BVerwG stoppt Videoüberwachung in der Arztpraxis

von RA Dr. Tim Oehler, Wallenhorst, rechtsanwalt-oehler.de

Zum Schutz vor Diebstahl von Rezeptblöcken, Betäubungsmitteln oder der Telematikinfrastruktur (Connector oder stationäres/mobiles ehealth-Kartenterminal) kann ein Arzt auf eine Videoüberwachung zurückgreifen wollen. Die Streitfrage, ob eine solche Videoüberwachung zulässig ist, hat nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Rahmen des alten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG a. F.) verneint – mit Folgen zur aktuellen Rechtslage nach dem BDSG n. F. (Urteil vom 27.03.2019, Az. 6 C 2.18 ).

Sachverhalt

Eine Zahnärztin hatte im Eingangsbereich ihrer Praxis eine Videokamera installiert, da die Eingangstür ungehindert geöffnet werden kann und der Empfang nicht mit Personal besetzt ist. Die Kamera erfasste den Flur vor dem Anmeldetresen bis zur Eingangstür, einen großen Teil des Anmeldetresens, den Mitarbeiterbereich dahinter sowie Stühle im Wartezimmerbereich. Sie konnte die Bilder in Echtzeit auf Monitore in den Behandlungszimmern übertragen und Videoströme speichern. Die Datenschutzbehörde ordnete an, die Ausrichtung der Videokamera auf den Mitarbeiterbereich hinter dem Tresen zu beschränken. Dagegen klagte die Zahnärztin ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

§ 6b BDSG a. F. berechtige zur Videoüberwachung, wenn diese zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Das BVerwG sprach der Zahnärztin insofern ein berechtigtes Interesse ab. Denn erstens fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Personen die Zahnarztpraxis betreten könnten, um dort Straftaten (wie Diebstähle oder Sachbeschädigungen) durchzuführen. Zweitens gebe es keinen Nachweis dafür, Patienten nach einer Behandlung aus medizinischen Gründen im Wartezimmer für etwaige Notfall-Situationen über eine Videoüberwachung betreuen zu können. Drittens sei das Argument, durch den Einsatz einer Videokamera Personalkosten einzusparen, eine bloße pauschale Behauptung ohne nachprüfbare Angaben.

Fazit

§ 6b BDSG a. F. ist weitgehend in § 4 BDSG n. F. übernommen worden. Neben einer Videoüberwachung zur präventiven „Wahrung berechtigter Interessen“ ist hier auch eine Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts gestattet. Dafür sind tatsächliche Anhaltspunkte nötig, die ein unbefugtes Betreten der Praxisräume befürchten lassen (z. B. Patienten mit ausdrücklichem Praxis-Verbot). Solche hatte die Zahnärztin aber nicht dargelegt.