BSG-Urteil zur Anstellung im „eigenen“ MVZ: das Ende eines beliebten Gestaltungsmodells?

von RAin, FAin MedizinR Dr. Christina Thissen, Kanzlei Voß.Partner Medizinrecht, Münster, voss-medizinrecht.de

Das Bundessozialgericht (BSG) hat ein viel beachtetes Urteil zum Thema Anstellung von Gesellschaftern in „ihrem eigenen“ Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gesprochen. Dieses Urteil schränkt das in der Praxis beliebte Gestaltungsmodell des „Verzichts zugunsten Anstellung“ stark ein (BSG-Urteil vom 26.01.2022, Az. B 6 KA 2/21 R).

Sachverhalt

Zwei Fachärzte waren jeweils mit vollem Versorgungsauftrag zugelassen. Sie gründeten eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR), an deren Vermögen und deren Ergebnis sie zu jeweils fünfzig Prozent als Gesellschafter beteiligt waren und dessen Gesellschaftszweck der Betrieb eines MVZ war. Die beiden übernahmen gemeinsam Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft nach außen, waren für die Erledigung laufender Geschäfte aber allein vertretungsbefugt. Gesellschafterbeschlüsse mussten einstimmig geschlossen werden. Die beiden Gesellschafter wollten im Modell des Verzichts zugunsten Anstellung in ihrem MZV auch ärztlich tätig werden und beantragten die entsprechende Genehmigung der Anstellungen beim zuständigen Zulassungsausschuss. Dieser lehnte die Anstellungsgenehmigung ab. Begründung: In den vorgelegten Anstellungsverträgen seien zwar arbeitnehmertypische Regelungen wie Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geregelt, jeder Gesellschafter könne aber aufgrund seiner im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Rechte aber die Kündigung seines eigenen Anstellungsvertrags jederzeit verhindern. Es fehle an einer Tätigkeit nach Weisung und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, sodass die Tätigkeit der Ärzte als selbstständige Tätigkeit einzuordnen sei. Eine Anstellungsgenehmigung könne im Zulassungsverfahren nur für Angestellte im Sinne des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts erteilt werden und sei damit im vorliegenden Fall zu versagen.

Entscheidungsgründe

Das MVZ klagte in erster Instanz zunächst erfolgreich auf Erteilung der Anstellungsgenehmigungen. Das damit befasste Sozialgericht stützte seine Entscheidung auf die vertragsärztliche Regelung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V, nach dem eine Anstellung zu genehmigen ist, wenn ein Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem MVZ verzichtet und keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Im Rahmen einer Sprungrevision hob das BSG diese Entscheidung auf und argumentierte im Wesentlichen auf Grundlage der Entstehungshistorie der Regelungen zu Anstellungen von Ärztinnen und Ärzten und zu Gründungsvoraussetzungen für MVZ.

Fazit

Bereits genehmigte Konstellationen dürften zwar Bestandsschutz genießen, aber Nachbesetzungen in diesen Konstellationen oder neue Projekte werden sich an diese Rechtsprechung anpassen müssen. Eine Anstellungsgenehmigung für einen Gesellschafter wird man künftig nur dann erreichen können, wenn man ihm im Rahmen der MVZ-Betreibergesellschaft klare Einflussgrenzen in Bezug auf seine eigene Anstellung setzt.

Es wird spannend, wie eng die Verwaltungspraxis in den verschiedenen KV-Bezirken die neue Rechtsprechung auslegen wird. Die Zeiten, in denen der Vertragsarzt durch einen Verzicht zugunsten Anstellung sowohl das Nachbesetzungsverfahren umgehen, als auch den Anstellungszeitraum im Wesentlichen selbstbestimmt verbringen konnte, sind nun jedenfalls passé.