Corona beim Chef verhindert Hochzeit der Mitarbeiterin: LAG bestätigt Schadenersatz

von Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

Erst hat man kein Glück und dann kommt noch Pech dazu. So muss sich ein Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München gefühlt haben, der durch seine Mitarbeiterin auf Schadenersatz verklagt wurde. Hintergrund war, dass der an Corona erkrankte Geschäftsführer die Mitarbeiterin angesteckt hatte, weshalb ihre Hochzeit ausfallen musste. Die dadurch entstandenen Kosten machte sie erfolgreich als Schadenersatz geltend (LAG München, Urteil vom 14.02.2022, Az. 4 Sa 457/21 ).

Der Fall

Der Geschäftsführer des Arbeitgebers kam aus seinem Italienurlaub mit starken Erkältungssymptomen zurück, meinte aber, nicht mit Corona infiziert zu sein. An zwei Tagen fuhr er mit der Mitarbeiterin im Auto ohne Mund-Nasen-Schutz. Nach dem positiven Corona-Test kam die Mitarbeiterin als Kontaktperson in Quarantäne, weshalb ihre Hochzeit abgesagt werden musste. Die Folge war die Klage der Mitarbeiterin auf Schadenersatz in Höhe von 5.113 Euro.

Die Entscheidung

Wie zuvor das Arbeitsgericht (AG), gab auch das LAG als zweite Instanz der verhinderten Braut recht. Für beide Gerichte bestand der Schadenersatzanspruch aus der Verletzung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht gegenüber seiner Arbeitnehmerin. Durch die gemeinsame Autofahrt verstieß der Geschäftsführer gegen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, wonach die Arbeitsumgebung so zu gestalten war, dass Sicherheitsabstände von 1,5 Meter eingehalten werden konnten und jede Person bei Krankheitssymptomen zu Hause bleiben sollte.

Da der Geschäftsführer trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam, wahrte er nicht die vorgegebenen Hygienevorschriften. Diese Pflichtverletzung war ursächlich für den Schaden. Wäre er nicht ins Büro gekommen oder hätte er wenigstens den notwendigen Abstand zur Klägerin durch getrennte Autofahrten gewahrt, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit hätte stattfinden können.

Da Gesundheitsschutz und Freiheitsentzug durch Quarantäne in der Pandemiebekämpfung unmittelbar zusammengehören, war der Schadenersatzanspruch auch durch den Schutzweck der Coronaregelungen umfasst. Es konnte nicht erwartet werden, dass die Klägerin gegenüber ihrem Vorgesetzten eine getrennte Fahrt verlangte. Dies wäre einem Hinweis der Angestellten gegenüber dem Geschäftsführer gleichgekommen, dass dieser seinen eigenen Gesundheitszustand nicht ausreichend beachte und nicht adäquat darauf reagiere. Somit lag auch kein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB vor.

Es kommt auf den Einzelfall an

Dass es auf die individuellen Gegebenheiten und Konstellationen bei derartigen Schadenersatzfragen ankommt, zeigt eine andere Entscheidung des AG Siegburg. Das AG hat einen Schadenersatzanspruch einer an Corona erkrankten Krankenschwester abgelehnt, da diese nicht nachweisen konnte, dass sie sich durch ein Verschulden des Arbeitgebers während ihrer Arbeitszeit angesteckt hatte (Urteil vom 30.03.2022, Az. 3 Ca 1848/21).