BGH: Vor PRT ist auch über das extrem geringe Risiko einer Querschnittslähmung aufzuklären

Der Umstand, dass bei einer periradikulären Therapie (PRT) in der ärzt­lichen Fachliteratur noch nicht über eine Querschnittslähmung berichtet wurde, reicht nicht aus, dieses Risiko als lediglich theoretisches Risiko einzustufen und eine Aufklärungspflicht zu verneinen. Zu diesem Ergebis kommt der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 6. Juli 2010 und stellt damit einmal mehr hohe Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht (Az:VI ZR 198/09). Radiologen, die PRT durchführen, sind also gut beraten, ihre ­Patienten vor Durchführung dieser Eingriffe auf das – sehr geringe – Risiko einer Querschnittslähmung hinzuweisen.

Der Fall

Im Urteilsfall hatte ein Orthopäde im Jahr 2001 bei einem Patienten die damals noch neue CT-gestützte PRT durchgeführt. In der vom Patienten unterzeichneten Einverständnis­erklärung hieß es zu den Risiken des Eingriffs unter anderem: „Als Komplikation ist bei einigen wenigen Patienten eine längerfristige Lähmung eingetreten, die sich jedoch wieder vollständig rückbil­dete.“ In einer weiteren Einverständniserklärung hieß es: „Lähmungen (auch Querschnittslähmungen) nach Blutungen, Entzündungen oder direkten Nervenverletzungen sind extrem selten.“

Bei der Operation kam es jedoch zu Komplikationen, die zu einer irreversiblen Tetraplegie führten. Der Patient machte danach Schaden­ersatz wegen unzureichender Aufklärung geltend. Ein Sachverständiger erklärte, im Zusammenhang mit der PRT sei damals noch nicht über Tetraplegie berichtet worden, sie gehöre aber zu den Risiken bei allen wirbelsäulennahen Injektionen. Wegen der enormen Tragweite einer Tetraplegie hätte man daher über dieses Risiko aufklären müssen.

Die Urteilsgründe

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg verneinte eine Aufklärungspflicht – die Tetraplegie als Folge einer PRT sei ein rein theoretisches Risiko gewesen, über das der Arzt nicht habe aufklären müssen. Anders der BGH, der dieses Urteil nun aufhob: Das OLG habe die Ausführungen des Sachverständigen nicht genügend gewürdigt. Bei medizinischen Fragen müsse der Richter mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten bei Sachverständigen-Aussagen durch gezielte Befragung klären. Dies sei hier unterblieben.

Der BGH wies daher das Verfahren an das OLG zurück. Dieses muss nun unter sachverständiger Beratung klären, ob aufgrund der anatomischen Gegebenheiten der Wirbelsäule bei einer PRT ebenso wie bei anderen wirbelsäulennahen Injektionen generell das Risiko einer Querschnittslähmung besteht, und ob dies dem Orthopäden im Jahre 2001 bekannt sein musste.