Corona-Impfpflicht in Radiologiepraxen: Was ist zu beachten?

von RA, FA für ArbR und MedR, Benedikt Büchling, Hagen und RA, FA für MedR Frank Sarangi LLM, Köln, kanzlei-am-aerztehaus.de

Personen in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen müssen nach § 20a Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bis spätestens zum 15.03.2022 geimpft oder genesen sein. Betroffen sind u. a auch Radiologiepraxen sowie die radiologischen Abteilungen in Krankenhäusern. Der Gesetzgeber hat damit eine Corona-Impfpflicht für die entsprechenden Ärzte, MTRA, MFA sowie andere Arbeitnehmer eingeführt. Die Impfpflicht soll das Risiko reduzieren, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren und SARS-CoV-2 an andere Menschen zu übertragen. Dieser Beitrag geht speziell auf die Konsequenzen für Arztpraxen ein, da dort – anders als in Krankenhäusern – häufig Radiologen als Praxisinhaber für die Umsetzung verantwortlich sind.

Betroffene Personengruppen

Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und vulnerabler Personengruppen vor einer COVID-19-Erkrankung sieht das Gesetz vor, dass das Praxispersonal, d. h. Arzt, MTRA, MFA usw. geimpft oder genesen sein müssen. Davon sind auch weitere dort tätige Personen wie z. B. Hausmeister, Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal betroffen. Erfasst sind zudem Auszubildende sowie Personen, die ihren Freiwilligendienst ableisten, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten und Zeitarbeitskräfte. Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind Personen, die nur zeitlich vorübergehend tätig werden, Patienten und Begleitpersonen sowie Personen, die sich aufgrund medizinischer Kontraindikation nicht impfen lassen können.

Nachweispflicht

Für bestehende und bis zum 15.03.2022 einzugehende Tätigkeitsverhältnisse ist eine Vorlagepflicht für den Immunitätsnachweis bis zum 15.03.2022 einzuhalten. Neue Tätigkeitsverhältnisse können ab dem 16.03.2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden. Nachweise, die ab dem 16.03.2022 durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit durch Vorlage eines gültigen Nachweises ersetzt werden. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, kann das Gesundheitsamt Ermittlungen einleiten. Zudem kann das Gesundheitsamt einer Person ohne Nachweis ggf. untersagen, die Praxisräume zu betreten.

Merke

Für die Nachweispflicht kommt es auf die Art der Beschäftigung nicht an, sodass auch Mitarbeiter eines externen Dienstleisters (z. B. Reinigungsdienst) davon umfasst sein dürften. Ausgenommen sind Personen, die zeitlich nur vorübergehend (wenige Minuten) tätig werden.

 

Pflichten für Arbeitgeber

Spätestens ab dem 16.03.2022 dürfen Arbeitnehmer ohne Nachweis nicht mehr in einer Arztpraxis beschäftigt werden. Der Praxisinhaber muss dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Praxis befindet, zudem unverzüglich mitteilen, wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen. Er hat dem Gesundheitsamt insoweit die personenbezogenen Daten zu übermitteln. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen sieht das Gesetz in § 73 IfSG Bußgeldvorschriften vor. Als Sanktion für Verstöße gegen die Nachweispflicht (§ 73 Abs. 1 Nr. 7 lit. h IfSG) ist beispielsweise eine Geldbuße von bis zu 2.500 Euro vorgesehen. In anderen Fällen können Geldbußen von bis zu 25.000 Euro verhängt werden.

Arbeitsrechtliche Folgen

Das Vorliegen einer Impfung gegen COVID-19 ist damit – wie eine Masernimpfung – für das Praxispersonal eine zwingende Beschäftigungsvoraussetzung.

Merke

Eine Person, die keinen Nachweis einer Immunisierung und kein ärztliches Zeugnis darüber vorlegt, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, darf nicht in einer Arztpraxis beschäftigt werden.

 

Keine Leistung ohne Gegenleistung

Bei fehlendem Impf- oder Genesenennachweis ist es für Arbeitnehmer spätestens ab dem 16.03.2022 unmöglich, die Arbeit zu erbringen – ihre Hauptleistungspflicht per Arbeitsvertrag. Daraus folgt dann gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass der Anspruch auf die Gegenleistung (Lohn) entfällt. Der Praxisinhaber kann daher die Entgeltfortzahlung verweigern.

