Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz – die ­wichtigsten Änderungen für Vertragsärzte

von RA Jörn Schroeder-Printzen, FA für Medizin- und Sozialrecht, und RA Dr. Tilman Clausen, Fachanwalt für Arbeits- und Medzinrecht, www.armedis.de

Der Bundestag hat am 1. Dezember 2011 das „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-VStG) beschlossen, am 16. Dezember 2011 hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Die meisten Änderungen werden zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. Nachfolgend werden die Änderungen innerhalb des SGB V und in der Ärzte-ZV kurz dargestellt, die für den niedergelassenen Radiologen eine besondere Bedeutung haben können. 

Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung

Die bisherige Bedarfsplanung im Zusammenhang mit den Zulassungsbeschränkungen sieht vor, dass der jeweilige Planungsbereich der Landkreis ist; davon ist der Gesetzgeber nunmehr abgewichen. Er sieht generell vor, dass die regionalen Planungsbereiche ab 1. Januar 2013 so festzulegen sind, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird. Damit hat der Gemeinsame Bundesausschuss ­(G-BA) die Möglichkeit, innerhalb des Jahres 2012 die Planungsbereiche zu verkleinern. So wird gleichzeitig ermöglicht, kleinräumigere Bedarfsplanungen vorzusehen. 

Ferner wird nicht mehr – wie bisher üblich – ausschließlich nach den Verhältniszahlen der Ärzte einer Fachgruppe pro Einwohner festgelegt. Vielmehr sollen auch die Morbidität und die Sozialstruktur der Versicherten in die Bedarfsplanung mit einfließen. 

Darüber hinaus hat der Gesetz­geber die Möglichkeit gegeben, dass Krankenhäuser an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden, wenn ein entsprechender Versorgungsbedarf existiert. Insoweit fand noch eine Erweiterung der Ermächtigung für Ärzte, die in Rehabilitations-oder Pflegeeinrichtungen tätig sind, statt. 

Um die Versorgung zu flexibilisieren, sieht eine Änderung der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) ausdrücklich vor, dass die Residenz­pflicht – das heißt die Pflicht des Vertragsarztes, in der Nähe der Praxis zu wohnen – nicht mehr gelten soll. 

Im Übrigen hat der Gesetzgeber gleichfalls in der Ärzte-ZV vorgesehen, dass die Regelungen über die Nebentätigkeiten flexibilisiert werden sollen. Die Rechtsprechung ging davon aus, dass bei einem ­vollen Versorgungsauftrag 13 Stunden Nebentätigkeit ausgeübt werden können, beim hälftigen Versorgungsauftrag 26 Stunden. Der Gesetzgeber wollte hier diese starren Fristen aufweichen: Sofern trotz einer Nebentätigkeit eine ausreichende Versorgung der Versicherten zu „sprechstundenüblichen Zeiten“ sichergestellt ist, sollen die Nebentätigkeiten einen größeren Umfang einnehmen können. So soll den Ärzten mehr Flexibilität ermöglicht werden. 

Auch im Bereich der Zweigpraxis ist eine weitergehende Flexibilisierung vorgesehen. Bisher war bei einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz eine Zweigpraxis nicht zu genehmigen. Jetzt sieht der Gesetzgeber vor, dass eine geringfügige Beeinträchtigung für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes unbeachtlich ist, wenn dadurch gleichzeitig die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen wird. Ferner ist es nicht mehr erforderlich, dass am Vertragsarztsitz und am Ort der Zweigpraxis das gleiche Leistungsspektrum angeboten wird. Damit wurde andersartiger Rechtsprechung für die Zukunft ein Riegel vorgeschoben. 

Medizinische Versorgungszentren

Nach langen und sehr kontroversen Diskussionen ist die Gründerberechtigung eines MVZ reduziert worden. Nunmehr sind lediglich noch ­gründungsberechtigt

 

  • niedergelassene Vertragsärzte,
  • zugelassene Krankenhäuser,
  • gemeinnützige Träger oder
  • nichtärztliche Dialyseleistungserbringer nach § 126 Abs. 3 SGB V.

Ferner darf ein MVZ nur noch in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft, einer eingeschränkten Genossenschaft oder einer GmbH gegründet werden. Für andersartige Einrichtungen besteht jedoch ein vollumfänglicher Bestandsschutz, sie können weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. 

Bewirbt sich ein MVZ im Nachbesetzungsverfahren um einen Vertragsarztsitz, so sind gleichfalls Einschränkungen vorgesehen. Ein MVZ, in dem die Vertragsärzte nicht die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte innehaben, kann nur nachrangig berücksichtigt werden, selbst wenn es die beste Qualifikation hat. Das gilt jedoch dann nicht, wenn das MVZ schon vor dem 31. Dezember 2011 bestanden hatte und auch zu diesem Zeitpunkt bereits die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei den Vertragsärzten lag. 

Im Übrigen ist vorgesehen, dass auch bei MVZ das Leistungsangebot innerhalb der Zweigpraxis nicht identisch mit dem Leistungsangebot am Sitz des MVZ sein muss. 

