Der Medizinphysik-Experte bei radiologischen Verfahren nach dem neuen Strahlenschutzrecht

von RA und FA für MedizinR Till Sebastian Wipperfürth, LL.M., D+B Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de

Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) sowie die neue Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), beide seit dem 31.12.2018 in Kraft und neue rechtliche Grundlage des nationalen Strahlenschutzrechts, haben die Rolle des Medizinphysik-Experten ausgeweitet. Bislang kam dem Medizinphysik-Experten im Wesentlichen nur im Rahmen der Strahlen- und Röntgentherapie sowie bei nuklearmedizinischen Untersuchungen Bedeutung zu.

Medizinphysik-Experte auch bei CT und radiologischen Interventionen

Nunmehr müssen Radiologen den Medizinphysik-Experten auch bei Verfahren der Röntgendiagnostik hinzuziehen, die mit einer erheblichen Strahlenexposition des Patienten einhergehen. Die StrlSchV definiert abschließend diejenigen Untersuchungen, die Patienten nach Ansicht des Verordnungsgebers – federführend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) – in erheblichem Umfang exponieren. Es handelt sich hierbei um

  • Computertomografie(CT)-Untersuchungen sowie Untersuchungen mit Geräten zur dreidimensionalen Bildgebung von Objekten mit niedrigem Röntgenkontrast; davon ausgenommen ist die 3D-Mammografie (Tomosynthese), sowie
  • radiologische Interventionen, die mit einer erheblichen Exposition verbunden sind.

Fraglich ist, ob der Medizinphysik-Experte nur bei strahlungsintensiven Maßnahmen der interventionellen Radiologie mitwirken muss, es also mit anderen Worten auch Interventionen ohne eine erhebliche Exposition geben kann. Der Wortlaut der StrlSchV („… und die mit einer erheblichen Exposition verbunden sind.“) legt diese Auslegung nahe. Dies deckt sich mit den im September 2017 verabschiedeten Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zur Hinzuziehung eines Medizinphysik-Experten bei medizinisch-radiologischen Tätigkeiten, die nach aktuellem Stand der Wissenschaft zehn durchleuchtungsgestützte Interventionen als dosisintensiv einstufen. Aus der Begründung zur StrlSchV geht jedoch hervor, dass der Verordnungsgeber sämtliche Interventionen, bei denen Röntgengeräte zur Bildsteuerung zum Einsatz kommen, als Verfahren mit erheblicher Strahlenexposition ansieht. Radiologen, die interventionell tätig sind, sollten daher vorsorglich immer einen Medizinphysik-Experten einbinden.

Umfang der Mitarbeit: keine ständige Anwesenheit erforderlich

Wie die Mitarbeit des Medizinphysik-Experten bei den oben benannten Verfahren auszusehen hat, lässt die StrlSchV in weiten Teilen offen. Sie beschränkt sich auf die Aussage, dass sich der Umfang „nach der Art und Anzahl der Untersuchungen oder Behandlungen sowie der Anzahl der eingesetzten Geräte“ richten soll.

Fest steht jedenfalls, dass der Medizinphysik-Experte – anders als dies bei strahlentherapeutischen Behandlungen mit individuellem Behandlungsplan gefordert ist – weder jederzeit am Ort der Strahlenanwendung anwesend sein muss, noch an der einzelnen radiologischen Untersuchung bzw. Intervention mitzuwirken hat. Ihm obliegt nach der Vorstellung des Verordnungsgebers vielmehr die allgemeine Optimierung und Qualitätssicherung dieser Verfahren. Die genauere Ausgestaltung der Einbindung des Medizinphysik-Experten dürfte sich den Empfehlungen der SSK entnehmen lassen. Diese sind zwar nicht rechtsverbindlich, doch zumindest als Auslegungshilfe zur StrlSchV hinzuzuziehen, da sie den Willen des Verordnungsgebers wiedergeben (SSK-Empfehlungen wurden auf Veranlassung des BMUB erstellt). Danach ist u. a. sicherzustellen, dass der Medizinphysik-Experte bei Bedarf spätestens am folgenden Arbeitstag in der radiologischen Praxis oder Klinikabteilung vor Ort sein kann. Die SSK-Empfehlungen konkretisieren die Aufgaben des Medizinphysik-Experten, die in der StrlSchV abstrakt und für sämtliche Mitwirkungsformen übergreifend beschrieben werden, für den Bereich der Röntgendiagnostik und der interventionellen Radiologie wie folgt:

