BWA: Die betriebswirtschaftliche Auswertung einer Radiologiepraxis – darauf kommt es an!

von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

Steuerberater von Arztpraxen erstellen monatlich oder vierteljährlich auf der Basis der genutzten Buchhaltungssoftware die sog. betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA). Wie grenzt diese sich von einer Bilanz ab, was sagt sie aus und welche Missverständnisse können auftreten?

Abgrenzung der BWA zur Bilanz

Grundlage der BWA stellen die Daten der Finanzbuchhaltung zu

  • Erträgen,
  • Aufwendungen und
  • Umsatzerlösen dar.

Somit enthält die BWA wichtige Informationen über die Leistungsfähigkeit sowie die wirtschaftliche Ertragslage des ärztlichen Betriebs. Auf einen Blick ist es möglich, Umsatz sowie Aufwendungen zu sehen und zu beurteilen. Außerdem ist der Gewinn ggf. der Verlust ersichtlich. Eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung einer BWA liegt nicht vor. Sie wird allerdings durch die gesetzlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) beeinflusst.

Für die Erstellung einer Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung gibt es dagegen die Vorschriften des HGB und des Steuerrechts. Ärztliche Betriebe erstellen i. d. R. lediglich Einnahmen-Überschussrechnung und sind nach § 18 Einkommenssteuerrecht nicht verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen. Dem Finanzamt haben sie eine ordnungsgemäße Aufzeichnung ihrer Betriebseinnahmen und -ausgaben zu übermitteln. Die Differenz zwischen diesen beiden Größen ergibt den steuerlichen Gewinn, der der Besteuerung zugrunde liegt.

Im Gegensatz zur BWA werden in der Bilanz das Vermögen, die Schulden sowie das Eigenkapital zum Bilanzstichtag (i. d. R. der 31.12.) gegenübergestellt. Die Bilanz ist für jedes Geschäftsjahr gesetzlich vorgeschrieben. Arztpraxen brauchen diese nicht zu erstellen. Eine Pflicht zur Bilanzierung entsteht erst, wenn eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) als GmbH oder als andere Kapitalgesellschaft gegründet werden. Die Bilanz ist eine stichtagsbezogene wertmäßige Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital eines Unternehmens bzw. einer Praxis in Kontoform. Sie muss nach dem HGB jährlich aufgestellt werden. Auch die Gliederung ist vorgegeben.

Zu beachten ist, dass in der BWA keine wirtschaftliche Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben erfolgt. Einnahmen und Ausgaben werden dann verbucht, wenn sie zahlungsmäßig anfallen. Das HGB verlangt dagegen, dass Aufwendungen und Erträge in den Jahren zu erfassen sind, in den sie dem Grunde nach entstanden sind. So sind z. B. Mietzahlungen für den Januar des Folgejahres, die im Dezember des alten Jahres veranlasst werden, dem neuen Jahr zuzuordnen. In der BWA werden diese im Dezember des alten Jahres ausgewiesen. Für die Leitung einer Radiologie-Großpraxis geht es bei der BWA um Erkenntnisgewinne und um Steuerungsmöglichkeiten. Möglichst früh will sie mithilfe der BWA ein Bild der Praxis gewinnen und Abweichungen von der geplanten Entwicklung schnell erkennen.

Ansatz der Einnahmen in der BWA

Bei den Einnahmen in der BWA ergibt sich das Problem, dass die Leistungen der Krankenkassen verzögert gezahlt werden. Für jedes Quartal werden drei Abschlagszahlen (z. B. bei der KV Nordrhein, s. Tabelle) und eine Restzahlung gewährt. Insgesamt erhält die Praxis 16 Zahlungen pro Jahr. Ein Abschlag für jeden Monat und eine Restzahlung für jedes Quartal. Im Januar eines Jahres erhält die Praxis den ersten Abschlag für das neue Jahr sowie die Restzahlung aus dem dritten Quartal des Vorjahres, im April ist dann neben dem Abschlag für den Monat April die Restzahlung des vierten Quartals des alten Jahres fällig.

Tabelle: Auszahlungstermine für KV-Honorare

Zahlung

Jan.

Febr

März

April

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sept.

Okt.

Nov.

Dez.

Abschläge

01.21

02.21

12.20

04.21

05.21

03.21

07.21

08.21

06.21

10.21

11.21

09.21

Restzahlung

III/20

IV/20

I/21

II/21

 

Tabelle s. „Frühwarnsysteme der radiologischen Praxis: Controlling mittels BWA und Praxissoftware“ in RWF Nr. 08/2019

Das bedeutet, dass die Praxis am Jahresende noch auf eine Abschlagszahlung und zwei Restzahlungen wartet, die erst im neuen Jahr ausgezahlt werden. Auch Privatleistungen werden später bezahlt.

