Deutlich strengere Vertretungsregelungen ab 2014 in vielen KV-Bereichen zu erwarten

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-­Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Ab dem Quartal 1/2014 gelten im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) strengere Regelungen für die Vertretung von Vertragsärzten. Die bisherige Verwaltungspraxis ändert sich dadurch gravierend. In der Vergangenheit teils praktizierte versorgungsbereichsübergreifende Vertretungs­modelle oder auch Vertretungen durch Ärzte in ­Weiterbildung werden ab dem 1. Januar 2014 durch die KVWL nicht mehr toleriert werden. Es ist zu erwarten, dass andere KVen zum 1. Januar 2014 nachziehen werden. 

Anlass für die Änderung: Eine Entscheidung des BSG

Auslöser der Änderung ist ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 2011 (Az. B 6 KA 31/10 R). Das Gericht hat darin die in der Vergangenheit ungeklärte Frage, welche fach­lichen Anforderungen an den Vertreter zu stellen sind, insbesondere, ob dieser demselben Fachgebiet angehören muss, dahin­gehend geklärt, dass die Grenzen des Fachgebiets und Versorgungs­bereichs auch für die Vertretung von Ärzten in ­einer Gemeinschaftspraxis gelten. 

Das BSG hatte über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung nach erfolgter sachlich-rechnerischer Richtigstellung zu entscheiden. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nahm eine aus einem hausärztlichen Internisten und einem Gastroenterologen bestehende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) wegen fehlerhafter Abrechnung von Vertreterleistungen in Anspruch. Nach Auffassung der KV hätte der hausärztlich tätige Internist die Leistungen aus dem fachärzt­lichen Bereich der Gastroenterologie nicht abrechnen dürfen, da der Vertreter über eine mit der Zulassung des Vertretenen identische oder zumindest fachverwandte Zulassung verfügen müsse. 

Die Urteilsgründe

Dieser Ansicht schloss sich das BSG an. Bei der Vertretung innerhalb einer BAG sei das gesetzlich vorgeschriebene Prinzip der Trennung zwischen haus- und fachärztlichem Versorgungsbereich (§ 73 Abs. 1 SGB V) zwingend zu beachten. Der anwesende Praxispartner dürfe daher Leistungen aus dem Versorgungsbereich des abwesenden Praxispartners grundsätzlich nur dann als Vertreter erbringen, wenn er diesem Versorgungsbereich auch selber angehört. Dass sich die Ärzte zu einer BAG zusammengeschlossen hätten, entbinde sie nicht von der strengen Bindung an die Fach­gebietsbegrenzungen und Qualifikationsanforderungen. 

Die Neuregelung durch die KVWL

Um den dargestellten Vorgaben des BSG in Zukunft Rechnung zu tragen, hat die KVWL durch Mitteilung vom 27. August 2013 die zukünftige Handhabung der Verwaltungs­praxis klargestellt. Die Änderungen haben weitreichende Folgen für die Organisation von Vertretungen. In der Vergangenheit oftmals tolerierte versorgungsbereichsübergreifende Vertretungen sind ab dem Quartal 1/2014 demnach nicht mehr möglich. Die bisherige, primär von Praktikabilitätserwägungen geprägte Handhabung – häufig ohne Prüfung der Qualifikation des Vertreters bzw. auch eine Vertretung durch Ärzte in Weiterbildung – wird ausdrücklich aufgegeben. 

Welche Anforderungen zukünftig für eine wirksame Vertretung zwingend zu beachten sind, bestimmt sich danach, ob der Vertragsarzt durch einen von der Vertragsarztpraxis unabhängigen, externen Arzt („echte“ Vertretung; Regelungen ­siehe nachfolgende Tabelle), oder durch einen Partner innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft („unechte“ Vertretung) vertreten wird. 

KVWL: Regelungen für „echte“ Vertretungen ab 2014

1. Mitteilungspflicht bei KVWL, wenn Abwesenheit >1 Woche

2. Vertretung durch

  • Vertragsarzt: Dieser muss für denselben Versorgungsbereich zugelassen sein.
  • Nicht vertragsärztlich tätigen Arzt: Dieser muss in dem Zulassungsgebiet des vertretenen Vertragsarztes eine vollständig abgeschlossene Weiterbildung besitzen.

3. Qualifikationsgebundene Leistungen dürfen nur abgerechnet werden

  • bei Vertretung durch einen Vertragsarzt: Der Arzt muss die entsprechende ­Abrechnungsgenehmigung besitzen.
  • bei Vertretung durch einen sonstigen Arzt: Der Arzt muss ein Qualifikationstestat besitzen (dieses kann ab sofort beim Geschäftsbereich Versorgungsqualität der KVWL beantragt werden).

4. Der vertretene Arzt hat sicherzustellen, dass

  • der Vertreter dem gleichen Zulassungsfachgebiet angehört,
  • dass der Vertreter die erforderliche Qualifikation zur Abrechnung qualifikationsgebundener Leistungen hat (Vorlage der Genehmigungen/des Qualifikationstestats).

5. Anforderungen an die Abrechnung

  • Leistungen in der Praxis des Vertretenen werden in jedem Fall unter der LANR des Vertretenen abgerechnet.
  • Leistungen in anderer Vertragsarztpraxis werden auf Vertretungsschein unter der LANR des Vertreters abgerechnet.

 

Für die „unechte“ Vertretung entfällt lediglich die Mitteilungspflicht, da es sich bei der „unechten“ Vertretung nicht um eine Vertretung im Sinne des BMV-Ä handelt. Ansonsten gelten keine Besonderheiten im Vergleich zur „echten“ Vertretung. Die Abrechnung erfolgt ­unter der eigenen LANR des „vertre­tenen“ Leistungserbringers. Dies gilt nach der Veröffentlichung der KVWL auch für die Vertretung in ­einer fachgleichen BAG und die Vertretung fachgleicher Kollegen im MVZ. 

Ausblick

Es ist zu erwarten, dass neben der KVWL auch weitere Kassenärztliche Vereinigungen ihre Verwaltungspraktiken den Vorgaben des BSG anpassen werden. Um Honorarrückforderungen wegen unzulässiger Vertretung zu vermeiden, sollten in der Vergangenheit praktizierte Vertretungsmodelle auf ihre rechtliche Wirksamkeit hin überprüft werden. 

Um nachweisen zu können, dass die ­definierten Vorgaben eingehalten wurden, insbesondere der Vertretene die ihn treffenden Prüfpflichten erfüllt hat und der Vertreter die erforderlichen Dokumente vorgelegt hat, ist die schriftliche Dokumentation der Vertretungsvereinbarung in Form eines Vertrags unter Beifügung entsprechender Qualifika­tionsnachweise zu empfehlen. 

Radiologen werden sich daher auf die strengeren Vorgaben einstellen müssen; dies gilt insbesondere in Fällen der Vertretung durch Ärzte, die nicht zugleich Vertragsärzte sind. Hier werden vor allem die Qualifikationstestate eine Erschwernis bisheriger Vertretungs­optionen nach sich ziehen, insbesondere in Bezug auf die Erbringung von MRT- und/oder CT-Leistungen. Es ist zu befürchten, dass unter Beachtung dieser neuen Vorgaben die altbekannte Vertretung in der Radiologie ein Auslaufmodell ist.