Förderung des Abbaus von Überversorgung

Nicht zum 1. Januar 2012, sondern zum 1. Januar 2013 tritt eine wesentliche Änderung des Nachbesetzungsverfahrens in Kraft. Das Verfahren wird nunmehr wesentlich komplizierter. Will ein Arzt auf seine Zulassung zum Zwecke der Nachbesetzung auf seine Zulassung verzichten, wird zunächst von den Zulassungsgremien geprüft, ob noch ein Bedarf für diesen Vertragsarztsitz existiert oder nicht. Wird ein Bedarf bejaht, wird das normale Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Wird ein Bedarf durch den Zulassungsausschuss verneint, so hat die Kassenärztliche Vereinigung den Erben eine Entschädigung des Verkehrswerts der Arztpraxis zu zahlen. 

Die Entscheidung des Zulassungsausschusses, ein Ausschreibungsverfahren nicht durchführen zu lassen, ist im Übrigen gerichtlich überprüfbar. Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Anwendung dieser Regelung vorgesehen, wenn ein Arzt zugunsten der Anstellung auf seine Zulassung verzichtet. 

Weiterhin ist eine versteckte Regelung zu berücksichtigen: Durch § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV wurde auch in den Fällen, in denen der Versorgungsgrad über 100 Prozent liegt, bei denen aber noch keine Überversorgung fest­gestellt wurde, die Möglichkeit eingeräumt, die Zulassung zeitlich zu befristen. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Zulassungsgremien. Zu berücksichtigen ist in diesem speziellen Fall die verfassungsrechtlich durchaus bedenkliche Entscheidung des Gesetzgebers, dass auch vor Ablauf der Frist bei einem Verzicht auf die Zulassung der Vertragsarztsitz selbst für den Zeitraum der Befristung nicht ausgeschrieben werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelung einer verfassungsrechtlichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes standhält. 

Rückumwandlung von Arztstellen

Die Zulassungsgremien können angestellten Ärzten die Zulassung übertragen, wenn der anstellende Vertragsarzt nicht gleichzeitig die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens begehrt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder einem halben Versorgungsauftrag entspricht. Damit besteht die Möglichkeit, angestellte Ärzte zu Partnern einer Gemeinschafts­praxis zu machen. Der „Umweg“ über bedenkliche Gesellschaftsverträge, die auf eine (verbotene) Scheinselbstständigkeit hinauslaufen, muss damit nicht mehr gegangen werden. 

Zuweisung gegen Entgelt

An eher versteckter Stelle ist als Neuerung ab 1. Januar 2012 festzuhalten, dass das berufsrechtliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt ausdrücklich in die vertragsärztliche Versorgung implementiert wurde (neuer Abs. 7 im § 73 SGB V). Dem Arzt ist es somit nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Wird gegen dieses Verbot verstoßen, ist gleichzeitig eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten festzustellen, die zu Disziplinar- oder Zulassungsentziehungsverfahren führen können. 

Diese Regelung wird an anderer Stelle insoweit noch konkretisiert, dass eine unzulässige Zuwendung schon vorliegt, wenn man unentgeltlich oder verbilligt Gerätschaften oder Materialien überlassen bekommt oder sich bei der Durchführung von Schulungsmaßnahmen sowie der Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal unterstützen lässt. Selbst wenn man sich im Übrigen an Unternehmen beteilgt und dadurch maßgebliche Einkünfte erzielt, die durch das Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten gesteuert werden, liegt eine vertragsärztliche Pflichtverletzung vor. 

Kooperationen ambulant­-stationär

Oben wurde bereits die Frage der Flexibilisierung der Nebentätigkeiten angesprochen. Des Weiteren besteht nunmehr auch die Möglichkeit der Kooperation in der vor- und nachstationären Versorgung oder hinsichtlich des ambulanten Operierens im Krankenhaus. Damit erhält der niedergelassene Arzt weitere Möglichkeiten, um außerbudgetäre Vergütungen zu erzielen. 

Regionalisierte Honorarverteilung

Nach Auffassung des Gesetzgebers ist die Systematik der Honorarverteilung, die zum 1. Januar 2009 eingeführt wurde, gescheitert. Deswegen wird nunmehr wieder eine Regionalisierung der Honorarverteilung vorgenommen. Die KVen verteilen nach eigenen Satzungsregelungen das Honorar. Dabei werden durch den Bewertungsausschuss nur noch untergeordnete Vorgaben gemacht. Speziell in unterversorgten Bereichen, also in den Bereichen, wo der Landesausschuss eine Unterversorgung ausdrücklich festgestellt hat, ist eine Budgetierung des ärztlichen Honorars nicht mehr zulässig. 

Wirtschaftlichkeitsprüfung

Auch innerhalb der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind einige den Arzt entlastende Entscheidungen getroffen worden, die allerdings für den Radiologen keine praktische ­Relevanz haben.