-BA-Beschlüsse werden nach Genehmigung durch das Bundesministerium voraussichtlich relativ zeitnah in Kraft treten. Erste Erfahrungswerte aus den bereits konkretisierten und mit ASV-Teams besetzten Bereichen Tuberkulose und Gastrointestinaltumoren haben gezeigt, dass das Anzeigeverfahren je nach Bundesland teilweise mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden ist und das Ausfüllen der umfangreichen Anzeigeformulare fehleranfällig ist. Die einmal erlangte ASV-Zulassung funktioniert indes nach den bisherigen Erfahrungen reibungslos.

In der Praxis wird bislang vielfach unterstellt, dass die ASV allein eine Option für Krankenhäuser sei. Dies trifft nicht zu: Die ASV eröffnet auch interessante Optionen für niedergelassene Vertragsärzte. Im Sinne des Gesetzgebers ist (erst recht) die sektorenübergreifende Konzeption der ASV wünschenswert und wird in der Praxis auch vielfach umgesetzt.

Der G-BA hat den Weg für eine zügige Bearbeitung weiterer Krankheitsbilder geebnet. Vertragsärzte und/oder Krankenhausärzte, für die die ASV relevant ist, sollten vor diesem Hintergrund zügig agieren, um die „Wunschpartner“ für das ASV-Kernteam zu binden und die Antragstellung zu initiieren.

Die Radiologen sind aktuell als bedeutsam(st)e Disziplin im Rahmen der „hinzuzuziehenden Ärzte“ unentbehrliche Ansprechpartner, um ein ASV-Team zu etablieren. Ihnen bleibt aber im Moment der Status als Kernteam-Mitglied und damit auch die Möglichkeit verwehrt, von sich aus ein ASV-Team zu konzipieren. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesministerium für Gesundheit diesbezüglich noch intervenieren wird.

Weiterführender Hinweis