Kündigung

Nicht ganz fernliegend ist auch die Annahme, dass dem Praxispersonal kündigungsrechtliche Konsequenzen drohen, falls dem Praxisinhaber nicht spätestens bis zum 16.03.2022 der Impf- oder Genesenenstatus nachgewiesen oder ein ärztliches Zeugnis über das Vorhandensein einer medizinischen Kontraindikation vorgelegt wird. Ob diese Konsequenzen sich in Form der außerordentlichen oder der ordentlichen Kündigung manifestieren, kann – mangels einschlägiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte – noch nicht abschließend beantwortet werden.

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur in Betracht, wenn eine entsprechende Weisung, sich impfen zu lassen, existiert. Zudem muss der Arbeitnehmer im Sinne einer beharrlichen Verweigerung erklärt haben, sich nicht impfen lassen zu wollen. In diesen Fällen der hartnäckigen Pflichtverletzung ist regelmäßig auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. So hat z. B. das Arbeitsgericht Köln im Falle eines Mund-Nasen-Schutz-Verweigerers entschieden (Urteil vom 17.06.2021, Az. 12 Ca 450/21).

Denkbar ist zum anderen eine personenbedingte Kündigung, da Praxispersonal ohne entsprechenden Nachweis nicht über die erforderliche Eignung bzw. Tätigkeitsvoraussetzung verfügt, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Bereits das Fehlen der Coronaimpfung dürfte ein Beschäftigungsverbot und eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.

Datenschutz-Exkurs: Darf der Praxisinhaber überhaupt nach dem Impfstatus fragen?

Bei dem Impfstatus des Praxispersonals handelt es sich um Gesundheitsdaten und damit um besondere personenbezogene Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Diese Daten dürfen im Arbeitsverhältnis nur dann verarbeitet werden, wenn dies zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich ist. Letzteres wird man im Hinblick auf die Mitteilungspflichten des Praxisinhabers als Arbeitgeber gegenüber dem Gesundheitsamt annehmen können, sodass ein Fragerecht bestehen dürfte.

 

Haftungsrechtliche Bewertung

§ 20a Abs. 1 Nr. 1 lit. h IfSG hat auch haftungsrechtliche Folgen. Denn mit der Verpflichtung zur Impfung bzw. zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises soll auch der Schutz von behandelten Patienten innerhalb einer Einrichtung gefördert bzw. gestärkt werden. Als Praxisinhaber haben Sie folglich Sorge dafür zu tragen, dass dieser Schutz durch geeignete organisatorische Maßnahmen erreicht wird. Dies erfolgt hier durch einen Nachweis der Impfung bzw. die Befreiung davon oder auch durch die Nichtbeschäftigung von Ungeimpften.

Die Vermeidung von Organisationspflichtverletzungen stellt eine wesentliche Pflicht aus dem Behandlungsvertrag dar. Organisationsfehler werden von der Rechtsprechung regelmäßig der Fallgruppe des sog. „voll beherrschbaren Risikos“ zugeordnet. Voll beherrschbare Risiken zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Realisierung nicht den Besonderheiten des menschlichen Organismus, also der Erkrankung und der Behandlung der Erkrankung, geschuldet sind. Vielmehr beruhen sie auf einem Defizit im Bereich der Organisation, das durch geeignete organisatorische Maßnahmen durch die Behandlerseite sicher beherrscht und ausgeschlossen werden kann (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 16.08.2016, Az. VI ZR 634/15).

Infiziert sich also ein Patient nach dem Besuch Ihrer Radiologie-Praxis mit dem Coronavirus und behauptet, sich in Ihrer Praxis angesteckt zu haben, können Sie dazu verpflichtet werden, Auskunft darüber zu erteilen, ob die geforderten Nachweise kontrolliert und fortlaufend von Ihnen überwacht worden sind. Können Sie diesen Nachweis nicht führen, so ist die Fallgruppe des voll beherrschbaren Risikos einschlägig und das Vorliegen eines Behandlungsfehlers wird vermutet. Auszuschließen ist eine solche Beweislastumkehr allerdings bei schweren Organisationsdefiziten nicht.

Merke

Wegen der Mannigfaltigkeit einer Infektionskette dürfte zwar nicht davon auszugehen sein, dass leichtfertig unterstellt wird, dass die Infektion mit COVID-19 innerhalb der jeweiligen Praxis stattgefunden hat. Werden allerdings die vom IfSG geforderten Nachweise nicht ordnungsgemäß geführt, so kann dies im schlimmsten Fall dennoch zur Folge haben, dass die initiale Infektion mit COVID-19 als in der Praxis erworben unterstellt wird. Die Konsequenz wäre, dass alle kausalen Folgen dieser Erkrankung dem Praxisinhaber zugerechnet werden.