BSG stärkt Verhandelbarkeit des Preises bei ­Praxisverkauf

von RA Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.armedis.de

Mit Urteil vom 14. Dezember 2011 (Az: B 6 KA 39/10 R), dessen schriftliche Urteilsgründe noch nicht vorliegen, hat das Bundessozialgericht (BSG) die Rechte des Zulassungsausschusses, bei der Festlegung des Praxiswertes in die vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten einzugreifen, eingeschränkt. Für Ärzte wird durch das Urteil ein Freiraum manifestiert, wonach Praxisabgeber und Praxisübernehmer den Verkaufspreis frei aushandeln können. 

Der Fall

Geklagt hatte eine Psychotherapeutin, die ihre Praxis abgeben wollte und sich im Laufe des Verfahrens mit allen konkurrierenden Bewerbern über einen Kaufpreis von 40.000 Euro einig geworden war. Die Zulassungsgremien hatten diesen Preis als überhöht erachtet und aus eigenem Betreiben ein Gutachten eingeholt. Der Gutachter stellte sich auf den Standpunkt, da ein immaterieller Wert der Praxis nicht festzustellen sei, bliebe nur der materielle Verkehrswert in Höhe von unter 3.000 Euro. Nur zu diesem Preis hätte die Psychotherapeutin verkaufen dürfen, so die Entscheidung der Zulassungsgremien im Verwaltungsverfahren. 

Die Entscheidung

Entgegen zwei instanzgericht­licher Entscheidungen hat nunmehr das BSG der Psychotherapeutin Recht gegeben. Das BSG stellte klar, dass für eine Entscheidung der Zulassungsgremien über den Verkehrswert der Praxis nur dann Raum ist, wenn zwischen dem ausscheidenden Arzt und den Bewerbern Streit über den Verkehrswert besteht. 

Sei hingegen mit allen Bewerbern Einigkeit über den Kaufpreis erzielt worden, sei eine Festsetzung des Verkehrswertes durch die Behörde nicht mehr notwendig und auch nicht mehr zulässig. Das BSG begründet dies mit den Eigentumsrechten des Praxisabgebers und der Privatautonomie der Vertragsparteien. 

Der rechtliche Hintergrund

Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 103 Abs. 4 Satz 7 SGB V sind die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes nur bis zur Höhe des Verkehrswerts der Praxis zu berücksichtigen. In diese Vorschrift hatten die Zulassungsgremien ein öffentliches Interesse hineingelesen, bei Praxisverkäufen überhöhte Kaufpreisforderungen zu verhindern. Auf dieser Grundlage sah sich die Behörde im Recht, entgegen dem zwischen den Beteiligten vertraglich Vereinbarten aus eigenem Ermessen heraus den Praxiswert zu ermitteln und fest­zusetzen. 

Dieser Vorgehensweise hat das höchste deutsche Sozialgericht nunmehr einen Riegel vorgeschoben. Nach Auffassung des BSG soll § 103 Abs. 4 Satz 7 nur verhindern, dass bei mehreren Bewerbern derjenige ausgewählt wird, der den höchsten Kaufpreis zahlt. Wenn aber mit allen Bewerbern Einigkeit über den Kaufpreis besteht, ist der Kaufpreis kein Auswahlkriterium mehr. In einer solchen Konstellation darf dann der Zulassungsausschuss nicht von sich aus in die Festlegung des Praxiswertes eingreifen, wie das BSG nunmehr klargestellt hat. 

Folgerungen für die Praxis

Auch wenn es im konkreten Fall um eine Psychotherapeutin ging, ist die Entscheidung des BSG auf alle Vertragsärzte übertragbar. Je nach konkreter Konstellation sollte der Praxisabgeber versuchen, wenn es neben dem Wunschvertragspartner noch andere Bewerber im Zulassungsverfahren gibt, sich mit allen über den gleichen Kaufpreis zu einigen. 

Dann besteht Gewähr, dass der Zulassungsausschuss bei Praxiswert und Kaufpreis nicht mit einem eigenen Wertgutachten eingreifen darf. So kann der tatsächlich verhandelte Kaufpreis gesichert werden, der aus berechtigten Gründen nicht selten deutlich über dem objektiv ermittelbaren Praxiswert liegt.