Aus Tab. 2b der SSK-Empfehlungen: Zusätzliche Aufgaben eines Medizinphysik-Experten in der Röntgendiagnostik und in der interventionellen Radiologie

Aufgabenbezeichnung

Tätigkeitsmerkmale

Patientenbezogener Strahlenschutz

Dosismanagement

Einrichtung, Konfiguration, Parametrisierung, Überwachung, Anpassung von Dosismanagementsystemen

Qualitätssicherung

Protokollerstellung einschl. Dosimetrie

Erstellung von Untersuchungsprotokollen für CT und Interventionen gemeinsam mit Arzt und MTRA, Optimierung der Geräteeinstellungen bzgl. Dosis/Bildqualität

Protokollüberwachung

Prüfung auf Einhaltung der Protokolle anhand der Fragestellung

Management und Überprüfung (Festlegung und Durchführung) der Konstanzprüfung

Beurteilung anhand der Prüfkörperaufnahmen

Überprüfung und Management von Reparatur- und Wartungsmaßnahmen

Überprüfung der resultierenden Bildqualität und Dosis

Optimierung der Behandlungs-/Untersuchungsabläufe

Generierung von SOPs zum optimalen Einsatz von Strahlenschutzmitteln und Gerätetechnik

Überprüfung von diagnostischer Bildqualität und Dosis

Überprüfung von Dosisindikatoren und der damit erzielten Bildqualität, ggf. Optimierung von Einstelltechnik und Geräteeinsatz

Abgleichen der Untersuchungsprotokolle unterschiedlicher Modalitäten einer Klinik

Anpassen von Modalitäten bzgl. Bildqualität/Dosis innerhalb eines Bereichs, um trotz heterogenen Geräteparks eine einheitliche Qualität zu garantieren

Beschaffung neuer Geräte, Fragestellungen zu Dosis und Bildqualität

Erstellung der Leistungsverzeichnisse im Rahmen von Ausschreibungen und Angebotsaufforderungen und Beratung bei der Auswahl

Beschaffung gerätebezogener Strahlenschutzmittel einschließlich Schulung zur Anwendung

Ermittlung des Bedarfs und Überprüfung des korrekten Einsatzes von gerätebezogenen Strahlenschutzmitteln

 

Übergangsregelung bis Ende 2022

Für den Betrieb von Röntgengeräten, mit denen die o. g. Untersuchungen oder Interventionen durchgeführt werden sollen (z. B. CT-Geräte, Durchleuchtungsgeräte etc.), müssen Radiologen gewährleisten, dass sie auf einen Medizinphysik-Experten im erforderlichen Umfang zurückgreifen können. Dies gilt zunächst nur für Geräte, die Radiologen ab dem 31.12.2018 nach einer entsprechenden Genehmigung oder – bei vorhandener Bauartzulassung – einer Anzeige in Betrieb nehmen. Für Altgeräte, die am 31.12.2018 bereits genehmigt oder angezeigt waren, gilt eine Übergangsregelung. Danach haben Radiologen bis zum 31.12.2022 Zeit, die Einbindung eines Medizinphysik-Experten sicherzustellen.

Sonstige radiologische Anwendungen

Bei allen weiteren Anwendungen mit radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung ist ein Medizinphysik-Experte zur Beratung hinzuzuziehen, soweit dies geboten ist, um den Strahlenschutz zu optimieren oder die erforderliche Qualität zu gewährleisten. Dies entspricht den bisherigen Anforderungen der Röntgenverordnung, die nunmehr einheitlich auf alle Anwendungen von ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen am Menschen ausgedehnt werden. Mit der bloßen Beratung ist hier die schwächste Mitwirkungsform des Medizinphysik-Experten geregelt.

Weiterführende Hinweise

  • SSK-Empfehlungen „Hinzuziehung eines Medizinphysik-Experten bei medizinisch-radiologischen Tätigkeiten – Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie 2013/59/Euratom“ vom 25./26.09.2017, online unter www.iww.de/s2546