Der Arzt ist zur „negativen Auskunft“ verpflichtet

von RAin, FAin für MedR, Wirtschaftsmediatorin Rita Schulz-Hillenbrand, Würzburg, www.schulz-hillenbrand.de

Wenn ein Arzt von seinem Patienten nach einem möglichen Behandlungsfehler gefragt wird, so muss er ihm zumindest antworten, auch wenn ihm kein Fehler bekannt ist. Der Arzt ist damit zu einer „negativen Auskunft“ verpflichtet (Oberlandesgericht [OLG] Oldenburg, Beschluss vom 25.8.2015, Az. 5 W 35/15).

Sachverhalt und Entscheidung 

Der beklagte Arzt leitete im April 2014 die Geburt eines Mädchens per Kaiserschnitt ein. Einen Tag später wurden bei dem Kind eine Femurfraktur sowie eine Verletzung des Femurs links diagnostiziert.

Die Eltern baten den Arzt mit mindestens drei Schreiben unter Berufung auf die Mitwirkungs- und Informationspflichten nach § 630c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) um Mitteilung, ob er von einem Behandlungsfehler ausgehe. Der Arzt reagierte jedoch nicht. Die Eltern klagten daraufhin auf Auskunft. Der Arzt äußerte in der Klageerwiderung und im Termin, dass ihm kein Fehler bekannt sei. Daraufhin erklärten die Eltern den Rechtsstreit für erledigt.

Das Gericht hatte in erster Instanz den Eltern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil für den Arzt keine Umstände für einen Behandlungsfehler erkennbar gewesen seien und ihn deshalb keine Recherchepflicht treffe.

Hiergegen erhoben die Eltern mit Erfolg sofortige Beschwerde – die Verfahrenskosten wurden auf beide Parteien verteilt. Die Auskunftspflicht aus § 630c Abs. 2 S. 2 BGB umfasse auch die Mitteilung an den nachfragenden Patienten, dass für den Arzt keine behandlungsfehlerbegründenden Umstände erkennbar sind.

Arzt muss Nachfrage des Patienten beantworten 

§ 630c BGB ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 mit dem Ziel eingeführt worden, Ärzte und Patienten auf Augenhöhe zu bringen.

Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, wenn der Arzt die Nachfrage eines Patienten unbeantwortet lassen könnte. Der Patient könnte nicht erkennen, ob auf seine Nachfrage nur deshalb nicht reagiert worden wäre, weil der Arzt keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler hätte, oder ob diesem sehr wohl behandlungsfehlerbegründende Umstände bekannt wären, er diese aber nicht preisgeben möchte. Diese Ungewissheit könnte der Patient nur mittels einer Klage beseitigen.

BEACHTEN SIE | Der Arzt hatte im Fall des OLG Oldenburg bereits in der Klageerwiderung erklärt, dass ihm keine fehlerbegründenden Umstände bekannt seien. Die Eltern hatten dennoch seine Vernehmung beantragt. In der Kostenentscheidung wurde deshalb berücksichtigt, dass die mündliche Verhandlung nur erforderlich war, weil die Eltern den – im Ergebnis erfolglosen – Antrag auf Vernehmung des Arztes gestellt hatten.

Praxishinweis

Generell gilt: Auch Radiologen schulden eine Aufklärung über die Untersuchung. Dass eine Untersuchung oder Teile davon von einer MTRA gemacht wird, entbindet nicht von einem vorherigen Gespräch des Radiologen. So muss der Patient beispielsweise bei einer MRT-Untersuchung wissen, wo die Risiken liegen. Die bloße Übergabe eines Aufklärungsbogens, der vom Patienten unterschrieben wird, entbindet nicht von der vorherigen ärztlichen Aufklärung.

Wenn ein Arzt vom Patienten gefragt wird, muss er nicht sofort antworten. Wenn er keinen Fehler erkennt, kann er das äußern. Ist er sich nicht sicher, empfehlen die Haftpflichtversicherer, dass er sich mit der Versicherung in Verbindung setzt und diese die Anfrage des Patienten beantwortet.