Erbringt die radiologische Praxis monatlich in etwa gleiche Leistungen, dann gibt es bei den Einnahmen keine größeren Schwankungen. Wenn die Leistungen rückläufig sind, dann spiegeln sich die verringerten Einnahmen erst zwei oder drei Quartale später wider. Über die Praxissoftware, die die Leistungen täglich erfasst, können rechtzeitig Hinweise auf die zukünftigen geringen Einnahmen gegeben werden. Das Schema einer BWA unterliegt keinen Regelungen. In der Ausgestaltung sind die Praxen frei. Die BWA gibt auch keine Auskunft über die Liquidität, da die Einnahmen und die Ausgaben zeitlich auseinanderfallen.

Auswertungsmöglichkeiten

Ein interner Praxisvergleich vergleicht die aktuellen Zahlenwerte mit denen der Vorjahre (i. d. R. drei bis fünf Jahre). Der direkte Vergleich des aktuellen Monats mit den entsprechenden Monaten der Vorjahre kann positive und negative Abweichungen aufzeigen. Allerdings sollten die Rahmenbedingungen wie z. B. Urlaubszeitraum, Ausfallzeiten beim Personal oder Preissteigerungen möglichst identisch sein bzw. Änderungen dieser Bedingungen sollten entsprechend berücksichtigt werden. Bei Abweichungen der Kennzahlen einer BWA ist dann Ursachenforschung angesagt.

Auch externe Vergleiche sind möglich. Entweder wird der Vergleich mit einer anderen – ähnlich aufgestellten – Praxis erfolgen oder mit Durchschnittswerten der Branche. Empfohlen wird eine zusätzliche Kostenrechnung, die dann weitere Auswertungsmöglichkeiten bietet, z. B. Kosten und Erlöse pro Kostenstelle und pro Kostenträger (Leistung) sowie Vergleiche der einzelnen Kostenarten, Kostenstellen und Kostenträger mit den Vorjahren (s. „Kostenrechnung in der Radiologie-Praxis: Was bringt sie und wie wird sie eingeführt?“ in RWF Nr. 10/2019). Denkbar sind auch grafische Darstellungen zum schnelleren Überblick über die Lage der Großpraxis. Eine aussagefähige BWA sollte folgende Kriterien erfüllen:

  • Der zugrunde liegende Kontenplan sollte nachvollziehbar sein.
  • Alle Rechnungen sind zeitnah zu verbuchen.
  • Abschreibungen und Rechnungsabgrenzungen sollten nicht erst am Jahresende, sondern monatlich anteilig verbucht werden.
  • Jährliche Zahlungen, z. B. Versicherungsbeiträge, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Lizenzgebühren für Software, Mieten etc. sollten ebenfalls monatlich verteilt werden.

Mögliche Missverständnisse

Die BWA kann zu den folgenden vier typischen Irrtümern führen (in Anlehnung an Rinker, Carola: BWA lesen und verstehen, S. 16 ff):

  • Irrtum Nr. 1: „Umsatz ist Gewinn.“
  • Um den Gewinn zu ermitteln, müssen vom Umsatz die Aufwendungen abgezogen werden.
  • Irrtum Nr. 2: „Zins und Tilgung mindern den Gewinn.“
  • Während die Zinsen für ein Darlehen Aufwendungen darstellen und somit den Gewinn mindern, handelt es sich bei Tilgungen um Rückzahlungen des Darlehens. Diese sind kein Aufwand und mindern somit den Gewinn nicht.
  • Irrtum Nr. 3: „Die BWA zeigt die Liquidität der Praxis.“
  • Die BWA als kurzfristige Erfolgsrechnung zeigt keine Liquiditätslage der Praxis. Die Liquidität ist ableitbar aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV).
  • Irrtum Nr. 4: „Die BWA weist immer die richtigen Ergebnisse aus.“
  • Die BWA umfasst alle Buchungen, die während des entsprechenden Zeitraums vorgenommen wurden. Je genauer gebucht wurde, desto aussagekräftiger ist die BWA. Wichtig ist auch, ob jährliche Buchungen, wie z. B. Abschreibungen, auch unterjährig gebucht werden. Außerdem erfolgt in der BWA keine Periodenabgrenzung in Form von sog. Rechnungsabgrenzungsposten. Es werden auch keine kalkulatorischen Mieten (die Praxis nutzt eigene Räumlichkeiten) angesetzt und erfasst deshalb in diesem Fall keine Mietaufwendungen. Dafür werden in der Kostenrechnung kalkulatorische Mieten angesetzt. Außerdem erfolgt kein Ausweis von kalkulatorischen Zinsen, d. h., nur Fremdkapitalzinsen werden in der BWA berücksichtigt, aber keine Verzinsung des Eigenkapitals (s. „Kalkulatorische Zinsen in einer Großpraxis der Radiologie“ in RWF Nr. 04/2022) .

Auch zur Beurteilung der Bonität einer Großpraxis dient die BWA nur sehr eingeschränkt. Um Kredite von einer Bank zu erhalten, sind zumeist weitere Unterlagen als nur die BWA erforderlich. Die Bank wird die Vorlage von diversen Kennzahlen, z. B. zur Liquidität, zur Verschuldung (Anteil des Fremdkapitals), zur Umsatzrentabilität, zum Gewinn, zur Entwicklung des Umsatzes etc. verlangen.