Der schmale Grat zwischen Werberecht, Strahlenschutzgesetz und Strafrecht

von RAin und FAin MedizinR Beate Bahner, Heidelberg, beatebahner.de

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat das Angebot einer Vielzahl von Arztpraxen und Krankenhäusern für Früherkennungsuntersuchungen mittels Computertomografie (CT) scharf kritisiert und entsprechende Untersuchungen für rechtswidrig und irreführend erklärt. Dies ist jedoch nicht alles: Denn rechtswidrige Untersuchungen können erhebliche finanzielle, wettbewerbsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen haben. Es droht sogar der Verlust der Approbation – Grund genug für eine Übersicht über die aktuelle Rechtslage.

Das Werberecht der Ärzte

Ärzte und Patienten haben ein Recht auf Informationen. Für Patienten folgt dieses Recht aus deren verfassungsrechtlich verankertem Recht auf Selbstbestimmung, was auch die freie Arztwahl beinhaltet. Denn ohne umfassende Informationen können Patienten den für sie richtigen Arzt oder die für sie passende Klinik nicht auswählen.

Ärzten ist aufgrund ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes grundsätzlich eine wahrheitsgetreue und sachgerechte Information über sich und ihre Arztpraxis oder Klinik gestattet. Ärzte dürfen also über ihre Qualifikationen, ihr Leistungsangebot und ihre Spezialleistungen ebenso informieren wie über ihr Team, das Personal und die Einrichtung der Praxis.

Diese Werbefreiheit darf nur ausnahmsweise beschränkt werden, etwa zum Schutz der Patienten bzw. der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren. Unzulässig ist ferner eine irreführende Werbung – dieser Grundsatz gilt ganz allgemein im gesamten Geschäftsverkehr und Rechtswesen. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht auch das Vertrauen der Patienten in das Ansehen der Ärzteschaft als einen schützenswerten Gemeinwohlbelang anerkannt, da der Arztberuf nicht „kommerzialisiert“ werden soll. Es ist daher nicht jede Werbung erlaubt: So enthalten die Berufsordnung der Ärzte (BO), das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und insbesondere das Heilmittelwerbegesetz (HWG) Beschränkungen des Werberechts der Ärzte.

Werbeverbot nach der BO

Das ärztliche Berufsrecht verbietet den Ärzten eine sogenannte „berufswidrige Werbung“ (§ 27 Abs. 3 BO). Dies ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Eine unzulässige Werbung kann berufsrechtliche Maßnahmen, insbesondere ein berufsgerichtliches Verfahren mit Rüge oder einer Geldbuße nach sich ziehen.

Werbeverbot nach dem HWG

Die Werbeverbote nach dem HWG sind vielfältig und kompliziert. Hier gilt zunächst das allgemeine Verbot der irreführenden Werbung nach § 3 HWG. Es ist danach verboten, ohne wissenschaftlichen Nachweis die Behauptung der Wirksamkeit eines Heilmittels zu versprechen, mit Heilungsversprechen zu werben oder Nebenwirkungen zu verschweigen.

Merke

Das HWG enthält in § 12 ein weiteres Werbeverbot, das insbesondere für Radiologen relevant ist: So ist die Werbung zur Erkennung von bösartigen Neubildungen nach § 12 Abs. 2 HWG i. V. m. der Anlage zu § 12 verboten. Werbung für Früherkennungsmaßnahmen – etwa zur Erkennung von Darmkrebs oder Lungenkrebs – ist danach grundsätzlich durch § 12 Abs. 2 HWG untersagt.

 

Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 3 HWG ist sogar eine Straftat, die nach § 14 HWG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden kann. Verstöße gegen § 12 HWG stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro ist möglich.

Das neue Strahlenschutzgesetz

Schließlich kommt eine weitere wesentliche Beschränkung des ärztlichen Werberechts zum Tragen, nämlich das neue Strahlenschutzgesetz (StrlSchG), welches zum 31.12.2018 mit all seinen Regelungen in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz sieht zwar grundsätzlich die Möglichkeit weiterer radiologischer Früherkennungsmaßnahmen vor, um eine bestimmte Krankheit festzustellen (§ 5 Abs. 16 StrlSchG). In Betracht kommt insoweit beispielsweise die Früherkennung von Lungenkrebs bei Rauchern, die Früherkennung von Darmkrebs mittels CT-Verfahren oder die Früherkennung von Erkrankungen der Koronargefäße. Voraussetzung ist allerdings, dass der medizinische Nutzen das Risiko der eingesetzten Strahlung überwiegt. Die Untersuchung muss insoweit ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren sein und zum Erkennen einer schweren Erkrankung dienen, für die es eine effektive Therapie gibt (§ 84 Abs. 3 StrlSchG).

