Chefarzt darf weitere Behandlung auf externe Radiologen auslagern und selbst abrechnen

von RA, FA MedizinR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

Überweist ein liquidationsberechtigter Chefarzt eine stationär aufgenommene Privatpatientin zur weiteren Behandlung an eine externe radiologische Praxis, so ist dies gesetzlich gedeckt. Die Patientin ist verpflichtet, die als Wahlleistung „Chefarzt“ abgerechneten Behandlungskosten der Radiologiepraxis an die Klinik zu bezahlen. Dazu muss die Klinik aber einige Formalien erfüllen (Oberlandesgericht [OLG] Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019, Az. 8 U 140/17).

Sachverhalt

Eine ältere Dame litt unter einem Hirntumor. Zur Behandlung war sie in einer Klinik stationär aufgenommen worden. Mit der Klinik schloss sie eine Wahlleistungsvereinbarung für die Behandlung durch den Chefarzt der Klinik. Die Vereinbarung umfasste

  • die wahlärztlichen Leistungen der an ihrer Behandlung beteiligten angestellten oder beamteten liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses einschließlich
  • der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.

Ein Informationsblatt zu den Krankenhausentgelten („Patienteninformation Wahlleistungen“) war beigefügt. In der Liste der Wahlärzte war der Chefarzt F benannt. Die Frau erklärte auch ihre Einwilligung zur Abtretung und Weitergabe der zur Rechnungsstellung und Forderungseinziehung notwendigen behandlungs- und personenbezogenen Daten. Der liquidationsberechtigte Chefarzt F behandelte und untersuchte die Frau in der Klinik stationär. Er teilte ihr dann mit, sie hätten jetzt noch die eine Möglichkeit, mit der Gamma-Nachbehandlung den Hirntumor zu behandeln. Damit war die Frau einverstanden.

Daraufhin übersandte der Chefarzt F die Frau zur Behandlung an eine radiologische Gemeinschaftspraxis, die sich auf einem Gelände außerhalb der Klinik befindet und organisatorisch mit dieser nicht verbunden ist. Dort wurde die Frau mittels Gamma-Bestrahlung behandelt. Die Klinik rechnete die Gamma-Behandlung als Wahlleistung des Chefarztes F ab.

Die Frau zahlte die Rechnung der Klinik aber nicht. Später verstarb die Frau. Die Klinik trat die Forderung gegen die Erben der Frau an eine Abrechnungsstelle ab. Die Abrechnungsstelle klagte auf Zahlung des Rechnungsbetrags. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Erben der Frau gingen in Berufung und verwiesen auf das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Vor dem Hintergrund, dass sich die radiologische Praxis auf dem Gelände der Klinik befinde, sei davon auszugehen, dass ein entsprechender Kooperationsvertrag bestehe, was einer Geltendmachung der Forderung entgegenstehe.

Entscheidungsgründe

Das OLG sieht die Abtretung der Forderung als wirksam an, weil die Frau hierin eingewilligt habe. Zwischen der Radiologiepraxis und der Frau sei ein Behandlungsvertrag zustande gekommen. Die Regelungen des KHEntgG stünden der Klageforderung nicht entgegen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sei die Klinik zur gesonderten Abrechnung der Entgelte für die Gamma-Bestrahlung berechtigt.

Zwischen der Frau und der Klinik sei eine wirksame Vereinbarung über gesondert berechenbare ärztliche Leistungen getroffen worden. Die Vereinbarung sei inhaltlich wirksam. Maßgeblich sei hier, dass die Leistungen der externen Radiologiepraxis durch den Wahlarzt und liquidationsberechtigten Chefarzt F veranlasst worden seien. Denn der Chefarzt habe sie behandelt und dann an die Praxis überwiesen. Die dort entstandenen Kosten sind zu bezahlen.

Der Gesetzgeber beziehe die vom liquidationsberechtigten Krankenhausarzt veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses in eine Wahlarztkette ein. Daraus könne geschlossen werden, dass dem Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes auch dann Rechnung getragen wird, wenn dieser Arzt eine Behandlung durch Drittärzte veranlasst, die das besondere Vertrauen des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes genießen (Vertrauenskette).

Bei der Praxis handele es sich auch um eine ärztlich geleitete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses. Sie stehe nicht im Eigentum des Krankenhauses und befinde sich auf einem benachbarten Grundstück, das nicht dem Krankenhaus gehört. Es seien auch keine Belege dafür erkennbar, dass diese Praxis mit der Klinik eine Kooperationsvereinbarung geschlossen habe. Selbst wenn eine solche Kooperation bestünde, stände dies der Forderung der Klinik nicht entgegen.

Praxistipp

Kliniken sollten bei Wahlleistungsabrechnungen beachten:

  • Die Wahlleistungsvereinbarung muss die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise enthalten und vom Patienten unterschrieben sein.
  • Der behandelnde Wahlarzt muss namentlich in der Wahlarztliste aufgeführt sein.
  • Der Wahlarzt muss den Patienten selbst behandelt haben.
  • Dass der Wahlarzt die Behandlung durch einen Dritten (externen) Arzt veranlasst hat, sollte in der Behandlungsakte dokumentiert werden.
  • Im Kooperationsvertrag zwischen der Klinik und externen Ärzten sollten klare Unterscheidungen getroffen werden für
  • die Behandlung von allgemeinen Krankenhausleistungen und
  • Wahlleistungen auf Veranlassung.
  • Radiologen sollten darauf achten, eine möglichst präzise Überweisung zu erhalten, die die beauftragte Leistung möglichst genau bezeichnet, (und sollten diese zu Beweiszwecken gut aufbewahren).
  • Radiologiepraxen sollten, soweit sie sich auf dem Gelände der Klinik befinden, organisatorisch klar von der Klinik getrennt sein.

 

Weiterführender Hinweis