Früherkennungsuntersuchungen nur aufgrund einer Rechtsverordnung

Die Radiologen haben jedoch kein eigenes Ermessen, ob eine entsprechende Früherkennungsmaßnahme sinnvoll oder empfehlenswert ist. Denn das StrlSchG sieht ausdrücklich vor, dass allein das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und nukleare Sicherheit festlegt, welche Früherkennungsuntersuchungen unter welchen Voraussetzungen zur Ermittlung einer nicht übertragbaren Krankheit für eine besonders betroffene Personengruppe zulässig sind (§ 84 Abs. 2 StrlSchG). Nur wenn und soweit das zuständige Ministerium also durch Rechtsverordnung solche Früherkennungsmaßnahmen anhand der gesetzlichen Kriterien für zulässig hält, dürfen Radiologen diese Maßnahmen auch erbringen. Andernfalls gelten diese Maßnahmen als „medizinisch nicht indizierte Diagnosemaßnahmen“.

Eine nicht indizierte Behandlung darf angesichts der im StrlSchG verankerten Strahlenschutzgrundsätze nicht erbracht werden. Sinn und Zweck des StrlSchG ist nämlich ausdrücklich der Schutz des Menschen vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung, insbesondere bei geplanten (also medizinischen) Expositionssituationen (§ 1 Abs. 1 StrlSchG). Neue Tätigkeiten, damit also auch neue Früherkennungsuntersuchungen, mit denen Expositionen des Menschen verbunden sein können, müssen somit unter Abwägung ihres wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sonstigen Nutzens gegen die möglicherweise von ihnen ausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung gerechtfertigt sein (§ 6 StrlSchG).

Merke

Die Abwägungsentscheidung über Nutzen und Gefahren bei neuen Früherkennungsuntersuchungen, mit denen eine Strahlenexposition verbunden sein kann, trifft allein das zuständige Bundesministerium und gerade nicht der Radiologe im Rahmen seiner Therapiefreiheit.

 

Selbst der ausdrückliche Wunsch der Patienten, eine radiologische Früherkennungsuntersuchung durchführen zu wollen, stellt angesichts dieser Rechtslage keine Rechtfertigung für die Durchführung der Früherkennungsmaßnahme dar. Hier überwiegt der gesetzlich normierte Strahlenschutz gegenüber dem Wunsch des Patienten, sich zur Früherkennung einer möglichen Krankheit einer zusätzlichen Strahlenbelastung auszusetzen. Ein Arzt darf daher Früherkennungsmaßnahmen nicht durchführen, sofern diese nicht durch Rechtsverordnung ausdrücklich genehmigt und gerechtfertigt sind, selbst wenn der Patient dies ausdrücklich wünscht.

Werden medizinisch nicht indizierte Früherkennungsmaßnahmen angeboten und abgerechnet, riskieren die Ärzte einerseits die Rückforderung der Honorare und Untersuchungskosten. Darüber hinaus machen sich Ärzte möglicherweise sogar wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 ff. Strafgesetzbuch strafbar. In diesem Fall droht sogar der Entzug der Kassenzulassung und der existenzvernichtende Widerruf der Approbation!

Fazit

Der Grat zwischen dem ärztlichen Werberecht, dem StrlSchG und dem Strafrecht ist allerdings keinesfalls schmal. Es bleiben den Radiologen ausreichend Möglichkeiten einer interessengerechten, angemessenen und für den Patienten hilfreichen Informationswerbung. Das Werberecht ist und bleibt ein wesentliches Element der Berufsfreiheit. Lediglich eine Werbung für nicht genehmigte Früherkennungsmaßnahmen sollte dringend unterlassen werden. Auch das allgemeine Wettbewerbsrecht sowie die Grenzen des HWG sind einzuhalten. Es empfiehlt sich daher durchaus, geplante Werbemaßnahmen anwaltlich prüfen zu lassen, um die nötige rechtliche Sicherheit zu erhalten.

 

Weiterführender Hinweis

  • Stellungnahme des BDR zu Berichten über Strahlenschutz und Früherkennung online unter iww.de/s3060